Schritte zur multimedialen Kooperation Konferenzsystem integriert unterschiedliche Anwendungen Von Manfred Rabbel*

18.03.1994

Das Kernstueck des breitangelegten multimedialen Konferenzsystems, das die Berliner Sietec GmbH in Pilotinstallationen vorstellt, ist der auf einer Unix-Workstation installierte Konferenz-Server.

Er ist von den Zielapplikationen entkoppelt und verhaelt sich der X-Applikation gegenueber als Server, gegenueber dem Anwenderterminal hingegen als Client.

Bei zunehmender Dezentralisierung von Unternehmen und Verwaltungen waechst die Notwendigkeit zu verstaerkter, medienuebergreifender Kommunikation. Im Hinblick auf notwendige Kostenreduzierungen sind Ueberlegungen zu neuen Formen der Kooperation fuer viele Bereiche in Wirtschaft und Verwaltung erforderlich.

So stellen sich zur Zeit vielerorts folgende Fragen: Sind Abstimmungsprozesse zwischen oertlich getrennten Partnern nur ueber den schriftlichen Austausch moeglich?

Sind teure Flugreisen fuer das Erzielen gemeinsamer Ergebnisse immer erforderlich? Koennen wir die Arbeit nicht mit Hilfe schon vorhandener Computersysteme effektiver gestalten?

Eine Antwort auf die aufgeworfenen Fragen kann darin bestehen, ein Konferenzsystem mit multimedialen Eigenschaften einzusetzen, das die ortsuebergreifende Kooperation von Gruppen oder Einzelpersonen ermoeglicht.

Hier soll nun ein solcher universeller Produktansatz beschrieben werden, wie ihn die Berliner Sietec GmbH in fuenf Pilotanwendungen bereits realisiert hat. Das breit angelegte Arbeitsplatzkonzept "Joint X" ermoeglicht es, dass mehrere Personen gemeinsam und koordiniert Daten erstellen und bearbeiten.

Unterstuetzt werden prinzipiell alle X-Applikationen. Die Bearbeitung eines Objektes erfolgt interaktiv, und jede Aktion wird allen Teilnehmern gleichzeitig dargestellt. Die Aktionen, die dabei von allen Beteiligten ausgefuehrt werden koennen, entsprechen der Funktionalitaet der zugrundeliegenden Anwendung. Bei dieser kann es sich zum Beispiel um ein DTP-Programm oder um ein CAD-Tool handeln, die, falls sie vorher schon einzeln genutzt wurden, nicht veraendert werden muessen.

Die individuelle Arbeitsumgebung jedes einzelnen Nutzers bleibt ebenfalls erhalten. Das betrifft Bedienung, Funktionsumfang und das verwendete Dateiformat. Um auch einem Kreis von Mitarbeitern mit unterschiedlicher Hardware-Ausstattung die Zusammenarbeit zu ermoeglichen und eine grosse Anzahl von Applikationen zu unterstuetzen, wurde bei der Entwicklung auf weit verbreitete Standards wie beispielsweise X11 und TCP/IP aufgesetzt. Zusaetzlich ist die Uebertragung von Audiodaten ueber ISDN moeglich.

Das Kernstueck eines solchen Systems ist der auf einer Unix- Workstation installierte Konferenz-Server (vgl. Abbildung). Er ist von der zu verteilenden Zielapplikation entkoppelt und verhaelt sich gegenueber der X-Applikation als Server. Gegenueber dem Anwenderterminal dagegen fungiert er als Client.

Erst durch Entkoppelung von der gewuenschten Applikation ist es moeglich, beliebige X-Applikationen zu integrieren und zu verteilen. Unterstuetzt werden dabei prinzipiell alle Applikationen und X-Server-Implementierungen, die den X-Window-System-Standard, Version 11, verwenden.

An einer Konferenz koennen alle teilnehmen, die ueber einen X- Window-faehigen Arbeitsplatz (PC, Workstation, X-Terminal) verfuegen, der mit dem Konferenzrechner verbunden ist. Wenn also ein Unix-Rechner mit dieser Software als Konferenzrechner existiert, koennen auch PCs teilnehmen.

