Sind die Softwarepreise zu hoch?

23.04.1976

Maximilian Wieland, Leiter der EDV-Abteilung, Bayerische Beamtenversicherung, München.

Angesichts des ständig zunehmenden Angebotes an Standard-Anwender-Software erscheint es verwunderlich, daß davon in der Praxis doch recht wenig Gebraucht gemacht wird. Die Anwender bauen - jedenfalls in der großen Datentechnik - noch weitgehend auf eigenentwicklung: vielfach sogar dann, wenn bekannt ist, daß entsprechende Softwarepakete auf dem Markt sind.

Wie ist dieses - auf den ersten Blick unwirtschaftlich und unlogisch erscheinende - Verhalten zu erklären?

Wenn wir alle sachlich nicht zu begründenden Einwände beiseite lassen, dann bleibt als wichtigstes Gegenargument der Preis.

Von Softwarehäusern entwickelte Standardsoftware ist, selbst wenn es sich um Spitzenprodukte handelt, kein absolut gleichwertiger Ersatz für anwendereigene Entwicklungen. Allein deshalb nicht, weil der Anwender bei Eigenprogrammierung Art und Umfang der Strukturierung und Dokumentation bestimmt und weil er Mitarbeiter hat, die das System kennen und warten. bei Fremdsoftware muß er hier gewisse Abstriche in Kauf nehmen. Diese Nachteile muß der Software-Anbieter durch einen günstigen Preis kompensieren, das heißt, er muß den Anwender davon überzeugen, daß das Angebot trotz der genannten Risiken in Hinblick auf die zu erwartenden Kosten der Eigenentwicklung Vorteile bringt. Warum gelingt dies so oft nicht?

Der Software-Vertriebsmann hat es schwer bei Interessenten, die ihre tatsächlichen Eigenkosten nicht kennen (oder nicht kennen wollen). Sei es, weil sie die Entwicklungszeiten nicht oder nicht richtig schätzten, sei es, weil Ihnen der Personalaufwand nicht hinreichend bekannt ist. Hier sieht man den Preis für das Softwarepaket als eine - große - Summe und winkt ab.

Aber auch Anwendern, die ihre Eigenkosten sehr präzise ermitteln, sind die Softwarepreise oft zu hoch. Sie wissen zwar, daß der geforderte Preis unter den Eigenkosten liegt. Sie sind aber auch sachkundig genug, den Entwicklungsaufwand für das Standard-Softwarepaket abschätzen zu können.

Ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen den Entwicklungs -, Wartungs- und Vertriebskosten einerseits und den Preisen der Software-Anbieter andererseits kann nun beim Anwender eine Verstimmung und Trotzreaktion auslösen. Auf entsprechende Vorhaltungen pflegen Softwareanbieter darauf zu verweisen, daß Wattbewerber für ähnliche Produkte auch nicht weniger fordern und im übrigen das Preis -/ Leistungsverhältnis des eigenen Produkts natürlich wesentlich günstiger sei. Nun, auch das kann den kritischen Anwender letztlich nicht befriedigen, denn er ist vielfach nicht bereit, eine auf den Markt und nicht auf die Gestehungskosten zugeschnittene Preispolitik von Softwarehäusern zu unterstützen. Diese Preispolitik mag für die Hardware- Hersteller praktikabel sein, solange der Kunde sich seine Maschinen noch nicht selbst bauen kann. Die Software aber kann der Anwender selbst entwickeln - und häufig tut er es dann auch. Oder er begnügt sich - bei bestimmten, betriebssystemnahen Funktionen - mit dem kostenlosen Software-Angebot seines Hardware-Herstellers.

Ich glaube nicht, daß es für Softwarehäuser richtig ist, zu sagen:

2 Installationen a 30 000 DM bringen uns so viel wie 4 Kunden a 15 000, also warum den Preis reduzieren?

Bei der Auswahl eines Software-Produkts gibt es neben allen Anspreisungen des Vertriebsbeauftragten für den Interessenten ein wichtiges, objektives Qualitätsmerkmal: Die Zahl der Installationen.

Schon aus dem Software-Katalog wird er im Zweifel dasjenige System auswählen, das die meisten Installationen aufweist. Gewitzt durch trübe Erfahrungen, weiß der Anwender nämlich: Die notwendige Betriebssicherheit erreicht ein System nur durch den Einsatz bei möglichst vielen Anwendern, weil es auf den Praxistest unter den verschiedensten Konstellationen angewiesen ist.

Die Anwender würden es begrüßen, und so meine ich, auch honorieren, wenn die Softwarehäuser ihre Preise unter diesem Gesichtspunkt auf die Gestehungskosten und eine realistische Gewinnspanne abstellen würden. Ich verkenne nicht, daß dies sehr schwierig ist, weil dabei ja die wahrscheinliche Zahl von Installationen ein unbekannter Faktor ist. Dieser Umstand verführt wiederum dazu, sich am Markt zu orientieren. Hier muß aber der Software-Hersteller den Mut aufbringen, seinen eigenen Preis zu kalkulieren. Geschieht dies anwendergerecht, dann zahlt es sich auch für den Hersteller aus durch mehr Installationen, mehr Erfahrung beim Systemeinsatz, ein betriebssicheres System, überzeugende Referenzen, eine gesicherte, kontinuierliche Gewinnsituation.

Solange diese Neuorientierung nicht erfolgt, erscheinen mir in der Regel die Preise für Anwendungs- Software entschieden zu hoch.