Neue OECD-Studien über internationale IT-Trends und Telekommunikationsstrategien:

Software zu lange Appendix der DV-Industrie

13.12.1985

BONN (sch) - Trends auf dem internationalen Softwaremarkt, Telekommunikationsstrategien und Auswirkungen der Informationstechnik auf den Arbeitsmarkt standen im Mittelpunkt der jüngsten OECD-Pressekonferenz in Bonn. Mit politisch wertbaren Äußerungen hielt das Gremium jedoch hinterm Berg zurück.

Die Quintessenz der Tätigkeit des 1982 gegründeten OECD Committee for Information, Computer and Communications Policy (ICCP) schlug sich im wesentlichen in mehreren wissenschaftlichen Studien nieder, die die genannten Bereiche in den OECD-Mitgliedsstaaten beleuchten. Zunächst einmal handelt es sich dabei um den Report "Software: An Emerging Industry", der als "erste umfassende Beurteilung dieser Wachstumsbranche aus internationaler Sicht" ausgewiesen wird. Die mit Detailinformationen und Zahlenmaterial angereicherte Expertise kommt den Worten des ICCP-Leiters Hans-Peter Gassmann zufolge unter anderem zu dem Ergebnis, daß Software zulange als ein Appendix der Computerwelt angesehen worden sei. Außerdem hätte man die Programmerstellung über Jahre hinweg lediglich als Handwerk aufgefaßt und über keine ausgereiften Produktionsvoraussetzungen verfügt. Zu den Folgen dieser Defizite gehörte beispielsweise ein Mangel an Tools und Normen. Die SW-Studie zeigt aber auch einen positiven Trend auf: Der Softwaremarkt bleibt eine Wachstumsindustrie, in der in den nächsten Jahren kaum mit Arbeitslosigkeit zu rechnen ist.

Im Zusammenhang mit der allgemeinen Beschäftigungssituation kommt das ICCP in einer weiteren und noch nicht abgeschlossenen Untersuchung über die wirtschaftlichen Perspektiven der Informationstechnologie zu dem Ergebnis, daß die Expansion dieser Industrie keine Massenarbeitslosigkeit nach sich zieht. Was die Situation der Hightech-Szene in den USA betrifft, so kann sich das OECD-Fachgremium keinen Reim auf den Einbruch am Markt machen. Von einer Krise der Branche könne nicht gesprochen werden. Ein Schrumpfen des Marktes, dessen Wachstum in den letzten 15 Jahren immer dem des Bruttosozialproduktes vorausgeeilt sei, stünde jedoch außer Frage. Eine Begründung dafür läßt sich für Gassmann unter Umständen daraus ableiten, daß die DV-Manager in Amerika beim Einkauf von Hard- und Software nicht mehr eine so freie Hand hätten wie früher.

Die dritte vorgestellte Studie befaßt sich mit der Endgerätesituation auf dem Telekommunikationssektor. Sie basiert auf einer zusammen von dem ICCP, der International Telecommunications Users Group (Intug) und dem Business and Industry Advisory Committee gestarteten Befragung von 22 OECD-Mitgliedsstaaten. Auskunft gibt dieses neue Werk mit dem Titel "Type Approval Procedures for Telecommunications Terminal Equipment in OECD Member Countries" beispielsweise über die Rolle der Postverwaltungen und der Industrie im Rahmen der Vermittlungstechnik, die Zulassungsverfahren für Endgeräte und die einschlägigen Standardisierungsbemühungen.

In Sachen Fernmeldepolitik gab das ICCP erwartungsgemäß kein offizielles Statement ab. Durchblicken ließ der Leiter des OECD-Computerkomitees jedoch, daß man das Monopol der Deutschen Bundespost nicht unbedingt als ein Nonplusultra ansehe. Als beispielhaft und produktivitätssteigernd wurden vielmehr die Entflechtungen beziehungsweise Privatisierungen des amerikanischen Giganten AT&T, von Britisch Telecom und der staatlichen NTT in Japan ins Feld geführt. Auch der Einrichtung von privat betriebenen Value-Added-Networks (VAN) - zu deutsch Mehrwertdienste - scheint die Organisation nicht ablehnend gegenüberzustehen.

Als weitere Themen standen im Bonner OECD-Informationszentrum der Datenschutz und der grenzüberschreitende Datenverkehr auf der Tagesordnung. In bezug auf letzteren Punkt beriefen sich die Wirtschaftsfachleute in erster Linie auf eine am 11. April 1985 von den Ministern der OECD-Mitgliedsstaaten abgegebene Erklärung. Darin bekräftigen die Länder ihre Absicht, unbillige Hindernisse für den internationalen Daten- und Informationsaustausch zu vermeiden. Des weiteren wollen sie sich unter anderem für transparente Vorschriften und Maßnahmen beim grenzüberschreitenden Datenfluß einsetzen und gemeinsam diesbezügliche Lösungen entwickeln. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf die Datenkommunikation im Umfeld des internationalen Handels, die kommerziellen Datenverarbeitungsdienste und automatischen Informationsdienste sowie unternehmensinterne Datenflüsse gerichtet werden. Auf technische Einzelheiten zu diesem Themenkomplex geht die Erklärung nicht ein.