Der betriebliche Bildungsmarkt ist ein Dschungel mit vielen Blüten:

SCS: Der Weiterbildung fehlt die Transparenz

22.02.1985

MÜNCHEN (lo) - Neun Milliarden Mark kommen jährlich für die Weiterbildung in der Bundesrepublik zusammen. Das ist rund eine Milliarde mehr, als für Computersoftware ausgegeben wird. Eine Untersuchung der SCS-Personalberatung. Hamburg, spiegelt Ziele, Organisation und Grundsätze dieses Bildungssektors wider. DV-Knowhow gilt dabei als unverzichtbares Thema.

Räumliche und geistige Mobilität in fast allen Unternehmensbereichen bringt die unternehmerische Verpflichtung mit sich, die Mitarbeiter in ihren Qualitäten mitwachsen zu lassen. Weiterbildung ist also in verstärktem Maß angesagt.

Rund ein Viertel der Unternehmen in der Bundesrepublik gibt mehr als eine Million Mark pro Jahr aus, weitere zehn Prozent bewegen sich von 500 000 Mark aufwärts.

Um so erstaunlicher ist die Tatsache, daß rund drei Viertel der Verantwortlichen mangelnde Transparenz des Bildungsmarktes beklagen. Nur 24 Prozent haben nach eigenen Angaben den Durchblick. Auch deuten Ungenauigkeiten in den Antworten über den Inhalt der Ausgaben für Schulungsmaßnahmen nach Ansicht von SCS darauf hin, daß Weiterbildung noch nicht als Investition gesehen wird.

An erster Stelle unter den Bildungszielen rangiert mit 85 Prozent die Anpassungs-Weiterbildung. Mitarbeiterqualifikationen entsprechend gewandelten Arbeitsplatzgegebenheiten zu verändern, besitze derzeit höchste Priorität in den Unternehmen. Mit knapp siebzig Prozent liegt die Entwicklung von Führungsnachwuchs aus den eigenen Reihen auf Platz Nr. 2. Die SCS-Berater schließen daraus, daß Unternehmen verstärkt dazu übergehen, Management aus dem vorhandenen Mitarbeiterpotential heranzubilden. Im Vordergrund stehe der Gedanke, unabhängig vom freien, häufig unergiebigen Markt zu sein.

Danach folgen Verbesserung des Leistungsverhaltens, Vorbereitung auf höherwertige Tätigkeiten und Sicherung der gegenwärtigen Qualifikationen Prozentzahlen zwischen 60 und 45 weisen auf den hohen Stellenwert auch dieser Ziele hin.

Die Bereitschaft, Änderungen zu verstehen oder herbeizuführen, die mit neuen Techniken zusammenhängen, rangiert auf Platz 6 mit knapp 45 Prozent. Zu vermuten ist, daß dieser Wert ansteigen wird, wenn sich die Entwicklung der Automation in Verwaltung und Produktion mit wachsender Geschwindigkeit fortsetzt.

Mit rund 35 Prozent liegt die Verbesserung des Sozial- sowie zwischenmenschlichen Verhaltens auf Platz 8 der Zielliste. Diese Gewichtung zeige an, so die Hamburger Marktbeobachter, daß neue Konzepte wie das des Quality-Circles oder Lernstattgedanken langsam Fuß zu fassen beginnen.

Bei Weiterbildungsthemen läßt sich ein deutlicher Schwerpunkt erkennen: Zwei zu eins gestaltet sich das Verhältnis von Fachschulung zum Verhaltenstraining. Spezielle sowie allgemeine Fachthemen liegen mit 48 und rund 37 Prozent an der Spitze. Die Vermittlung von EDV-Kenntnissen, Programmiersprachen und Org./DV-Wissen mit über 30 Prozent unterstreiche, so SCS, die starke Technikorientierung der Fachschulung.

Darüber hinaus dokumentieren für die SCS-Analysten die erfaßten Gewichtungen nachhaltig, daß die wachsende Datenverarbeitung in allen Bereichen zu hohen Weiterbildungsanstrengungen herausfordert. Dies spiegele sich sowohl im Arbeitsfeld Sekretariat als auch im CAD/ CAM-Sektor wider.

Die Weiterbildung für Führungskräfte liegt überwiegend auf dem Aspekt der Wissensvermittlung. Personalwirtschaft, Arbeitsrecht oder auch Verwaltungswissen gehören wie bisher zum Rüstzeug des Managers. Veranstaltungen zu diesen Themenbereichen rangieren mit über zwanzig Prozent obenan bei Seminaren für Führungskräfte. Knapp darunter mit 18 Prozent liegen Arbeitsmethodik und -technik, Zeitmanagement und Arbeitsplatzgestaltung.

Neben Sachkenntnis und Technik stehen in Seminaren Problemlösungs- und Entscheidungstechniken sowie Kreativitätsentwicklung als Thema an. Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Kostenplanung und Steuerrecht wieder aufzufrischen, ist Ziel von knapp 13 Prozent der Weiterbildungsveranstaltungen.

Führung und Motivation von Mitarbeitern scheint, so ein SCS-Ergebnis, den Unternehmen beträchtliche Investitionen wert zu sein. Im Bereich Kommunikations- und Verhaltenstraining lag das Gewicht mit 48 Prozent auf Mitarbeiterführung, Führungstraining und Führungsverhalten. Das Thema "Organisationsentwicklung" setzt sich nach Angaben der Befragten nur zögernd durch. Modethemen spielten entgegen der öffentlichen Diskussion keine Rolle. Dabei findet sach- und fachbezogene Weiterbildung überwiegend intern, Veranstaltungen zum Verhaltenstraining extern statt.

