Der Boom schützt vor Fehlern

US-Analysten sagen Baan eine goldene Zukunft voraus

29.11.1996

Bei jährlichenWachstumsraten von 30 bis 40 Prozent im boomenden Markt für kaufmännische Software kann man eigentlich kaum etwas falsch machen. Deshalb wundern sich die Anleger nach Beobachtungen des "Wall Street Journal" um so mehr über den plötzlichen Fall der SAP-Aktien. Beim kleinen Mitbewerber Baan sind derart negative Überraschungen bisher ausgeblieben. Dabei habe die Softwareschmiede gerade auch wegen des SAP-Booms eine Phase durchmachen müssen, in der Kunden mit der Auftragsvergabe an Konkurrenten der Walldorfer lange zögerten.

Eine der Ursachen für das rasante Wachstum von Baan liegt nach Ansicht der Analysten von Goldman Sachs darin, daß die Holländer in einer früheren Entwicklungsstufe stecken als SAP. Der Marktanteil von Baan im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP) wird auf neun Prozent gegenüber 67 Prozent bei SAP geschätzt. Bei ERP handelt es sich um Gesamtlösungen, die auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnitten sind.

Ein weiterer Unterschied zu SAP besteht darin, daß Baan bislang vor allem mittelständische Kunden beliefert. Firmengröße und Orientierung haben zur Folge, daß die Holländer flexibler auf Anwenderwünsche reagieren können als die SAP-Organisation mit ihrem mächtigen Anwendungspaket. Außerdem muß im Mittelstand bei den Einführungszeiten strenger gerechnet werden. Damit begründen die im "Wall Street Journal" angeführten Marktbeobachter auch die Schwierigkeiten der Walldorfer, diese seit Jahren umworbenen Kunden zu überzeugen. Baans Finanzchef Jan Westerhoud erklärt den Erfolg seines Unternehmens mit dessen vertikaler Marketing-Strategie. Damit spielt der Manager auf Aufträge aus der Automobil- und Flugzeugbranche sowie aus der Schwerindustrie an. "Wenn man einen wichtigen Hersteller als Kunden gewinnt, kann es leicht sein, daß er dieselbe Software auch bei seinen Zulieferern sehen möchte", hofft Westerhoud auf einen Domino-Effekt.

Tatsächlich hat Baan die Erwartungen von Goldman Sachs übertroffen. Nachdem das Unternehmen bereits nach drei Quartalen über dem Ganzjahresergebnis von 1995 liegt, schätzen die Analysten den Nettoumsatz für 1996 nun auf 380 Millionen Dollar gegenüber 216,2 Millionen Dollar im Vorjahr. Im Vergleich der ersten drei Quartale ist der Reingewinn von 8,4 Millionen auf 20,5 Millionen Dollar gestiegen.

Der ERP-Markt

BAAN ist nach Schätzungen von Goldman Sachs & Co. der kleinste Anbieter von Software für Enterprise Resource Planning (ERP). Da die Produktpakete der Konkurrenten aber ihren Schwerpunkt vor allem im betriebswirtschaftlichen und finanziellen Bereich beziehungsweise im Personalwesen haben, akzeptiert Baan, dessen Hauptaugenmerk der Fertigung gilt, diesen Vergleich nicht. Quelle: Goldman Sachs & Co.