Vorwürfe wegen unüblicher Buchungspraktiken drücken Aktienkurs

Software-Anbieter Baan verliert an Glanz

15.05.1998

Erst Ende des Einstiegsquartals des neuen Geschäftsjahres 1998 seien die Lizenzen tatsächlich an Endanwender veräußert worden, bis dahin waren sie noch im Besitz von unabhängigen Softwarepartnern, berichtet der Brancheninformationsdienst "Computergram International". Spötter sprechen in diesem Zusammenhang von "Schranklizenzen". Anbieter verkaufen Softwarelizenzen an Partner oder an Leasingunternehmen, die dann wiederum für den Vertrieb an die Endkunden zuständig sind. Gemäß amerikanischer Buchungsvorschrift darf der Hersteller den Verkauf allerdings erst als Umsatz verbuchen, wenn der Partner die Zahlungen von den Endkunden erhalten hat. Baan hat den Umsatz laut "Computergram" jedoch bereits nach dem Verkauf an die Zwischenhändler verbucht.

Geschäftspraxis muß offengelegt werden

Darüber hinaus wirft die SEC Baan unübliche Praktiken bei der Buchung von Aktivitäten zwischen Tochterunternehmen und Privatfirmen der Baan-Brüder Jan und Paul vor. So sollen für 1997 rund 13 Millionen Dollar von der Mittelstandsorganisation Baan Midmarket Solutions (BMS), an denen die Company mit 15 Prozent beteiligt ist, als Umsatz ausgewiesen worden sein. Die SEC vermutet, daß es sich dabei um eine Vorwegnahme geplanter Einnahmen der BMS handelt, heißt es bei "Computergram" weiter. Die Einnahmen könnten dadurch künstlich "aufgebläht" werden, erklärten Fachleute. Baan wurde daraufhin von der SEC aufgefordert, ein Standardformular für Benachrichtigungen (F-20) bei den Prüfern einzureichen, um die Beziehungen der Unternehmen untereinander darzustellen. Das Formblatt sei inzwischen erstellt, teilte ein Sprecher bei Baan in Hannover mit.

Den ersten Kurseinbruch lösten die laut Analysten unerwartet mageren Ergebnisse des ersten Quartals 1998 aus: Der Gewinn des Standardsoftware-Anbieters für diesen Zeitraum sank um 81 Prozent auf 2,4 Millionen Dollar (1997: 12,8 Millionen). Baan hatte eigenen Angaben zufolge aus Unsicherheiten bei der Rechnungs- legung nach "SOP 97-2 Software Revenue Recognition" 43 Millionen Dollar als transitorische Passiva ausgewiesen und nicht dem Quartalsumsatz zugerechnet (siehe CW 18/98, Seite 1).

Für "völlig übertrieben" hält Klaas Wagenaar, Chief Financial Officer (CFO) von Baan, die Reaktionen von Analysten. Baan werde in Kürze neben den Erläuterungen im F-20-Formblatt zu den Vorwürfen der Aufsichtsbehörde Stellung nehmen. Von der deutschen Baan-Niederlassung in Hannover war bis zum Redaktionsschluß keine zusätzliche Stellungnahme zu erhalten.

Um nicht noch mehr Kredit bei den Anwendern zu verspielen, müsse Baan die Geschehnisse aufklären und die finanziellen Hintergründe offenlegen, fordert Helmuth Gümbel, Managing Director bei Strategy Partners in Scuol, Schweiz. In den aktuellen Quartalszahlen hätten die Softwerker erstmals die internen Geschäfte der Baan-Organisationen wie Baan Investment B.V. (BI), Baan Business Solutions (BBS) und der Mittelstandseinheit BMS aufgeführt. Diese seien früher nicht ausgewiesen worden. Gümbel: "Seltsam, daß das einem Auditing-Gremium nicht schon früher aufgefallen ist.