Als klaren Trend erkennt SCS, daß Führungskräfte funktionsbezogenes Sach- und Fachwissen angeboten bekommen. Hinzu kommen Seminare für Führungsverhalten und -fähigkeiten. Die vergleichsweise geringe Zahl von Veranstaltungen zum Thema "Unternehmensphilosophie und -politik" könne allerdings als möglicherweise bedenklich für die ideologische Basis gelten.

In den meisten Unternehmen zeichnet ein hauptamtlicher Mitarbeiter verantwortlich für die Weiterbildung. Personalleiter sind zu 14 Prozent mit der Aufgabe betraut, in kleineren Unternehmen auch die Geschäftsführung mit 5,5 Prozent: In Unternehmen mit wenigen Beschäftigten hat häufig der Chef ausschließlich das Sagen. Fast ein Prozent der Befragten gaben an, bei ihnen sei niemand für Weiterbildung eingeplant.

Für die Budgetplanung und -kontrolle sind über 74 Prozent der Weiterbildungsverantwortlichen zuständig. Eine Rahmenplanung erstellen zwei Drittel. Ebensoviel treffen die verbindliche Auswahl der Veranstaltungen.

Aus der SCS-Umfrage geht hervor, daß in aller Regel der Weiterbildungsverantwortliche direkt dem Leiter Personalbereich unterstellt ist. Nur knapp 8 Prozent befinden sich in der Unternehmenshierarchie auf der ersten Ebene, 24 Prozent auf der zweiten und über die Hälfte, etwa als Abteilungsleiter, auf der dritten. Der Manager unter den Weiterbildungs-Verantwortlichen ist noch eine Seltenheit. Dies weist zugleich auf eingeschränkte Befugnisse hin. Herbe Enttäuschung spreche aus den Antworten von über sieben Prozent, bei denen die Befugnisse "unklar" blieben.

Neben dem Stamm von "Hauptamtlichen" sind auch Führungs- und Fachkräfte aus den eigenen Reihen für die Weiterbildung tätig.

Wie SCS feststellen konnte, wird der Bedarf für Weiterbildung durch aktuelle Anforderungen ausgelöst. Maßnahmen werden im Gespräch zwischen Linienvorgesetzten und Weiterbildungsverantwortlichen in 90 Prozent der Fälle festgesetzt. Gespräche mit dem Mitarbeiter finden in über der Hälfte aller Fälle statt.

Fast die Hälfte aller Unternehmen kommt nach SCS mit durchschnittlich weniger als zwei Tagen Weiterbildung pro Mitarbeiter aus. Nur 16 Prozent gewähren mehr als zehn Tage.

Für die Teilnahme an Veranstaltungen zur Weiterbildung ist die Zielvereinbarung mit dem Chef bei über 50 Prozent der Fälle ausschlaggebend. Dabei zeigen sich im Management Vorurteile gegen bestimmte Themen. Die finanziellen und personellen Kapazitäten der Verantwortlichen erleiden dann in 54 Prozent Einschränkungen durch die Führung. Je kleiner der "Laden", desto mehr bestimme der Prinzipal, was die "Untergebenen" lernen müssen.

Als Kriterien der Weiterbildung gelten mit 65 Prozent vornehmlich Unternehmensziel und Weiterbildungsstrategie des eigenen Hauses. SCS stellte fest, daß auch kleinere Unternehmen sich nicht mehr von den Veranstaltungskosten abschrecken lassen.

Qualitätskontrollen über den Erfolg eines Seminar beschränkten sich allerdings bislang noch auf Fragebogen oder nachfolgende Gespräche. Maßnahmen über den Lerneffekt am Arbeitsplatz gelten als noch sehr wenig verbreitet.

Schulungs-Veranstaltungen wandeln sich langsam von Frontal- zum Moderationsunterricht. Jedoch, so SCS, dominiert noch in 92 Prozent der "Oberlehrer" mit traditionellen Unterrichtsmethoden. Durch massiven Einsatz audiovisueller Stimulantien wird versucht, die Teilnehmer zu beeindrucken - bei 78 Prozent - und mit ein paar praktischen Übungen sowie Spielereien am Bildschirm wird die passive Rolle der Seminarbesucher übertüncht - bei 35 Prozent - . Vorbehalte bestünden besonders gegenüber psychologischen Verfahren wie Rollenspiel oder Transaktionsanalyse.

Die Befugnisse der Weiterbildungsverantwortlichen beschränken sich fast ausschließlich auf die Funktion des Wissensvermittlers. Daß sie keine Managementposition innehaben, zeigt fehlendes Verständnis für die Bedeutung des Bereichs Weiterbildung im Unternehmen. Zugleich offenbart sich mangelndes Selbstverständnis der eigenen Rolle des Weiterbildungsverantwortlichen. Sie sind zuerst angesprochen, wenn geklagt wird, die Weiterbildung sei zur zusätzlichen Sozialleistung degeneriert.

Trotz beschränkter Kompetenz haben diese Verantwortlichen aber erfolgreich Rationalisierungswellen überstanden. Die Hälfte der Befragten sitzt über fünf Jahre in der derzeitigen Position, 70 Prozent sind wenigstens sechs Jahre in der Weiterbildung aktiv. Neue Aufgaben reizen diese "alten Hasen" kaum. Ein Einkommen zwischen 70 000 und 100 000 Mark sowie gewisse Privilegien - die Hälfte lehrt oder schreibt noch nebenbei - begründen diese "Standhaftigkeit" nachhaltig.