Vereint zum Quadruple Player

04.04.2006
Durch den Merger von Alcatel und Lucent entsteht mit rund 21 Milliarden Euro Umsatz der größte TK-Ausrüster.
Alcatel und Lucent ergänzen sich mit ihren jeweiligen Umsatzschwerpunkten in Europa beziehungsweise Nordamerika.
Alcatel und Lucent ergänzen sich mit ihren jeweiligen Umsatzschwerpunkten in Europa beziehungsweise Nordamerika.

Als Fusion zum "ersten wirklich globalen Communications-Solutions-Provider", bewerteten Alcatel-Chef Serge Tchuruk und Patricia Russo, CEO und President von Lucent, den Schulterschluss zwischen dem französischen und dem amerikanischen Unternehmen. Ausschlaggebend für den Deal, über den bereits seit Herbst 2005 verhandelt worden sei, waren laut Tchuruk vor allem zwei Dinge: die Stärkung der Innovationskraft sowie die Chance, durch Synergieeffekte kostengünstiger zu produzieren als die Wettbewerber.

Gestützt auf die Innovationskraft beider Unternehmen, die weltweit zusammen über 26 000 Entwicklungsingenieure beschäftigen, will der Konzern zum führenden Anbieter von "Quadruple-Play"-Technik aufsteigen. Geht es bei Triple Play um die Übertragung von Sprache, Daten und Fernsehen auf einer technischen (IP-)Plattform, kommt bei der angereicherten Quadruple-Variante zusätzlich noch der Mobilfunk ins Spiel.

Alcatel und Lucent geben derzeit für Forschung und Entwicklung fast drei Milliarden Dollar aus und liegen damit knapp hinter Cisco. Die von John Chambers geleitete Company wendet für die Technikforschung rund 3,32 Milliarden Dollar auf. Ein Vergleich, der den Alcatel-CEO aber nicht weiter störte, denn der Konzern Alcatel-Lucent könne auf dem viel versprechenden Triple-Play-Markt auf die Kenntnisse von über 40 Projekten, darunter mehr als 20 kommerziell betriebene Netze, zurückgreifen. Ein Know-how-Vorsprung, den Cisco selbst nach der Übernahme von Scientific Atlanta im vergangenen Jahr nicht so schnell aufholen werde. Auch Jean-Charles Doineau, Service Infrastructure Practice Leader beim Marktforschungsinstitut Ovum, sieht "für das neue Unternehmen, nennen wir es mal Lucatel, langfristig Vorteile in Forschung und Entwicklung".

Synergieeffekte

Als weiteren wichtigen Motivationsfaktor für den Zusammenschluss gaben die beiden Manager Synergieeffekte an. Mit Blick auf die chinesischen Herausforderer Huawei und ZTE versprach Tchuruk, dass der neue Konzern in der Lage sein werde, Produkte zu niedrigen Kosten zu produzieren und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu vermarkten. Zudem sieht sich der Konzern in fast allen wichtigen TK-Segmenten weltweit als die Nummer eins (etwa DSL) oder als Nummer zwei (Mobility, Services) positioniert. Die Portfolios der Fusionspartner ergänzten sich hervorragend: Während Alcatel im Festnetz- und GSM-Geschäft stark ist, kann Lucent in den Zukunftsmärkten UMTS und HSDPA punkten. Ebenso passen die beiden Partner geografisch gut zusammen: Alcatel erwirtschaftet 49 Prozent seines Umsatzes in Europa, für Lucent ist dagegen Nordamerika mit 66 Prozent der Hauptmarkt.

Insgesamt wollen Tchuruk und Russo in den nächsten drei Jahren durch Synergien 1,4 Milliarden Euro einsparen. Dazu zählt auch der Abbau von ungefähr zehn Prozent der Arbeitsplätze, also knapp 9000 Stellen. Laut Russo soll dies ausgewogen in beiden Unternehmen erfolgen. Gerüchte, wonach von den Streichungen in den USA vor allem Verwaltungsjobs und in Europa Forschungsstellen betroffen sind, wollten beide Manager nicht bestätigen. Die 6000 deutschen Beschäftigten von Alcatel und Lucent blicken damit vorerst weiter in eine ungewisse Zukunft. Viele von ihnen sind in den Forschungszentren in Nürnberg und Stuttgart beschäftigt.

Hauptsitz des neuen TK-Giganten, der theoretisch Branchengrößen wie Cisco, Ericsson, Nokia und andere mit einem addierten Umsatz von rund 21 Milliarden Euro überflügeln müsste, wird Paris. Das Nordamerika-Business wird auch künftig von New Jersey aus geleitet, wo die weltberühmten Bell Labs, das Filetstück von Lucent, weiterhin ihren Hauptsitz haben werden. Designierte Chefin des neuen Unternehmens, dessen Namen zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden soll, ist Russo. Tchuruk soll in dem neuen Konzern die Funktion eines Nonexecutive Chairman übernehmen. Nach der derzeitigen Planung lenkt die Geschicke der transatlantischen Company, die rund 88 000 Beschäftigte hat, ein 14-köpfiges Board of Directors, das sich paritätisch aus Managern beider Unternehmen zusammensetzt.

Besitzverhältnisse

Zwar feierten Tchuruk und Russo den Zusammenschluss offiziell als "merger of equals", doch die Besitzverhältnisse in dem neuen Konzern sprechen eine andere Sprache: Bei einer Marktkapitalisierung von rund 30 Milliarden Dollar halten die Alcatel-Aktionäre rund 60 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen, während die Lucent-Anteilseigner auf 40 Prozent kommen. Die Lucent-Aktionäre bekommen im Zuge der Fusion 0,1952 Anteile einer American Depositary Share (ADS), die den Gegenwert einer Alcatel-Aktie hat. Die Zustimmung der jeweiligen Behörden vorausgesetzt, wollen die Partner die Transaktion innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate abschließen. (hi)