SNI: Nichts mehr zu verlieren?

28.08.1992

EG-Telefunken, Anker, CTM, Diehl, Dietz, Kienzle, Olympia, Mannesmann, Triumph-Adler, VW: Lang ist die Liste der deutschen Unternehmen, die den Ausflug in den Computermarkt teuer bezahlen mußten. Man sähe die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) nur ungern am Boden, da wir an industrieller Substanz im DV-Bereich nichts mehr zu verlieren haben. Nur wird der Absturz kaum noch zu vermeiden sein, läßt man sich von den PR-Sprüchen der SNI-Verantwortlichen nicht ablenken. So spitzt sich die Frage zu: Wie will der designierte Siemens-Chef und Kaske-Nachfolger Heinrich von Pierer erklären, daß SNI auch künftig aus der Konzernkasse kräftig subventioniert werden muß? Daß man die Frage so nicht stellen könne, weil der DV-Bereich (heute: SNI) für den Elektroriesen Siemens von strategischer Bedeutung sei, wie der DV-Laie Kaske immer wieder beteuerte, sagt der neue Mann in dieser Absolutheit nicht mehr - Konsequenzen mag von Pierer nicht ausschließen.

Das heißt aber noch nicht, daß eine neue Siemens-Politik eingeleitet worden wäre, was klare Aussagen zur SNI-Misere betrifft - von einer Gewußt-wie-Umsetzung gar nicht zu reden. Es sei gelungen, den SNI-Kunden das Gefühl zu geben, daß sie "weiterhin bei uns gut aufgehoben sind", so von Pierer in einem"Manager-Magazin"-Interview. Was ihn so sicher macht, ist nicht bekannt. Nie hat er ein Computerunternehmen geführt. So sind sie, die Siemens-Strategen, die auf "Synergie at work" und Systemintegration setzen. Was von Pierer in Sachen SNI will, weiß er womöglich selber nicht. Wohl aber konnten die Kunden zuletzt erfahren, daß SNI weiter Personal abbauen muß - und ein Ende der Entlassungswelle ist nicht abzusehen.

Können die SNI-Kunden angesichts der jüngsten Entwicklung gelassen sein? In der Tat lautet die Frage nicht, ob die Siemens-Manager Tagträumer oder Verschleierer sind, sondern ob die Anwender getäuscht werden. Skepsis ist angebracht: Die SNI AG sitzt so tief in der Klemme, daß sie ohne die Finanzzuwendungen von der Konzernmutter nicht mehr lebensfähig wäre. Wie lange kann sich das Siemens noch leisten? Was nun, Herr von Pierer?

Sich auf die Branchenkrise herauszureden bringt nicht nur nichts, es ist sogar gefährlich. SNI betont die wachsende Bedeutung der Systemintegration. Dabei steht und fällt das DV-Business mit wettbewerbsfähigen Produkten - kein Hersteller kann ohne Neugeschäft reüssieren. Schlimmer noch: Der Abbau von DV-Altlasten, der Versuch, das Knäuel proprietärer und obsoleter Systeme zu entwirren, bindet innovative Kräfte bei Anbietern und Anwendern. Diese halten sich mit Neuinvestitionen zurück. So ist Integration die Ursache der Marktschwäche, für deren Beseitigung sie sich ausgibt. Man muß schwarzsehen für SNI.