Satire/CW-Wert

12.01.1996

Boykott? Protest? Find ich echt geil. Denen da oben mal so richtig beibiegen, was Sache ist. Egal, ob Firmenbossen oder Politikern. Im Zeitalter grenzenloser digitaler Kommunikation, da jeder sein ganz persoenliches, politisch-philosophisches Stimmungsbild absondern und vor allem tausendfach verbreiten kann, macht Meinungsbildung ja auch erst so richtig Sinn, bricht sich basisdemokratische Euphorie Bahn auf den nationalen und internationalen Datenautobahnen. Da kommen uns die Gschaftlhuber von der bayerischen Staatsanwaltschaft gerade recht, die dem devoten Compuserve-Management abnoetigen, Papi die Abendlektuere zu vermiesen! Jetzt ist unser Protest gefragt. Keiner, der nicht eine Meinung zur bajuwarischen Digitalzensur haette. Prompt wacht auch der ahnungsloseste Internet-Surfer auf, um mit flammender Schrift durch die deutsche Sprache zu holpern. Stuempern Legionen selbsternannter Historiker von einem peinlichen Vergleich zum naechsten. Wird flachgeschrieben, was hohem Anspruch gerecht werden will. Schuetten Internet-Surfer deutschen Gerstensaft vor Goethe-Institute und muellen die Datenautobahnen zu mit staatsbuergerlicher Aufgeregtheit. Es ist ja auch wirklich einfach, Ressentiments aufleben zu lassen und Vorurteile zu pflegen. Da wollen wir mal grosszuegig uebersehen, dass Nazis ihren braunen Diskurs im Internet pflegen und Scientology ihre Heilslehre digitaliter an die Hilfsbeduerftigen dieser Welt verschickt. So genau soll unsere Empoerung dann doch nicht sein.