Unternehmensweite Informationsverarbeitung braucht einheitliche Qualität:In Zukunft sind Allround-Könner gefragt

01.04.1988

Computer Integrated Manufacturing (CIM) verändert zunehmend die Organisationsstrukturen in den Industriebetrieben. Dies hat auch zur Folge, daß an den Informationsmanager neue Anforderungen gestellt werden: Vor allem muß er lernen, gleichzeitig horizontal und vertikal zu denken.

Das Konzept des Managementinformationssystems (MIS) ist Anfang der 70er Jahre kläglich gescheitert: Weder die Hardware noch die Systemsoftware reichten aus, um für das Management auf unternehmensweiter Ebene Führungsinformationen bereitzustellen. Datenbanksysteme, Dialogverarbeitung und Rechnernetze waren damals erst im Anfangsstudium. Auch fehlte es an operativen Basissystemen, aus denen die Führungsdaten verdichtet werden sollten.

Integration ging von der kaufmännischen Seite aus

Nach dem Scheitern von MIS richtete sich deshalb das Schwergewicht der Informationsverarbeitung auf die Entwicklung sogenannter "integrierter Informationssysteme". Sie waren auf die operative Ebene ausgerichtet: Daten eines operativen Anwendungsgebietes sollten durchgängig verwaltet werden und auch anderen Anwendungsgebieten zur Verfügung stehen. Zunächst kamen diese integrierten Systeme für die mehr kaufmännisch orientierten Funktionen zum Einsatz. Die Bereiche Vertrieb, Material- und Zeitwirtschaft wurden weitgehend auf einer einheitlichen Datenbasis in integrierten Standardsoftwarefamilien abgebildet. Die Integration zu den sie begleitenden Werteströmungen ließ sich dabei nur unvollkommen lösen.

Zwar gelang es in vielen Fällen, die Finanzbuchführung zu integrieren, indem zum Beispiel die Buchungssätze für die Debitoren- und die Kreditorenbuchführung aus den operativen Systemen der Kundenauftragsabrechnung und des Einkaufs erzeugt wurden. Doch das Problem Schnittstellen zum innerbetrieblichen Rechnungswesen (Kostenrechnung) konnte dagegen nur unvollkommen gelöst werden. Dies wird bei der Produktkalkulation deutlich: Die Berechnung der Stückkosten eines Erzeugnisses erfordert die Grunddaten der Stücklisten, Arbeitspläne und Kostenstellen.

Diese Daten werden aber in der Regel von DV-Systemen zur Produktionsplanung und -steuerung verwaltet. So müßten die Grunddaten entweder über umständliche Dateischnittstellen zur Verfügung gestellt werden oder aber es werden rudimentäre Funktionen der Produktkalkulation in die PPS-Systeme aufgenommen. Beide Lösungen bieten aber nicht die Qualität, die bei der integrierten Datenverarbeitung gefordert wird.

Das CIM-Konzept (Computer Integrated Manufacturing) stellt nun die höchste Stufe der Forderung nach integrierten operativen Systemen dar: Ziel ist, daß nicht nur die mehr kaufmännisch orientierten Systeme ineinandergreifen. Es sollen auch Brücken zu den mehr technisch orientierten Funktionen der Konstruktion und der Arbeitsplanerstellung, der computerunterstützten Fertigung und der Qualitätssicherung geschlagen werden. Bei den immensen Anstrengungen zur Realisierung dieses Konzeptes darf aber nicht übersehen werden, daß es weiterhin vornehmlich auf der operativen Ebene angesiedelt ist.

Auf den operativen, mengenorientierten Informationssystemen setzen dagegen die wertorientierten Systeme auf. So bilden sich aus beiden Ebenen zum Beispiel Anwendungspaare wie mengenorientiertes Vertriebssystem - wertorientiertes Debitorenbuchführungssystem, mengenorientiertes Einkaufssystem - wertorientiertes Kreditorenbuchführungssystem, mengenorientiertes Personaldatenerfassungssystem - wertorientiertes Personalabrechnungssystem, mengenorientiertes Lagerverwaltungssystem - wertorientiertes Lagerbuchfährungssystem etc. Der Informationsmanager steht damit vor der Aufgabe, bei der Realisierung eines ClM-Konzeptes nicht nur die mengenorientierten Ablaufketten in seinem Unternehmen zu entwickeln, sondern gleichzeitig diese Informationssysteme mit den wertorientierten Systemen zu verbinden.

Diese Forderung wird um so dringlicher, da CIM die Organisationsstrukturen in Industrieunternehmen verändert und somit auch neue Aufgaben für die wertorientierten Systeme entstehen. So spielen nun auch für die Kostenstruktur des Unternehmens der Konstruktions- und Entwicklungsbereich eine größere Rolle. Dies hat zur Folge, daß die Forderung nach einer konstruktionsbegleitenden Kalkulation in den Vordergrund rückt. Denn es gilt, eine Verknüpfung zwischen der technischen Datenverarbeitung (CAD) und dem Rechnungswesen zu schaffen.

Aber nicht nur die Verbindung der operativen, mengenorientierten Systeme mit den wertorientierten Abrechnungssystemen wird gefordert, sondern darüber hinaus auch die Auswertung der Daten für weitergehende Steuerungs- und Planungsfunktionen bis hin zur Unterstützung der Unternehmensleitung. Dieser Anspruch ist auch deshalb so wichtig, weil mit der Realisierung integrierter Ablaufketten der Koordinationsaufwand des Mittelmanagements tendentiell geringer wird.

So wird der Mittelmanager künftig weniger koordinierend in konkrete Geschäftsvorfälle eingreifen müssen, da die Sachbearbeiterebene bereits auf vielfältige Informationen aus den angrenzenden Bereichen selbst zugreifen kann. Seine Aufgabe wird es vielmehr sein, neue Ablauforganisationen zu entwerfen und entsprechende Systeme zu gestalten. Auch hierzu müssen entsprechende Informationen verfügbar sein.

Vertikales Denken darf nicht vergessen werden

Unvorstellbar ist aber, daß das Topmanagement ein CIM-Unternehmen aus dem "Ringbuch" steuert. Kurz gesagt: Wenn die Basisfunktionen von Industrieunternehmungen stärker computerunterstützt abgewickelt werden, so müssen auch die anderen Unternehmensebenen nachziehen, damit eine einheitliche Qualität der Informationsverarbeitung über alle Ebenen hinweg gewährleistet wird. Vor allem steht hier der konzeptionelle Entwurf der Datenstrukturen über allen Ebenen im Vordergrund. Der Informationsmanager darf also neben den gegenwärtig vorherrschenden Problemen der horizontalen Integration die vertikale Weiterverwertung der Datenbasen nicht vergessen.

Ein Unternehmensdatenmodell bildet das Zentrum zukünfiger umfassender Informationssysteme. Es stellt die Datenstrukturen auf der operativen Ebene anwenderunabhängig zur Verfügung, um darauf integrierte Konzepte wie CIM zu unterstützen. Gleichzeitig werden die Datenstrukturen über die Verdichtungsebenen wie Werte- und Auswertungsebene bis hin zu den Führungsinformationen weiterverwertet. Fällt auch die Funktion eines Querdenkers vielen Informationsmanagern heute zwar noch schwer, so sollte auch die Funktion eines Vertikaldenkers nicht vergessen werden.