EDV und Recht:

Urteile aus der Vertragspraxis

02.10.1981

3 - 1 - °8 - 6 Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt vom 19. Juni 1980 (3 U 165/79)

RZ-Kunde erwirbt Bürocomputer

Nichtamtliche Leitsätze

1. Zur Frage, wie lange der Auftraggeber bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur vorzeitigen Kündigung mit dem Auspruch der Kündigung abwarten darf.

2. Findet sich der Auftraggeber mit dem vertragswidrigen Verhalten des RZ über längere Zeit ab, ist anzunehmen, daß ein Abänderungsvertrag geschlossen worden ist, der das Verhalten legalisiert.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz basierend auf einem zwischen den Parteien mit Wirkung vom 1. 1. 1976 geschlossenen Vertrag, der die Auswertung der Journalstreifen zur Finanzbuchhaltung und der Lohn- und Gehaltsabrechnung des Beklagten durch die Klägerin zum Inhalt hat. Der Beklagte kündigte diesen Vertrag, fristgemäß' mit Schreiben vom 5. 4. 1978 zum 31. 10. 1978. Ab Februar 1978 hatte der Beklagte Datenträger nicht mehr in früher üblichen Umfang der Klägerin übersandt weil er sich einen Bürocomputer angeschafft hatte. In Nr. 6 des Vertrages war vereinbart, daß der Beklagte wahrend der Vertragsdauer die in diesem Vertrag festgelegten Arbeiten von der Klägerin ausführen läßt und ihr bei Verletzungen schadensersatzpflichtig ist....

Das Landgericht hat eine Vertragsverletzung durch den Beklagten und seine Schadensersatzpflicht bejaht und der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Der Beklagte trägt in der Berufung vor, die Klägerin habe entgegen den getroffenen Vereinbarungen schon bald nach Vertragsbeginn den Kurierdienst eingestellt. Gerade das sei aber ein wesentlicher Bestandteil der Vertragsbeziehungen gewesen, weil die Klägerin ihren Sitz in A-Stadt und er sein Büro in B-Stadt habe. Trotz mehrfacher Aufforderungen sei nur vorübergehend der Kurierdienst wieder aufgenommen worden. Später seien die Datenträger entweder per Post an die Klägerin versandt worden oder durch von ihm geschickte Boten, auch einige Zeit von seinem Sohn, der Klägerin überbracht worden. Die ständigen Verzögerungen, die er gegenüber seinen Auftraggebern nicht habe länger vertreten können, und die wiederholten vergeblichen Bemühungen, die Klägerin zu bewegen, einen Kurierdienst wieder aufzunehmen, hätten ihn veranlaßt, einen Computer anzuschaffen und die Arbeiten, die die Klägerin habe ausführen sollen, im eigenen Büro ausführen zu lassen. Da eine solche Umstellung mehrere Monate in Anspruch nehme, habe er den Vertrag nicht fristlos gekündigt, sondern habe beabsichtigt, die Dienste der Klägerin noch eine gewisse Zeit in Anspruch zu nehmen. Sein Verhalten bedeute aber nicht, daß er auf seine Rechte, insbesondere auf eine fristlose Kündigung wegen der Vertragsverletzungen der Klägerin habe verzichten wollen. Dieses Kündigungsrecht habe ihm noch zugestanden, als er den Vertrag aus den dargelegten Gründen fristgerecht gekündigt habe. Gleichwohl sei er nicht mehr verpflichtet gewesen, die Dienste der Klägerin noch voll in Anspruch zu nehmen. Gerade aus dem vertragswidrigen Verhalten der Klägerin sei er zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen, und es sei deshalb nicht gerechtfertigt, der Klägerin einen Schadensersatzanspruch zuzubilligen.

Die Klägerin . . . trägt weiter vor, der Beklagte habe, wie aus seinem Schreiben vom 5. 4. 1978 ersichtlich nicht gekündigt, weil der Kurierdienst nicht durchgeführt worden sei, sondern weil er einen Computer angeschafft habe. Bereits im Jahre 1976 sei der Versand der Datenträger auf den Postschnelldienst umgestellt worden Einwendungen habe der Beklagte nicht erhoben, Verzögerungen seien deshalb nicht eingetreten....

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.... Die Schadensersatzpflicht des Beklagten ist gegeben, weil er unstreitig in der Zeit von Februar bis Ende Oktober 1978 nicht alle in dem Vertrag bezeichneten Arbeiten bei der Klägerin ausführen ließ. Zwar hat der Beklagte einen Teil dieser Arbeiten nicht einem Dritten übertragen, sondern nach Anschaffung eines Bürocomputers in seinem Büro ausführen lassen. Aber auch dadurch hat er gegen den Vertrag verstoßen.... (s. auch das von der Klägerin überreichte Urteil des OLG Oldenburg vom 21. 3.1978 - 8 U 204/77).

