Vodaphone, der Wolf im Schafspelz?

TK-Konzern Mannesmann ist jetzt reif für die Insel

29.10.1999
DÜSSELDORF (CW) - Unter den europäischen TK-Konzernen grassiert nach wie vor ein heftiges Mobilfunkfieber. Nach der Telekom (One 2 One) und France Télécom (E-Plus) schickt sich nun Mannesmann an, den britischen Provider Orange zu kaufen. Sehr zum Leidwesen von Vodaphone-Airtouch: Jetzt wird spekuliert, daß der weltweit größte Mobilfunkanbieter eine feindliche Übernahme von Mannesmann plant.

Der europäische Mobilfunkmarkt steht Kopf. Derzeit jagt eine große Akquisition die andere. Angefangen hatte es mit der Übernahme des viertgrößten britischen Anbieters One 2 One durch die Telekom für 20 Milliarden Mark. Kurz darauf folgte France Télécom mit dem Einstieg bei E-Plus für rund 30 Milliarden Mark. Und nun sorgt die Mannesmann AG für neue Schlagzeilen. Sage und schreibe 60 Milliarden Mark wollen die Düsseldorfer für Orange hinblättern, um ihren Wirkungskreis in Europa weiter auszudehnen. Das Geschäft soll zum Teil in bar, zum Teil in Form eines Aktientausches abgewickelt werden.

Unter strategischen Gesichtspunkten erhält das Mannesmann-Management für diese Entscheidung durchaus Beifall, in Sachen Kaufpreis hagelt es jedoch heftige Kritik. Tatsächlich erscheinen die 20 Milliarden Mark, die Telekom-Chef Ron Sommer für One 2 One überweisen muß, als Schnäppchen gemessen an den 60 Milliarden Mark, die Mannesmann für Orange berappen will. Mit der Kundenzahl ist die hohe Kaufsumme jedenfalls nicht zu begründen. Orange verfügt derzeit über 3,5 Millionen Kunden und verbucht damit lediglich 250 000 Teilnehmer mehr als die Telekom-Tochter One 2 One.

Das Gegenargument des Mannesmann-Vorstands, Orange besitze wertvolle Auslandsbeteiligungen in Österreich, Belgien und der Schweiz, geht bei den Analysten und Aktionären als Rechtfertigung jedenfalls nicht durch. Nach Bekanntwerden der Übernahmepläne rutschte der Kurs der Mannesmann-Aktie in den Keller.

Die Börsianer befürchten, daß sich die Düsseldorfer für den Orange-Kauf zu hoch verschulden und außerdem ein Einspielen der Investitionen nicht in Sicht ist. Mannesmann hatte erst im Sommer 15 Milliarden Mark für die Mehrheit an der italienischen Mobilfunkgesellschaft Omnitel sowie am Festnetzbetreiber Infostrada gezahlt. Darüber hinaus ist der Konzern an Mobilnetzen in Österreich und Frankreich beteiligt.

Schwergewicht aus dem Königreich in Gefahr

Der Schritt auf die Insel ist für Mannesmann aus strategischer Sicht daher nur konsequent und logisch. Mit der Integration von Orange würde Mannesmann in Europa insgesamt über zehn Millionen Kunden verfügen und vor allem im wichtigen UK-Markt Flagge zeigen. Doch durch den Expansionsdrang kommen sich die Deutschen allerdings mit dem bisherigen Partner Vodaphone in die Quere. Die Briten halten nämlich rund 35 Prozent an der Mannesmann Mobilfunk GmbH und knapp 22 Prozent an Omnitel. Kommt der Orange-Kauf zustande, würde Mannesmann in Großbritannien zu einem direkten Konkurrenten von Vodaphone. Das Londoner Unternehmen ist mit sieben Millionen Kunden der größte britische Mobilfunker, dicht gefolgt von der BT-Tochter Cellnet mit sechs Millionen Teilnehmern.

Doch nicht nur im Königreich ist Vodaphone ein Schwergewicht. Der Konzern ist seit der Übernahme der amerikanischen Airtouch für 61 Milliarden Dollar im Sommer der weltweit größte Mobilfunkanbieter. Die Briten sind in 23 Staaten vertreten und verfügen insgesamt über 31,4 Millionen Kunden. Die Marktkapitalisierung wird auf rund 250 Milliarden Mark geschätzt.

Kein Wunder also, daß Vodaphone der Versuch von Mannesmann, in Großbritannien Fuß zu fassen, ein Dorn im Auge ist. Die erfolgsverwöhnte Aktie sank, als der Orange-Deal an die Öffentlichkeit kam, um ein Fünftel. Schon seit längerem wird den Briten Interesse an Mannesmann nachgesagt. Analysten sind deshalb der festen Überzeugung, daß Mannesmann den Kauf von Orange forcierte, um den eigenen Wert zu steigern und selbst als Übernahmekandidat auszuscheiden. Dennoch trauen Insider Vodaphone eine Akquisition der mit rund 115 Milliarden Mark bewerteten Mannesmann AG zu. Sollte es dazu kommen, müßte Vodaphone Orange aus kartellrechtlichen Gründen abstoßen. Als möglicher Interessent wird bereits France Télécom gehandelt. Aus der Mannesmann-Zentrale in Düsseldorf heißt es, es lägen keine näheren Informationen hinsichtlich einer feindlichen Übernahme vor.