Vorwurf mangelnder Loyalität

Streit ums Zeugnis - Personalakte einsehen?

14.09.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Eine Einsicht in die Personalakte ist auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich.

Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zählt auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Dies, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 16.11.2010 entschieden, Az.: 9 AZR 573/09.

Der Fall

Auch nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dürfen Sie jederzeit Einsicht in Ihre Personalakte nehmen.
Auch nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dürfen Sie jederzeit Einsicht in Ihre Personalakte nehmen.
Foto: Fotolia, MH

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Schadensbüroleiter beschäftigt. Die Beklagte führt die Personalakte des Klägers weiter. Nach Vertragsende teilte ihm eine Personalbearbeiterin im Rahmen einer Zeugnisauseinandersetzung mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen.

Der Kläger verlangt Einsicht in seine Personalakte. Die Beklagte verweigert dies mit Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat des BAG erfolgreich, so Henn.

Das Urteil

Er verurteilte die Beklagte, dem Kläger Einsicht in seine Personalakte zu gewähren. Der Arbeitnehmer hat auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Der Anspruch folgt allerdings nicht aus § 34 BDSG. Die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft und Einsicht gelten noch nicht für nur in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten. Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz in der parlamentarischen Beratung. (oe)

Henn empfiehlt, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VdAA-Präsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de