Die längste Baisse der Börsengeschichte

Sind IT-Aktien wieder fair bewertet?

15.11.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Aktienkurse der meisten Hightech-Firmen haben den Großteil ihres Wertes von vor zwei Jahren verloren. Da seinerzeit einige Analysten von einer übertriebenen Bewertung der Unternehmen sprachen, stellt sich nun die Frage, ob die aktuellen Kurse endlich die Realität fair widerspiegeln.

Die vorläufige Börsenbilanz dieses Jahres liest sich eindeutig: Der Dax verliert mehr als 40 Prozent, der Nemax 50 über 60 Prozent, Dow Jones und Nasdaq Composite geben um knapp 15 beziehungsweise mehr als 30 Prozent nach. Dennoch scheint das Tief von Anfang Oktober überwunden zu sein, in den letzten Wochen erholten sich die Kurse, und auch die Umsätze mit an den Börsen gehandelten Aktien nehmen wieder zu. Ebenfalls bemerkenswert ist die steigende Menge an Wertpapieren, die von den Unternehmen selbst gekauft werden (nachzulesen unter www.bafin.de). Diese gelten als Indikator dafür, dass zumindest die eigenen Manager an den Erfolg ihrer Firma glauben beziehungsweise den Kurs für zu niedrig erachten.

Thiemo Lang, Portfolio-Manager bei Activest, der Investment-Tochter der Hypo-Vereinsbank, hält die derzeitigen Kurse der Hightech-Firmen insgesamt für fair bewertet - allerdings mit Einschränkungen. "Chipaktien sind meiner Meinung nach noch zu teuer", so Lang, und auch für Teile des Te-lecom-Sektors will er noch kein Ende der Talfahrt ausrufen. Während im Mobilfunk-Endgeräte-Markt die Zeichen auf leichtes Wachstum deuten, sieht der Analyst für den Bereich TK-Equipment "bestensfalls eine Verlangsamung des Abschwungs".

Auch Helmut Bartsch, Analyst bei der BW-Bank in Stuttgart, möchte die Frage nach einer fairen Bewertung nicht pauschal beantworten. Wichtig seien nicht nur die Betrachtung des aktuellen Aktienkurses, sondern auch Fundamentaldaten wie Gewinn und Umsatz sowie die Wachstumsaussichten für 2003. "Im Hardwaresektor ist die Marktsituation nach wie vor schlecht", sagt er. Trotz einer Stabilisierung sei noch keine Trendumkehr erkennbar. Im Softwaresegment zeichnet sich seiner Meinung nach ein differenziertes Bild ab. Während es den großen Werten relativ gut geht, fabrizierten viele kleine bis mittlere Firmen nach wie vor Verluste. Vor allem müsse sich der Betrachter von Aktiencharts von dem Glauben lösen, dass ein gesunkener Aktienkurs eine automatische Aufforderung zum Einstieg sei: "Eine niedrige Bewertung heißt noch lange nicht, dass die Aktie attraktiv ist."

Daniel Evensen, Redaktionsleiter vom Börseninformationsdienst "Stock-World", glaubt sogar, dass nach dem Kursanstieg der letzten Wochen viele Technologieaktien bereits wieder teuer sind. "Intel oder SAP weisen auf Basis der erwarteten Gewinne für 2003 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 30 auf, bei Cisco liegt das Gewinnvielfache um die 20", stützt er seine These. "Insgesamt ist ein Investment in Technologieaktien eine Wette auf eine sich aufhellende Konjunktur", schreibt Evensen. Bessere sich die wirtschaftliche Lage, legten auch die Unternehmensgewinne deutlich zu. Doch seiner Meinung nach sehe es derzeit eher nach einer anhaltenden Konjunkturflaute aus. Für ohnehin angeschlagene Firmen wie Nortel, Lucent oder JDS Uniphase dürfte die Lage daher weiterhin kritisch sein. (rs)