Ungeliebte Pflichterfüllung oder intelligente Unternehmenssteuerung?

29.06.2006
Der deutsche Markt für Business-Intelligence- und Data-Warehouse-Lösungen wird auch in Zukunft wachsen. Viele Unternehmen haben – ursprünglich getrieben von gesetzlichen Auflagen – nur widerwillig in BI-Systeme investiert. Inzwischen gilt BI vielerorts als Schlüsseltechnologie, um die Geschäftsprozesse effizienter zu machen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Wegen fehlerhafter oder fehlender Unternehmenskennzahlen ins Gefängnis? – So weit ist es noch nicht. Aber nach Enron- und Worldcom-Pleite drohen zumindest amerikanische Richter mit drakonischen Strafen, falls CEOs an US-Börsen falsche Bilanzen abliefern – willentlich oder aus purer Ahnungslosigkeit. Das trifft zurzeit nur deutsche Unternehmen, die an amerikanischen Börsen notiert sind. Aber auch in Deutschland fordert der Gesetzgeber mehr Budgetklarheit. Gesetzliche Auflagen wie das KonTraG oder die Kreditvergaberichtlinien nach Basel II sollen schon heute für mehr Klarheit über die Unternehmenszahlen sorgen; eine EU-Richtlinie, die nach Ansicht von Experten Sarbanes-Oxley ähneln könnte, ist in Vorbereitung.

Gesetzliche Auflagen sind nach wie vor ein wichtiger Treiber, um die Qualität der Unternehmenskennzahlen und die Verlässlichkeit des Controllings zu verbessern. Die Lösung dafür heißt fast immer Data Warehouse (DW) oder, weiter gefasst, Business Intelligence (BI).

Das Prinzip funktioniert wie folgt: Das Data Warehouse, eine separate Datenbank, wird mit den bereinigten und qualitätsgeprüften Daten aus den operativen Systemen gefüllt. Darauf aufsetzende Analyse-Tools ermöglichen die zielgerichtete Selektion und Extraktion aller relevanten Informationen. Der Vorgang der Datenintegration, auch ETL (Extrahieren, Transformieren, Laden) genannt, nimmt beim Aufsetzen eines DW den größten Teil des Projekts in Anspruch. Oft stecken 50 bis 70 Prozent des Projektaufwands in der Aufbereitung der Daten,weil die Datenqualität der Vorsysteme meist weit schlechter ist als vermutet. Die Qualitätsmängel umfassen fehlende, mehrfach vorkommende, falsch verknüpfte, falsch definierte und häufig auch inhaltlich falsche Daten. Diese Mängel treten wegen der höheren Transparenz in vielen Fällen erst in BI-Systemen zutage.

Auf der Auswertungsseite unterscheiden Experten zwischen Berichtswerkzeugen, mit denen normale Anwender Standardreports und spezifische Abfragen erzeugen können, und Tools für speziell geschulte Experten wie Controller oder Datenanalysten. Sie nutzen leistungsfähige Werkzeuge, um komplexe Berichte und Planungskennzahlen zu erzeugen oder mit Data-Mining-Algorithmen und statistischen Verfahren verborgene Strukturen und Muster aufzudecken. Allerdings ist die Excel-Tabelle nach wie vor eindeutiger Spitzenreiter bei sämtlichen analytischen Anwendungen wie beispielsweise Management Reporting, Geschäftsplanung, Finanzberichtswesen, Konsolidierung und Performance Scorecards/ Dashboards. Nach Expertenschätzung setzen nur etwa 20 bis 30 Prozent der Unternehmen dafür Produkte von BI-Anbietern ein, weitere 25 bis 35 Prozent arbeiten mit analytischen ERP-Lösungen.

Attraktiver Wachstumsmarkt

Für die Anbieter ist der BI-Markt attraktiv: Nach einer von IDC im Dezember 2005 durchgeführten Befragung hatten sich von 426 Anwenderunternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern rund die Hälfte schon mit BI-Lösungen beschäftigt. Von ihnen wollen mehr als 60 Prozent in diesem Jahr erstmals in BI-Lösungen investieren oder ihre Ausgaben für bestehende BI-Systeme erhöhen. Für den Zeitraum bis 2009 prophezeien die IDC-Martkforscher in Deutschland ein Wachstum von jährlich 4,9 Prozent und einen Umsatz von über 360 Millionen US-Dollar im Jahre 2009.

Den Kuchen teilen unterschiedlichste Anbieter unter sich auf: BI ist ein weites Feld und die Software-Landschaft schwer überschaubar. Neben den großen Datenbank und ERP-Anbietern gruppieren sich rund um die zentrale Instanz Data Warehouse eine Vielzahl von Werkzeugen und funktionalen Ergänzungen, die von ETL-Tools, Datenintegration und Datenqualitätsmanagement über OLAP-, Report- und Metadatenmanagement bis zu Data Mining Workbenches und Analytical Process Controlling reichen.

Nachdem dem Sarbanes-Oxley-Schock ein wenig nachgelassen hat, haben viele Unernehmen erkannt, dass die Möglichkeiten von BI-Lösungen weit über die Erfüllung gesetzlicher Auflagen hinausreichen. Das BI-System ist oft zu einer zentralen Instanz geworden, die unterschiedlichste Fachabteilungen mit Informationen beliefert. Darüber hinaus werden BI-Lösungen zunehmend zur Basis von Steuerungssystemen. Eine besondere Rolle nimmt hier das Corporate Performance Management (CPM – oder auch BPM = Business Performance Management) ein. Während Business Intelligence üblicherweise als die Umwandlung von operativen Daten in entscheidungsrelevantes Wissen definiert wird, geht CPM darüber hinaus.„Die grundlegende Idee von CPM ist es, Unternehmensziele und Geschäftsprozesse kontinuierlich zu überwachen, aufeinander abzustimmen und konsistent zu halten“, sagt Wolfgang Martin, Analyst und Experte für IT-Strategie.

Steuerung per CPM

Ein klassisches BI-System ist dabei unverzichtbar: Ihm fällt die Rolle des Überwachens zu. Das Planen und Steuern gerät erst unter dem CPM-Blickwinkel in den Fokus. Denn während BI-Systeme zwar differenzierte Analysen, Modellrechnungen und Simulationen erlauben, sind sie grundsätzlich auf die Auswertung vergangener Ereignisse gerichtet. In BI-Systemen fehlt es aber sowohl an einem strukturierten Regelwerk als auch an Software-Lösungen, um die Ergebnisse für die zeitnahe Planung nutzbar zu machen.

Erst CPM fügt der retrospektiven BI-Sicht den Aspekt der zukünftigen Planung hinzu. CPM gilt als Schlüsselstrategie, um die Geschäftsprozesse effizienter und produktiver zu machen. Damit steigen auch die Ansprüche an die Datenqualität. „Wesentlicher Treiber für BI- und auch CPM-Lösungen sind die wachsenden Anforderungen nach Transparenz über das Unternehmens- und Marktgeschehen – vor dem Hintergrund sich immer schneller ändernder Geschäftsanforderungen. Im Kern dieser IT-Architekturen steht das Data Warehouse als integrierte und qualitätsgesicherte Datenbasis zur Unterstützung dispositiver und operativer Prozesse“, sagt Dr. Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Center (BARC) in Würzburg.