Urteile aus der Vertragspraxis

18.06.1982

Von Dr. Christoph Zahrnt Rechtsanwalt in Neckargemünd

2-6-° 1-1 Urteil des LG Köln vom 17. März 1981 (90 O 54/81)

Maßnahmen zum Programmschutz

Nichtamtlicher Leitsatz:

Zur Frage der Übertragung der Nutzungsrechte an einen durch ein hardware device geschütztes Programm (hier: Betriebssystem), dessen Nutzung anlagenbezogen ist.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Beide Parteien sind Software-Anbieter; die Antragsgegnerin vertreibt das Betriebssystem X der Fa. X. Der Antragsteller verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung die Herausgabe bzw. die Hinterlegung eines Schlüssels, der erforderlich ist, um eine Kopie dieses Betriebssystems auf derjenigen EDV-Anlage einsatzfähig zu machen, für die das Betriebssystem von der Fa. X lizensiert ist.

Im Vertrag vom 22. 9. 1980 hatten die Parteien unter Ziffer VI vereinbart, daß der Antragsteller die Originalbänder mit dem Betriebssystem übernimmt, wobei die "Vertragsbedingungen der Fa. X für beide Parteien bindend" sein sollten.

"Der Antragsteller hat von der Antragsgegnerin die entsprechenden Bänder erhalten. Er kann sie jedoch nicht verwenden, weil ihm der dazugehörige" Schlüssel fehlt.

Die Antragsgegnerin verweist auf die zwischen ihr und der Fa. X bestehenden vertraglichen Vereinbarungen. Danach stehe der Schlüssel im Eigentum der Fa. X. Der Antragsgegnerin sei es nur gestattet, den Schlüssel lediglich an denjenigen herauszugeben, der die Lizenz für ein X-Betriebssystem habe. Ohne Zustimmung der Fa. X dürfe die Antragsgegnerin ihr Recht an dem X-Betriebssystem, zu dem der hier betroffene Schlüssel gehöre, nicht übertragen."

Das Gericht wies beide Anträge ab. Entscheidungsgründe:

"... Dem Antragsteller steht kein Verfügungsanspruch zu.

Wie sich aus den von der Antragsgegnerin eingereichten Unterlagen über die Software-Verträge zwischen der Antragsgegnerin und der Fa. X in Verbindung mit dem weiteren Vortrag der Parteien und den Ausführungen des Sachverständigen ergibt, gestattete die Fa. X der Antragsgegnerin, das X-Betriebssystem lediglich an bestimmte Kunden weiterzugeben, und zwar nur für einen bestimmten, von X lizenzierten Computer (Hardware). Der von der Fa. X mit dem Betriebssystem gelieferte Schlüssel ist erforderlich, um das Band mit dem Betriebssystem in dem lizenzierten Computer, und nur dort, laufen zu lassen.

Unter diesen Umständen bedarf Ziffer VI des Vertrages der Parteien vom 22. 9. 1980 der Auslegung. Lediglich mit der Übernahme der ,Originalbänder' ist nämlich dem Antragsteller nicht gedient. Um diese Originalbänder verwerten zu können, d. h. auf einer Hardware ablaufen zu lassen und die Bänder zusammen mit dieser Hardware an einen neuen Kunden zu verkaufen, bedarf es einer entsprechenden Lizenz der Fa. X oder der Übertragung der bereits bei der Antragsgegnerin vorhandenen

Lizenz auf den Antragsteller sowie des Einsatzes des zu dem X-Betriebssystem gehörenden Schlüssels. Hieraus ergibt sich: Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller nach Ziffer VI Abs. 1 des Vertrages vom 22. 9. 1980 die Originalbänder zu übergeben, bedeutet die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller die gesamte Rechtsstellung aus dem mit X geschlossenen Vertrag bezüglich des Betriebssystems zu übertragen. Eine solche Übertragung ist jedoch entsprechend den Vereinbarungen der Antragsgegnerin mit der Fa. X nur möglich, wenn letztere zustimmt. Auf diese Einschränkung nimmt Ziffer VI Abs. 1 in dem dortigen handschriftlichen Zusatz Bezug, indem es dort heißt: "Wobei X Vertragsbedingungen für beide Parteien bindend" sind.

Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übertragung des Schlüssels setzt also die Zustimmung der Fa. X hierzu sowie zu der gesamten Übertragung des Betriebssystems auf den Antragsteller voraus. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Fa. X habe eine entsprechende Zustimmung verweigert."

3-1-° 4-2 Urteil des LG Traunstein vom 10. November 1981 (2 O 1743/80)

Zur Behandlung der Daten bei Beendigung des RZ-Vertrags (II) Nichtamtliche Leitsätze:

1. Der herkömmliche Rechenzentrumsvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter (° 675 BGB).

2. Für das Rechenzentrum besteht bei Vertragsende die Nebenleistungspflicht, die vom Auftraggeber bereitgestellten Daten auf dessen Wunsch auf Magnetband und nicht nur auf Tabellierpapier gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung herauszugeben, auch wenn die - Daten nur mit Hilfe eines erst noch zu erstellenden Programms auf Magnetband überspielt werden müssen.