Auf dem PC muss zu diesem Zweck eine X-Emulation gestartet sein, damit die Ausgaben auf dem Bildschirm sichtbar werden. Auch an eine Einbeziehung von Apple-Macintosh-Systemen in eine gemeinsame Konferenz wurde gedacht. Beim Einsatz des Softwarepakets Mac X koennen die verteilten Ausgaben auch auf den, vorrangig im DTP- Bereich eingesetzten, Macintosh-Systemen angezeigt werden.

Um die verschiedenen und unter Umstaenden an unterschiedlichen Standorten befindlichen Arbeitsplatzsysteme miteinander zu verbinden, ist ein durchgaengiges Netzkonzept notwendig. Die Netzverbindungen basieren aus diesem Grund auf der TCP/IP- Protokollfamilie, die auf allen gaengigen Rechnern zur Verfuegung steht.

Schon mit normalen ISDN-Verbindungen arbeiten

Durch Verwendung dieses Standards ist es moeglich, auf unterschiedlicher Netzhardware zu arbeiten. Somit sind Verbindungen mittels Ethernet, Token-Ring, FDDI, Schmalband- und Breitband-ISDN und auch ueber serielle Schnittstellen moeglich. Erfahrungen in verschiedenen Pilotanwendungen haben gezeigt, dass sich schon mit einer normalen ISDN-Verbindung fluessig arbeiten laesst.

Soviel zur Technik - wie laeuft eine Joint-X-Konferenz konkret ab? Bei der Entwicklung wurde sehr viel Wert darauf gelegt, die gewaehlten Begriffe an reale Meetings anzulehnen und somit die Bedienung fuer den Anwender einfach nachvollziehbar zu gestalten. Das Konferenzsystem kennt Arbeitskreise und in deren Rahmen wiederum Konferenzen. Fuer jeden Arbeitskreis wird ein Dateiverzeichnis eingerichtet, in dem die fuer die Konferenz relevanten Dokumente zentral vorgehalten werden.

An einer Konferenz muessen jedoch nicht alle in einem Arbeitskreis vorgesehenen Mitarbeiter gleichzeitig mitwirken. So ist es beispielsweise moeglich, dass Teilnehmer sukzessive zu der aktuellen Konferenz hinzugezogen werden.

Eine Konferenz besteht dabei aus einem Moderator, den Teilnehmern und unter Umstaenden einem oder mehreren Zuschauern. Der Moderator kann auch waehrend der Konferenz sein Recht als Leiter an einen anderen Teilnehmer uebertragen. Die Abbildung 3 zeigt einen Bildschirmabzug einer Konferenz, wie er sich einem Teilnehmer darstellt. Die Konferenzsteuerung zeigt unter anderem an, welche Teilnehmer sich zur Zeit an der Konferenz beteiligen und welchen Status sie haben. Weiterhin beinhaltet die Konferenzsteuerungs- Oberflaeche die Moeglichkeit der Auswahl des Schreib- rechtverfahrens. Durch diesen Mechanismus wird gewaehrleistet, dass immer nur ein Teilnehmer das zu bearbeitende Dokument modifizieren kann. Die an einer Konferenz beteiligten Partner haben neben der Veraenderung des Dokumentes noch die Moeglichkeit, mittels einer applikationsunabhaengigen Zeigefunktion auf besondere Stellen hinzuweisen.

Zusaetzlich zur Sprachverbindung wird der Abstimmungsprozess durch eine integrierte Chat-Box unterstuetzt. Diese kann aus der Konferenzsteuerung heraus geoeffnet werden und bietet die Moeglichkeit, waehrend einer Konferenz Notizen zu machen, die alle Teilnehmer sehen koennen. Diese Diskussionsbeitraege gehen nicht in das bearbeitete Objekt ein.

Um simultanes Arbeiten noch zu verbessern und weiteres Einsparpotential zu nutzen, ist eine visuelle Unterstuetzung sinnvoll. Deshalb werden zur Zeit die Unix-Arbeitsplatzrechner mit JPEG-Videokompressionskarten ausgeruestet und ueber FDDI vernetzt.

Aus der Videounterstuetzung ergeben sich neue und vielfael- tige Anwendungsfelder. Diese reichen von der Moeglichkeit der Telekonsultation ueber die Be- gutachtung von Bildern bis hin zur Videokonferenz am Arbeitsplatz.