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Studie: Wirtschaftskriminalität floriert

11.07.2001

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - 73,2 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern sind Opfer von Wirtschaftskriminalität. Damit liegen deutsche Firmen weit über dem europäischen Durchschnitt von rund 43 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie des Marktforschungsinstituts PricewaterhouseCoopers (PCW), für die in den vergangenen Wochen 3400 Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen in 15 europäischen Ländern nach Betrugsfällen der letzten zwei Jahre befragt wurden.

Dem Bericht zufolge sind kleinere Betriebe mit weniger als 5000 Mitarbeitern seltener von Wirtschaftskriminalität betroffen. Doch auch hier liegt Deutschland mit einem Anteil von 36 Prozent über dem gesamteuropäischen Wert von 25 Prozent. "Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade in Ländern wie Deutschland die hohe Zahl aufgedeckter Delikte nicht als Anzeichen für ein außergewöhnliches Maß an Wirtschaftskriminalität verstanden werden sollte. Vielmehr sind sie Anzeichen für ein ausgeprägtes Problembewusstsein und damit eine hohe Aufklärungsrate", erläutert Dr. Karl-Heinz Maul, Partner und Leiter der Abteilung Dispute Analysis & Investigations von PricewaterhouseCoopers.

Risikofaktoren für die Wirtschaftskriminalität sind der Studie zufolge die mit zunehmender Größe eines Unternehmens komplexer werdenden Strukturen. Diese erschweren unter anderem eine zentrale Kontrolle der internen Abläufe. Eine weitere Gefahr sehen die Experten in der geringen Mitarbeiteridentifikation. In 63 Prozent der Fälle verüben die eigenen Angestellten den Betrug. Das größte Problem ist dabei die Unterschlagung von Geld oder Vermögensgegenständen durch die Mitarbeiter. An zweiter Stelle steht der Vertrauensbruch durch die Geschäftsführung. Ein Viertel aller Betrugsfälle geht auf den Missbrauch von Führungskompetenzen wie Bilanzfälschung oder Veruntreuung von Vermögen zurück. Zu diesen Formen der Wirtschaftskriminalität kommen durch moderne Technologien und E-Business neue Gefahren hinzu. Cybercrime wird der Studie zufolge noch unterschätzt. Während derzeit nur sechs Prozent der Befragten in

Computerviren, Hackern oder dem Betrug über das Internet eine Gefahr sehen, sind bereits 13 Prozent der Unternehmen tatsächlich Opfer solcher Angriffe. Rund 43 Prozent sehen für die Zukunft Cybercrime neben der Unterschlagung als eines der größten Risiken.

Nach Schätzungen der Befragten haben europäische Unternehmen durch Wirtschaftskriminalität in den vergangenen zwei Jahren rund 3,6 Milliarden Euro verloren. Der Anteil der durchschnittlichen finanziellen Verluste der großen Firmen mit über 5000 Beschäftigen beläuft sich auf rund 15 Millionen Euro. "Dies entspricht einem Betrag von 20.000 Euro pro Tag und Unternehmen", so Steffen Salvenmoser, Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers.

Besonders anfällig für die Delikte ist dem Bericht zufolge der Finanzsektor. Mit 51 Prozent weist dieser Zweig durchschnittlich die meisten Betrugsfälle auf. Unabhängig von ihrem Tätigkeitsfeld sind Unternehmen vor allem bei der Beschaffung großen Risiken ausgesetzt sind. So haben insbesondere die Energie- und die Telekommunikationsbranche sowie die Konsumgüterindustrie mit gefälschten Rechnungen, fingierten Lieferungen und überhöhten Preisen zu kämpfen.