Ertragsziele wurden hochgesetzt

T-Online sorgt für Überraschung

22.11.2002
MÜNCHEN (CW) - Der Internet-Service-Provider (ISP) T-Online hat gezeigt, dass sich im Web auch Geld verdienen lässt. An der Börse wurden die überraschend guten Zahlen jedoch ignoriert.

Im dritten Quartal stieg der Umsatz von T-Online gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 42 Prozent auf 383 Millionen Euro an. Die Zahl der Kunden legte um 21 Prozent auf 11,85 Millionen zu. Knapp 300 Millionen Euro nahm die Telekom-Tochter im dritten Quartal mit dem Zugangsgeschäft ein, 86 Millionen Euro und damit fast doppelt so viel wie vor einem Jahr kamen aus den höhermargigen Bereichen E-Commerce und Online-Werbung. Deren Anteil soll von zuletzt 22 Prozent auf 30 Prozent im Jahr 2004 gesteigert werden, meldete das Unternehmen.

Auch das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel mit 35,6 Millionen Euro besser als erwartet aus. Analysten hatten durchschnittlich mit einem Plus von 18 Millionen Euro gerechnet. Vor einem Jahr hatte der ISP noch einen Ebitda-Verlust von 34,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Unter dem Strich verzeichnete T-Online allerdings ein Nettoergebnis von minus 273 Millionen Euro. Der Grund war eine Sonderabschreibung auf die 21,3-prozentige Beteiligung am Online-Broker Comdirekt, dessen Aktienkurs zuletzt gefallen war, in Höhe von 224 Millionen Euro. Zudem belasteten Firmenwertabschreibungen auf die Auslandstöchter von 87 Millionen Euro das Ergebnis.

Wegen der guten Zahlen hat das Unternehmen die Ertragsprognosen für das Gesamtjahr mehr als verdoppelt. Nun geht T-Online davon aus, rund 100 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zu erzielen. Im Gesamtjahr 2002 erwartet der ISP Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro, etwa 40 Prozent mehr als im Jahr zuvor. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres setzte das Unternehmen 1,12 Milliarden Euro um. An Barmitteln verfügt T-Online über 3,5 Milliarden Euro, die laut Firmenchef Thomas Holtrop vorerst nicht für Übernahmen eingesetzt werden sollen.

Dass es der ISP-Branche in Europa nicht generell besser geht, verdeutlichen die Zahlen der Wettbewerber Lycos Europe (siehe Adhoc-Meldungen) und Tiscali. Letztes Unternehmen musste seine Umsatzprognosen für das Gesamtjahr erneut reduzieren, und zwar auf unter 800 Millionen Euro. Rund 150000 Breitbandzugänge haben die Italiener Berichten zufolge bislang erst verkauft, der deutsche Konkurrent kommt hierzulande auf über 2,4 Millionen DSL-Kunden. Im kommenden Jahr will T-Online laut Holtrop erstmals mehr Breitband- als Schmalbandkunden gewinnen. Im dritten Quartal wurden in Deutschland mehr als 85 Prozent der Access-Minuten über einen DSL-Anschluss erzielt.

An den Aktienmärkten trafen die positiven Nachrichten von T-Online hingegen auf Desinteresse, und die Kaufempfehlungen wurden kaum verändert. So meinen die Analysten der Hypo-Vereinsbank, die Aktie von T-Online sei trotz der "positiven operativen Performance" zu hoch bewertet. Morgan Stanley Dean Witter bleibt bei "gleichgewichten", und die Berenberg-Bank rät unverändert zu "halten". Analysten von West LB Panmure setzten das Kursziel lediglich von 7,50 auf acht Euro herauf. Anfang der Woche kostete die Aktie von T-Online rund sieben Euro, das Jahreshoch lag bei 14 Euro. (ajf)