Kolumne

"Tief im Innovationsloch"

04.10.2002
Christoph Witte Chefredakeur CW

IT-Chefs haben zurzeit nichts zu lachen: Die lahmende Konjunktur wirkt sich teilweise dramatisch auf ihre Budgets aus, sie werden aufgefordert, IT-Funktionen auszulagern, und einige müssen sogar Mitarbeiter entlassen. Diese Misere hat viele Ursachen, die überwiegend im rein geschäftlichen Umfeld der Unternehmen liegen. So existiert in Deutschland keine Branche mehr, die nicht unter der schlechten Konjunktur leidet. Angesichts eines prognostizierten Wirtschaftswachstums von 0,6 bis 0,9 Prozent vermeidet zwar fast jeder das Wort von der Rezession, aber de facto geht es den meisten Unternehmen sehr viel schlechter als vor Jahresfrist. Das schlägt sich natürlich auch in den IT-Budgets nieder.

Neben diesen äußeren Umständen kommen allerdings zwei Faktoren hinzu, die zumindest teilweise die IT zu verantworten hat: Zum einen ist es der große Vertrauensverlust, den die Informationsverarbeitung in den Unternehmen erlitten hat. Das Argument, Investitionen in IT erhöhten mittelfristig die Produktivität der Unternehmen, ist zwar nach wie vor unwiderlegt, aber zurzeit scheint es niemand zu glauben. Dafür waren die Ausgaben der vergangenen Jahre wohl zu hoch und die positiven Auswirkungen in den Unternehmen zu wenig spürbar. Hinzu kommt, dass die IT-Abteilungen selbst durch eine Vielzahl gescheiterter Projekte zum schlechten Image der Informationstechnik beigetragen haben. Selbst bei erfolgreich abgeschlossenen Aktivitäten blieben die für den Endanwender spürbaren Vorteile zu oft hinter den Versprechen zurück. Solche Dinge führen naturgemäß nicht dazu, dass IT-Ausgaben in schlechten Zeiten als unverzichtbar angesehen werden.

Noch negativer wirkt sich der zweite Faktor aus: Die Branche steckt in einem Innovationsloch. "Es gibt keinen wichtigen Grund, im Moment in IT zu investieren. Das Jahr 2000, die Euro-Umstellung und der Internet-Boom sind nun mal vorbei", erklärte beispielsweise ein CIO im Gespräch mit der CW. Aufgaben wie Basel II sind im Vergleich dazu kleine Fische. Ebenso wenig lassen sich in technischer Hinsicht zwingende Investitionsgründe finden. Zu iterativ scheint die IT-Entwicklung voranzuschreiten.

Große Sprünge sind weder im Software- noch im Hardwarebereich zu erwarten. Alles geht seinen Gang, kleine Verbesserungen hier, nachvollziehbare Fortschritte dort. Der Einsatz solcher Art weiterentwickelter Maschinen und Programme dürfte bei genauerem Hinsehen zwar einige Mängel der heutigen Hard- und Softwaregeneration beheben, aber ihre Anschaffung scheint vor allem Geschäftsführern und Vorständen nicht zwingend.

Und so lange weder die Konjunktur anzieht noch echte IT-Innovationen den Bedarf ankurbeln, wird der Druck auf die IT-Budgets bestehen bleiben.