Nicht gefolgt werden kann dem Beklagten, seine Schadensersatzpflicht müsse entfallen, weil die Klägerin selbst gegen ihre Vertragspflichten verstoßen habe, indem sie bereits wenige Monate nach Vertragsbeginn den vereinbarten Kurierdienst eingestellt habe. Zuzugeben ist dem Beklagten, daß die Einstellung des Kurierdienstes eine Kündigung aus wichtigem Grund hätte rechtfertigen können, weil er gerade wegen des Kurierdienstes den Vertrag mit der Klägerin geschlossen und einen anderen ähnlichen gekündigt hatte. Diese Konsequenz hat der Beklagte jedoch nicht gezogen. Er hat sich vielmehr nach anfänglicher Verärgerung - die Einstellung des Kurierdienstes erfolgte im April 1976 - mit diesem Zustand abgefunden....

In diesem Verhalten beider Parteien, die ansonsten an dem Vertrag festhielten, kann nur eine Abänderungsvereinbarung dahingehend gesehen werden, daß der ursprünglich vereinbarte Kurierdienst nicht beibehalten werden sollte. Das aber hat die Folge, daß der Beklagte in dem Zeitpunkt, als er die Kündigung zum 31. 10. 1978 aussprach, zur Kündigung aus wichtigem Grund nicht mehr; berechtigt war....

Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben."

3 - 1 - °8 -7 Urteil des LG Duisburg vom 11. Mai 1976 (15 0 40/76)

Wegfall der Geschäftsgrundsätze beim RZ-Vertrag

Nichtamtliche Leitsätze

1. Der herkömmliche RZ-Vertrag ist ein Werkvertrag.

2. Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage eines RZ-Vertrags wegen anderer Verarbeitungsmöglichkeit für den Auftraggeber, die sich zwingend anbietet.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Fa. A hat im März 1972 die Klägerin beauftragt, in ihrem Rechenzentrum ab April 1972 für 3 Jahre die Lohn- und Gehaltsabrechnungen für ihre Mitarbeiter durchzuführen. Die Fa. A hatte zur damaligen Zeit etwa 350 Mitarbeiter.

Im Jahre 1973 übernahm die Beklagte die Geschäftsanteile der Fa. A ... Die Fa. A wurde im März 1974 auf die Beklagte umgewandelt", d. h. daß sie in der Firma der Beklagten aufging. "Die Anzahl der von der Klägerin monatlich durchgeführten Gehaltsabrechnungen ging von durchschnittlich 350 auf .. 116 im März zurück. Ab April 1974 wurden der Klägerin keine Unterlagen mehr vorgelegt.

Die Klägerin verlangt ihren Ausfallschaden für die Mindestlaufzeit des Vertrages bis einschließlich März 1975 ersetzt. Sie behauptet, die Fa. A habe ihr monatlich mindestens 350 Abrechnungen garantiert. Im ersten Vierteljahr 1974 fehlten an dieser Mindestzahl 607 Abrechnungen. Bei der vereinbarten Vergütung von netto 3,40 DM pro Abrechnung ergebe sich ein Ausfall von 2083,80 DM und 14 280 DM. Davon verlange sie 85%. Dieser Ausfallschaden errechne sich aus der Bereitstellung von Personal und Maschinenzeit. Außerdem habe sie im Rahmen des Auftrags erhebliche Vorleistungen erbracht." Diesen Betrag klagt sie ein.

"Die Beklagte bestreitet, daß die Fa. A der Klägerin eine Mindestzahl von

monatlichen Abrechnungen garantiert habe. Der Vertrag sei nicht gekündigt sondern dadurch erloschen, daß die Fa. A allen ihren Mitarbeitern gekündigt habe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in Höhe von 6 999,63 DM nebst Zinsen begründet. Der Anspruch ergibt sich aus °° 631, 649 BGB.

1. Zwischen der Klägerin und der Fa. A ist im März 1972 ein Werkvertrag geschlossen worden. Inhalt dieses Vertrages war es, daß die Klägerin für die Fa. A die Lohn- und Gehaltsabrechnungen durchführte und zwar waren die Abrechnungen für sämtliche Mitarbeiter der Fa. A auszuführen....

Der Vertrag hatte eine feste Laufzeit von 3 Jahren . . . und endete frühestens am 31. März 1975.

