Intel hat wichtige Dokumente zurueckgehalten

Urteil im Chip-Streit zwischen AMD und Intel wurde aufgehoben

23.04.1993

Fuer AMD bedeutet die Entscheidung, dass die Chip-Schmiede ab sofort ihren 486-Clone mit Intels Microcode ausliefern darf, zumindest solange, bis das neue Verfahren - fuer das noch kein Termin festgesetzt wurde - abgeschlossen ist. Allerdings hat der Second-source-Anbieter noch nicht bekanntgegeben, ob er die 486- Clones mit Intel-Befehlssatz sofort ausliefert oder bis zur Fertigstellung des eigenen Microcodes im Juni wartet, an dem zur Zeit mit Hochdruck gearbeitet wird. Zwar koennte das Unternehmen mit der sofortigen Lieferung den Umsatz schnell in die Hoehe schrauben (siehe auch Seite 68: "Intel verdreifacht Gewinn - Kontrahent AMD laesst Federn"), aber es laeuft laut "Wall Street Journal Europe" Gefahr, durch den naechsten Richterspruch wieder gestoppt und eventuell sogar zu Regresszahlungen an Intel gezwungen zu werden. Andererseits koennte ein 486-Clone mit eigenem Befehlssatz Fragen zu Kompatibilitaet und Leistungsvermoegen aufwerfen, so das Blatt weiter. AMD-Sprecher John Greenagel sagte: "Es existiert zwar ein Risiko, aber es gibt auch enorme Vorteile."

Zur Revision des Urteils war es gekommen, weil Intel vier wichtige Dokumente zurueckhielt, die die Meinung der Geschworenen ueber den Inhalt des Lizenzabkommens haetten beeinflussen koennen. "Der Wert der Dokumente fuer den Prozess ist offensichtlich. Wenn die Jury sie als Zugestaendnis (von Intel, Anm. d. Red) bewertet haette, waere ihre Beweiskraft substantiell", erklaerte Richter Ingram. AMD-Chairman Jerry Sanders wetterte: "Da Intel die Dokumente in ihrer Prozess-Argumentation nicht beruecksichtigte, konnten die Geschworenen getaeuscht werden." Nur aufgrund seiner bisherigen Monopolstellung habe Intel ein Multi-Milliarden-Dollar- Geschaeft mit bisher in der Branche noch nie dagewesenen unmaessigen Gewinnen aufbauen koennen, meinte Sanders weiter. Die Aufhebung des Urteils gebe AMD nun die Moeglichkeit, von der urspruenglichen Lizenzvereinbarung mit Intel in vollem Umfang zu profitieren.

Allerdings teilte Intel nicht mit, ob sie eine einstweilige Verfuegung gegen AMD erwirken will, sollte der Konkurrent die umstrittenen Clones ausliefern.