Auslieferung der 64-Bit-CPU verzögert sich

Verspätung des Merced trifft PC-Hersteller hart

05.06.1998

Dem größten Halbleiterhersteller der Welt bläst der Wind ins Gesicht. Nach zuletzt enttäuschenden Geschäftsergebnissen und einem sich abzeichnenden Disput mit der US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) gibt es nun offenbar Schwierigkeiten mit der rechtzeitigen Verfügbarkeit des Hoffnungsträgers Merced. Am Freitag, den 29. Mai, erklärten die Kalifornier in einer knappen Pressemitteilung, daß die Produktionspläne für die IA-64-Chips geändert worden seien. Mit der Auslieferung in Stückzahlen sei nicht, wie ursprünglich vorgesehen, Ende 1999, sondern erst Mitte des Jahres 2000 zu rechnen.

Für Workstation- und Server-Hersteller, die ihre Produktpläne auf die Verfügbarkeit der 64-Bit-CPU abgestimmt hatten, könnten die Verzögerungen Probleme mit sich bringen. Betroffen davon sind nicht nur Intels Entwicklungspartner Hewlett-Packard (HP), sondern unter anderem auch Konkurrenten wie Compaq oder Dell.

Bis zum Montag dieser Woche rutschte der Kurs der Intel-Aktie um knapp fünf Prozent auf einen Stand von zirka 68 Dollar ab. Die Notierungen etlicher PC-Anbieter gaben ebenfalls nach.

Brancheninsider gehen davon aus, daß die Gründe für die Verschiebung in erster Line produktionstechnischer Art sind. Die Design-Arbeiten für den Chip seien weitgehend abgeschlossen.

Die deutsche Intel-Dependance bestreitet indes fertigungsbedingte Schwierigkeiten. Mit dem 0,25-Mikrometer-Produktionsprozeß lägen die Entwickler im Zeitplan. Gegenwärtig sei Intel dabei, "die gesamte Plattform" inklusive Chipsets und Treiber zu überdenken. Möglicherweise habe der Konzern die Komplexität der neuen Chips unterschätzt. Der Zeitaufwand für das Testen der 64-Bit-Prozessoren in unterschiedlichen Rechnerkonfigurationen und Software-Umgebungen sei höher als ursprünglich angenommen.

Die jüngsten Entwicklungen kommen für den Chipgiganten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nach enttäuschenden Ergebnissen für das erste Quartal 1998 hatte der Hersteller kürzlich angekündigt, weltweit 3000 Stellen abzubauen. Die Prognosen für das zweite Quartal sind ähnlich unerfreulich. Weiteres Ungemach droht dem Anbieter von seiten der Kartellbehörden. Nach Berichten mehrerer US-Medien bereitet die Federal Trade Commission eine Klage gegen die Kalifornier wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens vor (siehe auch CW 19/98, Seite 4).

Intel wird unter anderem vorgeworfen, Unternehmen, mit denen der Konzern in Rechtsstreitigkeiten verwickelt ist, von technischen Informationen abzuschneiden. Ohne diese Daten seien diese Firmen zum Teil gezwungen, eigene Produktentwicklungen auf Eis zu legen. Ähnlich wie im Fall Microsoft plant die FTC nun offenbar ein weitreichendes Antitrust-Verfahren gegen den Chiphersteller.

Der Behörde nahestehende Quellen berichten, daß der Chip- gigant beschuldigt werden soll, seine Monopolstellung mißbraucht zu haben, um Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. Berichten der "New York Times" zufolge haben sich Vertreter Intels zwischenzeitlich mit FTC-Beamten getroffen, um eine gütliche Einigung zu suchen. Die Bemühungen seien jedoch gescheitert, weil Intel sich nicht zu bedeutenden Zugeständnissen bereit erklärt habe.