Der der Klägerin geschuldete Werklohn setzte sich aus den Einrichtungs- und Neueinrichtungsgebühren sowie aus den monatlichen Pauschalabrechnungsgebühren und zwar je Mitarbeiter zusammen.... Es ist unstreitig, daß die Klägerin zu Anfang der Vertragszeit bis Ende 1973 monatlich Lohn- und Gehaltsabrechnungen für durchschnittlich 350 Mitarbeiter ausführte. Es ist jedoch nicht bewiesen, daß die Fa. A der Klägerin eine Mindestmitarbeiterzahl von 350 garantiert hätte oder daß der Gesamtwerklohn sich zumindest nach einer derartigen Mitarbeiterzahl errechnen sollte. Der Zeuge (der Klägerin), der den Vertrag auf seiten der Klägerin mitausgehandelt hat, hat zwar bekundet, bei den Verhandlungen sei eine Mindestmitarbeiterzahl von 360 zugrunde gelegt worden. Auf der Grundlage dieser Mindestzahl habe die Klägerin auch ihr Angebot unterbreitet. Für diese Darstellung des Zeugen spricht, daß die damalige Preisliste der Klägerin nach Mitarbeiterzahlen gestaffelt war. Demgegenüber hat aber der Zeuge B, der auf seiten Fa. A verhandelte, bekundet, es sei zwar über die Mitarbeiterzahl gesprochen worden, irgendeine Garantie habe er aber für diese Anzahl nicht übernommen. Für die Aussage dieses Zeugen spricht, daß auch in dem schriftlichen Angebot der Klägerin vom 7. März 1972 keine Rede davon war, daß eine Mindestzahl von Mitarbeitern, für die die monatlichen Abrechnungen erstellt werden sollten, zu garantieren war. Der Werklohn war vielmehr allein abhängig von der tatsächlichen Anzahl der Mitarbeiter wobei allerdings die Fa. A die Lohn- und Gehaltsabrechnungen für ihre sämtlichen Mitarbeiter bei der Klägerin zu erstellen hatte.

2. Die Rechte und Pflichten dieses mit der Klägerin geschlossenen Vertrages sind auf die Beklagte übergegangen....

Der Vertrag konnte auch nicht aus wichtigem Grunde wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorzeitig gekündigt werden. Es ist zwar selbstverständlich, daß die Klägerin weder das Recht noch die Pflicht hatte, die Gehaltsabrechnungen für sämtliche Mitarbeiter der Beklagten zu erledigen. Gegenstand des zwischen der Klägerin und der Fa. A geschlossenen Vertrages war nur der Unternehmensbereich der Fa. A und der in diesem Unternehmensbereich tätigen Mitarbeiter. Ebenso richtig ist es, daß es der Beklagten kaum zugemutet werden kann, für einen Teil ihrer Mitarbeiter die in den Aktivitäten der übernommenen Fa. A tätig sind, Lohn- und Gehaltsabrechnungen durch die Klägerin ausführen zu lassen. Das wird von der Beklagten auch nicht erwartet. Sie kann als Auftraggeberin gemäß ° 649 BGB den Werkvertrag jederzeit kündigen. Sie bleibt nur verpflichtet, den vereinbarten Werklohn zu zahlen wobei sich die Klägerin die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen muß. Auf diesen Werklohn zu verzichten, kann der Klägerin nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden. Sie hat zur Ausführung des Vertrages Vorleistungen erbracht. Sie konnte ihre geschäftliche Tätigkeit darauf einrichten, daß sie mit der Fa. A bis März 1975 in festen Vertragsbeziehungen stand. Sie ist nicht verpflichtet, auf diese vertraglichen Ansprüche allein deshalb zu verzichten, weil die Fa. A in eine weitaus größere Firma, nämlich die Beklagte, aufgegangen ist.

3. Die Beklagte ist daher verpflichtet der Klägerin den Werklohn zu zahlen den diese bei Fortsetzung des Vertrages hätte fordern können, wobei sich die Klägerin die ersparten Aufwendungen abziehen lassen muß.

Wie bereits dargelegt, war der zwischen der Klägerin und der Fa. A vereinbarte Werklohn nicht nach unten limitiert. Die Fa. A hat der Klägerin für den Werklohn keine Mindestmitarbeiterzahl garantiert. Sie war lediglich verpflichtet, für sämtliche Mitarbeiter die vereinbarte monatliche Pauschalabrechnungsgebühr zu zahlen.

Nach Übernahme der Fa. A ist die Beklagte verpflichtet, diese monatliche Pauschalabrechnungsgebühr der Klägerin für die Mitarbeiter zu zahlen die in dem übernommenen Unternehmensbereich tätig sind. Die Bestimmung der Zahl dieser Mitarbeiter macht Schwierigkeiten....

Wieviel Mitarbeiter der Beklagten genau in dem Unternehmensbereich tätig sind, den die Beklagte von der A-Gruppe übernommen hat, wird sich heute kaum ermitteln lassen. Zumindest wäre eine genaue Ermittlung mit erheblichen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zu den hier streitigen Forderungen stehen. Die Kammer schätzt daher gemäß ° 287 Abs. 2 ZPO die Anzahl der Mitarbeiter der Beklagten, die in den übernommenen Aktivitäten der A-Gruppe tätig sind auf 175. In diesem Umfang ist der Klägerin der vereinbarte Werklohn entgangen.

Von diesem der Klägerin entgangenen Werklohn muß sie sich aber die ersparten Aufwendungen abziehen lassen. Diese Aufwendungen sind mit 15% des Werklohns anzusetzen. Die Klägerin hat vorgetragen, daß ihr Ausfallschaden auch ohne Durchführung der Arbeit allein durch die Bereitstellung von Personal, Maschinenzeit und Software 85% beträgt. Diese Angaben hat der Zeuge (der Klägerin) glaubhaft bestätigt. Sie werden von der Beklagten nicht bestritten. Unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen sind daher der Klägerin 6 999,63 DM Werklohn entgangen."