Deutsche Szene erholt sich

US-Venture-Kapitalisten investieren weniger

10.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Die Venture-Capital-Szene in den USA kühlt sich weiter ab. Zum fünften Mal in Folge verzeichnet die US-amerikanische Vereinigung der Risikokapitalgeber, die National Venture Capital Association (NVCA), in ihrem Quartalsbericht einen Rückgang der Investitionen. In Deutschland hingegen stieg die Zahl der bereitgestellten Mittel.

Nach Angaben der US-Vereinigung flossen im zweiten Jahresviertel 10,6 Milliarden Dollar in 982 Unternehmen, das ist zwölf Prozent weniger Geld als im vorhergehenden Quartal. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum schrumpfte die Zahl sogar um über 60 Prozent und befindet sich wieder auf dem Niveau von 1999. Im Durchschnitt investierten die Risikokapitalgeber 10,9 Millionen Dollar in ein Unternehmen. Verschoben hat sich die Unterstützung zu mehr Firmen in der Expansionsphase als im Gründungs- beziehungsweise Aufbaustadium. Knapp 55 Prozent der amerikanischen Venture-Kapitalisten halfen den Startups beim Ausbau ihrer Vertriebskanäle oder der Erweiterung von Produktions- und Vertriebskapazität. "Die Statistik reflektiert die neue Ausrichtung der Venture Capitalists. Statt in neue Unternehmen zu investieren, bemühen sie sich eher um eine weitere Stärkung ihrer Portfoliofirmen", kommentiert NVCA-President Mark Heesen die Zahlen. Dass die Investoren insgesamt wieder nach langfristigen Perspektiven suchen, zeigt auch die zunehmende Finanzierung von Biotech-Unternehmen. Da diese Firmen mehrere Jahre für die Produktentwicklung benötigen, ist hier kein schneller Rückfluss des Geldes zu erwarten. Gegenüber dem vergangenen Jahr, als annähernd vier Prozent der Ausgaben in diesen Industriezweig flossen, stieg der Anteil jetzt auf knapp 14 Prozent an.

Dagegen rutschten die Internet-Companies binnen Jahresfrist von über 48 Prozent auf rund 28 Prozent der vergebenen Mittel, stellen damit allerdings noch immer den am stärksten geförderten Sektor in den Vereinigten Staaten dar. Es folgen Unternehmen, die im Bereich Software und Services arbeiten. Sie erhielten insgesamt 2,2 Milliarden Dollar, was einem Anteil von 20,9 Prozent und damit einem Anstieg um knapp fünf Prozentpunkte entspricht.

Anders hingegen verlief die Entwicklung in Deutschland. Hierzulande, so der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), wuchs das Investitionsvolumen in den ersten beiden Quartalen um 3,3 Milliarden Mark und damit um rund 100 Millionen Mark mehr als im Vorjahreszeitraum. Rund zwei Drittel des Betrages entfielen auf Erstinvestitionen, mit rund 1,2 Milliarden Mark finanzierten die BVK-Mitglieder, die rund 90 Prozent aller deutschen Beteiligungsgesellschaften ausmachen, bereits bestehende Beteiligungen weiter. Insgesamt beläuft sich derzeit das Volumen der investierten Gelder auf 23,5 Milliarden Mark. Ende 2000 lag der Betrag noch bei 21,4 Milliarden Mark.

Ebenfalls anders als in den USA scheint sich die Branchenorientierung der deutschen Beteiligungsgesellschaften zu entwickeln. Mit Bruttoinvestitionen von 676 Millionen Mark heimsten Firmen aus dem Bereich Chemie und Werkstoffe rund ein Fünftel der Gelder ein. Damit lag die Förderung dieses Industriezweiges noch vor den Branchen Software (540 Millionen Mark), Biotech (329 Millionen Mark) und Kommunikationstechnik (307 Millionen Mark).

Dass die Menge des investierten Geldes angestiegen ist, deutet jedoch zunächst nur darauf hin, dass die Töpfe der Venture Capitalists noch gut gefüllt sind. Inwieweit die Branche mit ihren Beteiligungen Erfolg haben wird, also eine entsprechende Rendite aus dem Engagement ziehen kann, ist weiterhin unklar. Denn im Vergleich zum vergangenen Jahr sank beispielsweise die Zahl der Exits über die Börse - bislang die lukrativste Form, Beteiligungen zu verkaufen - auf zwei, die allerdings beide im ersten Quartal 2001 getätigt wurden. Aufgrund der schlechten Lage an den Kapitalmärkten schrumpften auch die Preise für außerbörsliche Verkäufe an Unternehmen, so genannte Trade Sales. Ihr Anteil fiel von 40 Prozent Ende 2000 auf jetzt unter 20 Prozent. Dagegen kletterte der Wert der Abschreibungen von Venture-Capital-Beteiligungen im gleichen Zeitraum von 18 auf über 30 Prozent.

Abb: Branchenmix

Chemie und Werkstoffe lockten die meisten Geldgeber an. Quelle: BVK