Wandel von der kapitalintensiven zur arbeitsintensiven Branche:

Software bietet genug Arbeitsmöglichkeiten

26.08.1983

TOKIO (VWD) - Die Mikroelektronik wird zur Schlüsselindustrie einer Welt, deren Abhängigkeit von Informationen immer weiter steigt. Gleichzeitig entsteht, so ist in einem Bericht des japanischen Magazins "Entrepreneurship" zu entnehmen, ein neues Mikroelektronikproblem, das vor allem die Marktführer betreffe: "die Software-Krise". Die Erstellung von Software sei jedoch sehr arbeitsintensiv und die dafür benötigten Spezialisten gebe es kaum.

Im Zuge von Lohnerhöhungen und komplexen Problemstellungen wurde Software immer teuerer. Dabei geht der Autor des Artikels davon aus, daß die Programmkosten eines Gesamtsystems in der nahen Zukunft um mehr als 90 Prozent steigen werden. Dies bedeute, daß die Computerindustrie - bisher an erster Stelle der kapitalintensiven Industriezweige - zu einem arbeitsintensiven Industriebereich reduziert werde.

Den vor allem in europäischen Ländern vielfach geäußerten Bedenken gegen die Mikroelektronik als Arbeitsplatzvernichter wird entgegengehalten, daß gerade die Softwareentwicklung immense Beschäftigungsmöglichkeiten biete.

Ob allerdings die Zahl der von der Mikroelektronik geschaffenen neuen Arbeitsplätze die der dadurch eliminierten übersteigen werde, hänge größtenteils von dem sozialen und industriellen Klima des einzelnen Landes ab. Dabei wird auf die genannte Zahl der allein in Japan von Herstellern und Anwendern benötigten Software-Spezialisten verwiesen. Da jährlich weniger als 20 000 fertige Elektroniker nach vierjähriger Ausbildung die inländischen Universitäten verlassen und selbst unter Einschluß der zweijährigen Technik-Colleges nur weniger als 50 000 neue Elektroniker pro Jahr zur Verfügung stehen werden, könne nicht einmal der Mindestbedarf gedeckt werden. Deshalb müßten ohne weitere Verzögerung in großem Ausmaß institutionelle Programme für Ausbildung und praktische Einarbeitung junger Leute in Gang gebracht werden.

Ein zweites großes Programm sollte für die Umschulung von Technikern und anderen Arbeitnehmern gestartet werden, deren bisherige Arbeitsplätze durch Mikroelektronik-Einsatz wegfallen. Da dies auf Industrieseite nur von wenigen großen, profitablen Konzernen finanzierbar sei, müßten alle Ausbildungsinstitutionen mobilisiert und auch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Zwang zur internationalen Arbeitsteilung

Da nirgends Software-Spezialisten für alle Anwendungsspezifikationen zur Verfügung stehen werden und der Bedarfszuwachs die Angebotsmöglichkeiten auch außerhalb Japans übersteigen wird, sei eine internationale Arbeitsteilung in der Softwareindustrie unerläßlich. Vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens gebe es dafür ein enormes Potential. Entwicklung und Produktion von Software könnte für die Länder Ostasiens wirtschaftlichen Wohlstand und damit politische Stabilität bringen.

Dabei vertreten vor allem Europäer die Meinung, daß der Einsatz von Mikroelektronik nur die Technologielücke zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern vergrößere und eine Bedrohung der von niedrigen Löhnen abhängigen Industrialisierungsbemühungen der Entwicklungsländer darstelle. Dies sei zum Teil richtig. Man müsse jedoch darauf verweisen, daß in Hongkong, Taiwan, Singapur und anderen Ländern die Montage von integrierten Schaltkreisen und die Herstellung von mikroelektronischer Hardware das wirtschaftliche Wachstum gesteigert und entsprechende Beschäftigungseffekte gebracht hätten. Dasselbe gelte auch für Software.

Erfolg oder Fehlschlag hänge einerseits von der jeweiligen Regierung und deren Entscheidung über Ausbildungs- und Schulungspolitik und andererseits von der Flexibilität der Arbeitnehmer beziehungsweise deren Bereitschaft, sich neuen Aufgaben zu stellen, ab. Wenn die Europäer weiter auf der pessimistischen Einschätzung, daß Mikroelektronik Arbeitslosigkeit verursache, bestünden und deshalb die technologische Innovation in diesem Bereich vernachlässigten, werden sie "bald auf der Verliererseite sein". Wem man in Europa nicht realisiere, daß Mikroelektronik-Technologie ein eigenes Problem sei und konstruktiv darauf reagiere, würden die Entwicklungsländer, die das entstehende Softwarepotentital sehen, einen kaum noch einholbaren Vorsprung gewinnen.