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Grundregeln missachtet

Unternehmen verschrecken Generation Facebook

01.10.2009
Von pte pte
Das Internet stellt Unternehmen vor eine besondere Herausforderung bei der öffentlichen Kommunikation. Hohle Marketingsprüche helfen im Web 2.0 nicht weiter.

Vor allem in sozialen Netzwerken schlummert viel Potenzial, das Unternehmen geschickt für sich nützen können. Allerdings müssen dabei auch einige Grundregeln beachtet werden. "In der Kommunikation hilft nur Authentizität, Offenheit und Ehrlichkeit. Wenn die Marketingagenturen es dann noch schaffen, die Online-Dialoge durch witzige Kampagnen zu begleiten und objektive Meinungsäußerungen ein neues Wir-Gefühl hervorrufen, dann ist das Unternehmen wirklich angekommen im Web 2.0", erläutert Björn Behrendt, Geschäftsführer der Wissenschaftscommunity Hiogi.

Behrendt ist Gastredner auf den Voice Days plus in Nürnberg am 6. Oktober und wird seine Erfahrungen mit der Generation Facebook dem Publikum näher bringen. "Facebook wird der Personalausweis einer neuen Endkunden-Generation. Sie ist bereits heute always-on, was multimediale und in Echtzeit ablaufende Formen der Kommunikation entstehen lässt. So zeigen Facebook, Twitter und in Zukunft auch Google Wave, wie wir jederzeit und überall Informationen, Fotos oder Videos miteinander teilen, unabhängig von der gerade besuchten Website, dem genutzten Endgerät oder dem gewählten Kommunikationskanal", so der Hiogi-Macher.

Althergebrachte Weisheiten aus der Unternehmenskommunikation funktionieren bei der Generation Facebook nicht mehr. Bereits vor zehn Jahren machte sich Cluetrain mit einem Manifest dafür stark, den hohlen Klang aus der Unternehmenskommunikation zu nehmen. Geläufige Sprüche wie "Ihr Anruf ist uns wichtig" oder "Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt" funktionieren nicht mehr. Geändert, so die Autoren, habe sich seitdem jedoch wenig. "Kein Wunder, dass die vernetzten Märkte keinen Respekt vor Firmen haben, die unfähig oder unwillig sind, so zu sprechen wie sie", heißt es auf der Cluetrain-Website. Betrachtet man die jüngsten Attacken von Modefirmen, Sportartikelherstellern oder Musiklabels gegen Verbraucher, die das Internet als Plattform für ihre Interessen nutzen, bestätigt sich diese Aussage tagtäglich.

"Das Internet ist da. Es ist laut. Es ist offen. Jeder macht mit. Und das Internet vergisst nie. Das stellt die Kundenkommunikation vor riesengroße Herausforderungen. Wenn Unternehmen glauben, sie könnten durch Abmahnungen, Unterlassungsklagen, Lösch-Gesuche oder aggressive Keyword-Optimierung dafür sorgen, dass Negativäußerungen im World Wide Web verschwinden und nicht geschäftsschädigend wirken, sind sie auf dem Holzweg", sagt Behrendt. Im Social Web müsse die Wirtschaft feinfühliger vorgehen. Nicht nur auf Facebook, Twitter oder MySpace, sondern auf der eigenen Firmenwebsite, mit einem eigenen Twitter-Inboundkanal, mit einem Kundenservice, der sich der Kritik stellt, Ideen sammelt und Produkte sowie Dienstleistungen verbessert.

"Vielleicht sollte so mancher Manager, um den Epochenwechsel zu begreifen, nicht nur auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen starren, sondern eher seine Sinne schärfen mit der Lektüre der Renaissance-Literatur. Sie war geprägt von einer Verkehrung der offiziellen Welt der Herrscher und Duckmäuser. Sie verspottete Dogmen, plädierte für Offenheit, war Vorbild für eine fröhliche Anarchie, demontierte Autoritäten und althergebrachte Hierarchien. In Anlehnung an einen Wahlkampfspruch könnte man den Firmen zurufen: 'Klarmachen zum Ändern'", meint Bernhard Steimel, Sprecher der Voice Days plus. (pte)