Schläfrige Hauslieferanten im Windschatten des Postmonopols

29.01.1982

Klaus Rosenthalfreier EDV-Fachjournalist Seit einigen Jahren hört man aus England neue Töne: Immer mehr Stimmen werden laut, die nach einer Liberalisierung der britischen Postdienste rufen. Liberaler will man nicht nur das Endgerätegeschäft, sondern auch den zukunftsreichen Markt der Telekommunikation

reformiert wissen. In beiden Segmenten des Datenübertragungsbereiches sollen verstärkt private Anbieter zum Zuge kommen.

Das ist natürlich Musik in den Ohren deutscher Hersteller und hier ansässiger ausländischer Niederlassungen. Sie hoffen, daß zumindest die Dünung der englischen "Protest"-Welle auch an deutsche Küsten reicht. Jedenfalls verspricht man sich von den Liberalisierungsbemühungen der Briten auch hier gewisse Lobby-Effekte.

Daß die Briten es dabei nicht bei der feinen englischen Art bewenden lassen, zeigt der kürzliche direkte Vorstoß des Kommunikationskonzerns Racal. Dieser rüttelte gegen Mitbewerbsklauseln und Bundespost-Monopol gleich an die Adresse der Bundesregierung. Ob man sich den Racal-Wünschen nach mehr Geschäftsanteil im bundesrepublikanischen Markt auch beugen wird, bleibt abzuwarten. Dabei trifft es die englische Firma besonders hart, daß im Gegensatz zum eigenen Markt die Deutsche Bundespost eher anti-liberal agiert.

Die vor gut vier Jahren beschlossene Novelle zum Deutschen Fernmeldegesetz hat der Post zum Beispiel das selbstverschriebene Oligopol der schnellen Datenübertragung auf festgeschalteten Leitungen festgeschrieben. Fremdanbieter von Hochgeschwindigkeits-Modems sind

damit ab 1985 aus dem Geschäft. Gerade mit High-speed-Modems hat die englische Racal-Milgo-Tochter in Neu-Isenburg in der Bundesrepublik

jahrelang gute Umsätze gemacht. Wenn sich jetzt in England die Liberalisierung weiterentwickelt - praktisch der deutschen zuwiderlaufend - so sollte das hier zu denken geben.

Die große Zukunft der Informationsübertragung läßt nämlich die alte Streitfrage wieder aufkommen, ob die Post sich damit bescheiden sollte, ausschließlich Leitungen zur Verfügung zu stellen und damit (nicht unerhebliche) Gebühren einzufahren. Das Argument von Industrieseite, man verstehe vom apparativen und softwaremäßigen Teil der Datenübertragung mehr als die Post trifft auf vieles zu. Jedenfalls wurden bisher Modems, Multiplexer, Mailboxen sowie Telefonanrufbeantworter nicht in den Labors der Post entwickelt.

Daß jahrelange Hauslieferanten der DBP recht schläfrig hinsichtlich neuer Entwicklungen werden können, zeigt das Beispiel in unserem Land. Hier wurden noch vor Jahren museumsreife Modems zu hohen Mietpreisen angeboten, als die ausländische Konkurrenz bereits preiswerte Multifunktionsgeräte auf Mikroprozessorbasis vom Band schickte. Seitdem hat sich zu Gunsten moderner Technologie manches geändert. Geblieben ist jedoch die Hauslieferanten-Praxis. Die Bundespost läßt nur einige wenige Modemlieferanten zum Zuge kommen. Andere, wie Racal-Milgo, sehen sich auf einmal ihrer bisherigen großen Klientel beraubt. Einzige "Fairneß": Der deutsche Nachrichtenübertragungsmonopolist hat seine Absicht schon Jahre vorher angekündigt, um den Betroffenen etwas Zeit zum Diversifizieren zu geben.

Thatchers Hilfe

Staatliche Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip praktiziert man in England nicht. Erst in den letzten Jahren sind einige Programme entstanden, welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit der britischen DV-Industrie stärken sollen. In England hat kürzlich das National Enterprise Board (NEB), für Staatsinvestitionen in britische Unternehmen verantwortlich, eine Marktstudie vorgelegt. Sie wurde unter dem Titel "Strategie für Informationstechnologie" von der PA International Management Consultants erarbeitet und der englischen Regierung präsentiert. Die Studie behandelt folgende Produkte und Anwendungen: Telekommunikation, Büroautomation, Universalcomputer, öffentliche Informationssysteme, Anlagen für das Fertigungsmanagement sowie den mit Informationstechnologie befaßten Dienstleistungssektor. Betont wird in dieser Arbeit, daß die angekündigte Liberalisierung der englischen Fernmeldebehörde unbedingt fortgesetzt werden sollte. Darüber hinaus wird der Regierung empfohlen, sich auch in anderen europäischen Ländern zu bemühen, den "Monopoleinkauf bei einheimischen Lieferanten aufzuheben". Diese Formulierung ist eine kaum verhüllte Schelte.

Auf nationaler Basis wird empfohlen, bereits existierende Produkte und Produktgruppen zu unterstützen: Multifunktionsterminals mit Fernsprechanschluß, Voice-Mail-Systeme, Spracherkennungssysteme, Kleinst- und Personal Computer, Speicher-Subsysteme, Magnetblasenspeicher, optische Speicher, multifunktionale Arbeitsplätze für Manager. Damit, so die Studie, solle die britische IT-Industrie gestärkt werden. Schließlich rät die Studie, British Telecom über das Schatzamt und das Industrieministerium zusätzliche Finanzquellen zu erschließen. Mit dem Geld müsse Ausbau und Modernisierung des englischen Fernmeldenetzes sichergestellt werden.

Bleibt für die Bundesrepublik zu hoffen, daß sich der Liberalismus für den Endbenutzer und Lieferanten etwas weiter entwickelt und nicht schon nach der schönen Qual der Wahl eines grünen, beige- oder orangefarbenen Familientelefons aufhört.