3. Enthält die Speicherform der Daten ein Betriebsgeheimnis des Rechenzentrums (hier: Komprimierung), darf und muß das RZ die Daten in eine Form überführen, in der das Betriebsgeheimnis nicht bekanntgegeben wird (hier: in dekomprimierte Form überführen).

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Klägerin betreibt einen . . ., die Beklagte ein Rechenzentrum. Mit Vertrag vom 8. 2. 1978 übernahm die Beklagte RZ-Arbeiten.

"Am 28. 9. 1979 kündigte die Klägerin den Vertrag zum 31. 3. 1980, weil sie eine eigene EDV-Anlage erworben hatte.

Die Klägerin wandte sich anfangs Februar 1980 an die Beklagte und bat, die Daten in kompatibler Form auf Magnetband zu übertragen. Die hierfür angemessenen Kosten bis höchstens DM 5000, - zu tragen bot die Klägerin an. Die Beklagte erklärte sich zwar grundsätzlich bereit, den Wünschen zu entsprechen. Die Kosten für die Übertragung der Daten bezifferte sie jedoch auf DM 28 000, - bis 35 000, - . An dieser Forderung der Beklagten scheiterten schließlich die Verhandlungen der Parteien.

Am 17. 3. 1980 übergab die Beklagte der Klägerin das auf Tabellierpapier aufgelistete ...verzeichnis. Die Klägerin ließ die Daten von dritter Seite erfassen. Die hierfür angefallenen Kosten sind der Streitgegenstand.

Die Beklagte meint, der Vertrag vom 8. 2. 1978 - ein Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag - beinhalte nicht die Verpflichtung zur Erstellung eines EDV-Programms. Dieses sei vielmehr Voraussetzung (Vorstufe) für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten und stelle ihr, der Beklagten, Betriebsgeheimnis, ihr know-how dar, auf dessen wirtschaftliche Zueignung (Herausgabe) die Klägerin auch nach Vertragsende keinen Anspruch habe. Denn sonst wäre es der Klägerin möglich gewesen, das Programm der Beklagten zur Aufbereitung und Speicherung von Daten, insbesondere die Speichermethode (Satzaufbau), kennenzulernen und damit in das Betriebsgeheimnis einzudringen. Um dies zu verhindern, wäre es erforderlich gewesen, die Daten mit Hilfe eines anderen, neu zu entwickelnden Programms zu übertragen. Hierfür wären Kosten in Höhe von 28 000, - DM bis DM 35 000, - angefallen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten aus dem Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung (pVV) Schadensersatz fordern. Denn die Beklagte hat schuldhaft, ° 276 BGB, gegen ihre vertragliche Nebenpflicht verstoßen, rechtzeitig vor Beendigung des Vertrages vom 8. 2. 1978 die bei ihr gespeicherten Kundendaten in kompatibler Form gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung an die Klägerin herauszugeben.

1. Anspruchsgrund:

a) Die Parteien haben am 8. 2. 1978 einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter geschlossen, ° 675 BGB. Danach hatte die Beklagte als Hauptpflichten diejenigen Leistungen zu erbringen, die in der Anlage I zum Vertrag vom 8. 2. 1978 aufgeführt sind: Insbesondere das Erfassen, regelmäßige Ergänzen und Speichern der Kundendaten auf Magnetbändern (Datenträger), das Ausdrucken der Kundenadressen für den Versand und das Erstellen der Lastschriftbelege.

Die ihr auf Lochkarten gelieferten Daten konnte die Beklagte in einfacher oder komprimierter Form (Satzaufbau) speichern. Aus Rationalisierungsgründen wählte die Beklagte die komprimierte Form und verwendete dabei einen von ihr dafür besonders entwickelten Satzaufbau (Programm). Dieser stellt ihr Betriebsgeheimnis, einen Teil ihres know-how, dar.

In der Regel hat ein Unternehmen (Auftraggeber) ein Interesse daran, bei Vertragsende seine Kundendaten in kompatibler Form auf Magnetband überspielt zu bekommen, die es ihm erlaubt, die Daten weiterzuverwenden und weiterzuverarbeiten beispielsweise in einer eigenen EDV - Anlage. Diese Art der Herausgabe ist ohne weiteres möglich, wenn die Daten in einfacher Form gespeichert sind. Sind sie dagegen, wie hier, in komprimierter Form gespeichert gibt es zwei Möglichkeiten, sie dem Unternehmer zur Verfügung zu stellen: Entweder sie werden in der komprimierten Form überspielt, dann muß dem Unternehmer der für die Komprimierung entwickelte Satzaufbau bekanntgegeben werden'(es sei denn, er kann ihn, wie meist nicht selbst entschlüsseln). Oder es muß ein neues Programm entwickelt werden, mit dessen Hilfe die Daten in die kompatible Form umgespeichert werden. Bei der ersteren Lösung erfährt der Unternehmer das Betriebsgeheimnis des Datenverarbeiters (Beklagte), bei der zweiten nicht.

