IT-Dienstleister muss dem schnellen Wachstum Tribut zollen

Systematics schlüpft unter das Dach von EDS

06.04.2001
MÜNCHEN (wh) - Nach einer rasanten Wachstumsphase mit einer Reihe von Übernahmen lässt sich der IT-Dienstleister Systematics nun selbst aufkaufen. Electronic Data Systems (EDS), weltweit zweitgrößter IT-Serviceanbieter, will rund 635 Millionen Euro für das Hamburger Unternehmen auf den Tisch legen.

EDS mit Hauptsitz im texanischen Plano ist mit den Hauptaktionären der Systematics AG übereingekommen, 72 Prozent des Grundkapitals zu erwerben. Die US-Amerikaner bezahlen dafür 438 Millionen in bar und in Aktien. Für die im freien Handel befindlichen Papiere legt EDS ein Kaufangebot über 34 Euro je Aktie vor. Die Transaktion mit einem Volumen von 635 Millionen Euro soll Mitte des Jahres abgeschlossen sein. Voraussetzung ist die Zustimmung der Kartellbehörden.

EDS stärkt Präsenz in EuropaEDS stärkt mit der Übernahme seine Präsenz in Europa und profitiert insbesondere vom Know-how der Hamburger bei E-Business-Projekten. Systematics, eigenen Angaben zufolge schon seit längerem auf der Suche nach einem "strategischen Partner", muss offenbar dem rasanten Wachstum der letzten zwölf Monate Tribut zollen.

Im Zuge der Übernahme gibt Systematics sein Handelsgeschäft mit PC-Hardware an den Soester Distributor Actebis ab. Entlassungen werde es nicht geben, sagte Hans-Jürgen Schwerhoff, Europa-Chef von EDS. "Wir wollen die gesamte Belegschaft übernehmen." Systematics beschäftigt insgesamt 2700 Mitarbeiter, davon 800 im Ausland.

"Systematics ist einfach die Puste ausgegangen", kommentierte Meta-Group-Berater Markus Huber den Deal. "Die Strategie war richtig, die Ziele aber zu hoch gesteckt." Innerhalb von zwei Jahren habe Systematics den Wandel vom traditionellen IT-Systemhaus zum E-Business-Integrator schaffen wollen. In Europa strebten die Hamburger einen Platz unter den größten fünf Integratoren an. "Der ständige Wachstumsdruck und die hohen Erwartungen der Investoren waren für Systematics eine enorme Belastung, die erhebliche Management-Kapazitäten verbraucht hat", schreibt die Meta Group in einer ersten Einschätzung.

Zu schaffen machte Systematics auch die schlechte Stimmung an den Börsen. Innerhalb eines Jahres verlor die Aktie um 69 Prozent an Wert. Vom damaligen Höchstkurs von 95 Euro rutschte das Papier bis Ende März auf unter 30 Euro.

In der Tat ist Systematics selbst für ein Unternehmen am Neuen Markt ungewöhnlich schnell gewachsen. Die Mitarbeiterzahl stieg innerhalb eines Jahres von rund 500 auf über 2700 Mitarbeiter. Im abgelaufenen Geschäftsjahr steigerten die Hamburger den Umsatz um 118 Prozent auf 635 Millionen Euro, der Vorsteuergewinn kletterte um fast 50 Prozent auf 39,4 Millionen Euro. Vorausgegangen war eine Reihe von Zukäufen.

Im Mai 2000 hatte Systematics die Hamburger MSH International AG übernommen. Es war der erste Merger zweier am Neuen Markt gelisteter Unternehmen. Schon vor dem Börsengang am 27. September 1999 hatte der Dienstleister die Hamburger Softwarefirmen Janus GmbH und Match GmbH geschluckt.

ERP-Markt ist gesättigtFür EDS bringt die Übernahme nach Ansicht von Huber die "dringend benötigte Verstärkung im Bereich E-Business". Der US-amerikanische Dienstleister hatte sich lange Zeit auf die Top-2000-Unternehmen konzentriert und besaß insbesondere bei ERP-Projekten eine starke Marktstellung (ERP = Enterprise Resource Planning). Im Großkundensegment ist der ERP-Markt aber mittlerweile weitgehend gesättigt. "Hier gibt es kaum noch Neugeschäft", sagt Huber.

Seit rund zwei Jahren nahm EDS deshalb auch größere Mittelstandsunternehmen ins Visier - mit geringem Erfolg. Huber: "EDS hatte bei dieser Klientel eher das Image eines hochpreisigen Anbieters." Systematics dagegen biete Zugang zu diesem Kundenkreis. Überschneidungen gebe es kaum, erklärte EDS-Manager Schwerhoff. Systematics ist traditionell stark vertreten bei Finanzdienstleistern und Versicherungen. EDS dagegen bedient vorrangig Industriekunden.