Bereits aus dieser Darstellung - auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nimmt die Kammer Bezug - wird deutlich, daß die Erstellung eines Programms zur Speicherung der Daten und dessen spätere Herausgabe (zum Beispiel bei Vertragsende) nicht, wie die Klägerin meint, vertragliche Hauptleistungspflicht der Beklagten war. Mit der Speicherung der Daten hatte die Beklagte nicht ein bestimmtes Werk im Sinne des ° 631 BGB herzustellen. Vielmehr blieb es ihrer unternehmerischen Freiheit vorbehalten, zu entscheiden, in welcher Form sie die Daten speichert, um damit ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß die Erstellung eines Programms zur Datenspeicherung nicht schon die Erfüllung der Vertragspflichten, sondern lediglich eine Vorstufe hierzu darstellt. Sie beinhaltet noch nicht die Verwaltung des . . . stammes (Hauptpflicht), sondern lediglich eine - allerdings notwendige - betriebsinterne Voraussetzung hierfür, auf deren Ausgestaltung der Auftraggeber (Klägerin) keinen Einfluß hat (ausgenommen die Fälle ausdrücklicher Vereinbarung).

b) Jedoch war es vertragliche Nebenleistungspflicht der Beklagten, bei Vertragsende die Kundendaten in kompatibler Form gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung an die Klägerin herauszugeben. Das folgt aus der Auslegung des Vertrages vom 8. 2. 1978.

Die hier streitgegenständliche Frage haben die Parteien im Vertrag vom 8. 2. 1978 nicht ausdrücklich geregelt. Der Vertrag ist deshalb so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, ° 157 BGB. Dabei ist von dem Sinn und Zweck des Vertrages sowie den beiderseitigen vernünftigen Interessen auszugehen (Palandt, BGB, 40. Auflage, ° 157 Anm. 2 a).

Die Parteien haben den Vertrag vom 8. 2. 1978 auf unbestimmte Zeit geschlossen; er konnte von beiden Seiten unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten ordentlich gekündigt werden (° 4 Ziffer 1 des Vertrages). Schon aus dieser Bestimmung folgt ein hervorragendes Interesse der Klägerin, bei Vertragsende die Kundendaten des neuesten Standes in der Form zu erhalten, die es ihr erlaubt, die Verwaltung des ...stammes durch ein anderes oder eigenes Rechenzentrum fortzuführen, ohne die Daten neu erfassen zu müssen. Das ist die kompatible Form (vergleiche oben a); das auf Tabellierpapier aufgelistete und von der Beklagten am 17. 3. 1980 übergebene . . .verzeichnis genügt hierfür nicht. Das berechtigte Interesse der Klägerin an der Herausgabe der aktuellen Kundendaten auf Magnetband folgt aber auch daraus, daß die Klägerin diese Art der Datenerfassung bereits bezahlt hat und kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, warum sie die Erfassungsarbeiten erneut durchführen und nochmals bezahlen sollte. Der Sachverständige hat erklärt, es sei in der Branche der Beklagten üblich, dem Auftraggeber bei Beendigung des Vertragsverhältnisses die aktuellen Daten in der erfaßten Form herauszugeben. Diese Feststellung unterstreicht die hier vorgenommene Auslegung des Vertrages.

c) Gegen diese vertragliche Nebenleistungspflicht hat die Beklagte schuldhaft verstoßen und sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht.

Allerdings war die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin den bei der Komprimierung der Daten verwendeten Satzaufbau und damit ihr Betriebsgeheimnis bekanntzumachen. Jedoch hätte sie der Klägerin anbieten müssen, das für die Dekomprimierung und Umspeicherung erforderliche neue Programm anzufertigen. Hierzu war sie auch technisch in der Lage.

Die Beklagte wäre auch nicht verpflichtet gewesen, diese Nebenleistungen kostenlos zu erbringen. Das hat die Klägerin aber nie verlangt. Jedoch durfte die Beklagte nur die angemessene, das heißt die marktübliche Vergütung fordern. Diese Vergütung zu bezahlen hatte die Klägerin mehrfach angeboten. Davon war das von der Beklagten mit DM 28 000, - bis DM 35 000, - bezifferte Kostenangebot weit entfernt.

Diese Honorarforderung der Beklagten war unangemessen überhöht. Auf Grund der Ausführungen. des Sachverständigen geht die Kammer davon aus, daß die Beklagte, um die Daten in kompatible Form zu bringen, als angemessenes Honorar höchstens DM 3051, - hätte fordern dürfen (1500, - DM Erstellung des Umsetzungsprogramms, 1200, - DM Maschinenzeit, 351, - DM 13 Prozent Mehrwertsteuer)."

Anmerkung:

Das Urteil bestätigt das Urteil des LG Stuttgart vom 5. September 1977 (3-1-° 4-1) und führt es fort.