Ricke spricht sich fuer eine rasche Privatisierung des Partners aus France Telecom: Wahlkampf in Frankreich blockiert die Reform

07.10.1994

Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

PARIS - Erst nach den Praesidentschaftswahlen im Fruehjahr 1995 wird das franzoesische Industrieministerium das heisse Eisen einer Reform bei France Telecom anpacken. Die Deutsche Telekom, Partner des franzoesischen Netzbetreibers, sieht in der Verzoegerung noch keine Gefahr fuer das binationale Buendnis, nach Meinung von Helmut Ricke, Vorstandsvorsitzender der Telekom, sollte das Problem aber auch nicht zu sehr auf die lange Bank geschoben werden.

Ende August hatte Marcel Roulet, Praesident der France Telecom, Industrieminister Gerard Longuet bereits einen Reformentwurf fuer das gegenwaertig noch staatliche Unternehmen vorgelegt. Aus dem Hause Longuet verlautete daraufhin jedoch, solche Ideen passten "schlecht in die politische Landschaft der Wahlkampfmonate". Der Minister werde deshalb fruehestens im Maerz 1995 nach der Wahl eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen.

In seinem Konzept sprach sich Roulet fuer die Ausstattung der France Telecom mit eigenem Kapital sowie ihre Oeffnung zugunsten der Privatindustrie aus, obwohl die oeffentliche Hand mit 51 Prozent der Anteile zunaechst noch Mehrheitsaktionaer der Gruppe bleiben soll. Der franzoesische TK-Konzern Alcatel hat bereits im Vorfeld der Strukturreform Interesse an einer Beteiligung signalisiert.

Der Industrieminister schreckt vermutlich aufgrund der Ereignisse vom 12. Oktober 1993 davor zurueck, unpopulaere Massnahmen noch vor der Praesidentschaftswahl zu treffen. Damals legten - von den Kunden allerdings kaum bemerkt - drei Viertel der Beschaeftigten aus Protest gegen die Privatisierungsabsicht ihre Arbeit nieder.

Auch heute stehen fast alle Hausgewerkschaften der France Telecom dem Vorhaben weiterhin ablehnend gegenueber. Daran konnten auch Roulets Versuche, in den letzten Monaten Ueberzeugungsarbeit bei den Gewerkschaften zu leisten, im wesentlichen nichts aendern.

Ueber die innenpolitische Brisanz hinaus ist sich der Industrieminister auch der moeglichen Auswirkungen einer Verzoegerung der Reform auf die deutsch-franzoesische TK-Allianz bewusst. Vor allem haelt man im Ministerium den zeitlichen Rueckstand zur Telekom fuer einen Nachteil, die Anfang 1995 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird und der ab 1996 Privatkapital zufliessen soll. In einem von revolutionaeren Umbruechen erfassten Telekommunikationsmarkt fuehre das Beharren auf alten Strukturen in eine Sackgasse, mahnen Stimmen aus dem Industrieministerium in Paris.

Kurzfristig werde das deutsch-franzoesische Buendnis zwar kaum zerbrechen, meint Didier Puillot, Leiter der Abteilung Industrieanalysen bei dem France Telecom nahestehenden Medienforschungsinstitut Idate. Dazu, so Puillot, gaebe es mittlerweile zu viele Gemeinschaftsprojekte zwischen den beiden Carriern, vor allem die geplante Beteiligung mit 20 Prozent an dem amerikanischen TK-Konzern Sprint. Sollte die Reform jedoch bis 1997, dem Jahr vor der beabsichtigten voelligen Deregulierung des

europaeischen Fernmeldemarkts, nicht ueber die Buehne sein, rechnet der Experte mit deutlichen Spannungen zwischen den Partnern.

Telekom-Chef Ricke drueckt die gleiche Sorge diplomatischer aus: "Eine rasche Privatisierung der France Telecom kann den deutsch- franzoesischen Verbund nur staerken", meinte er gegenueber der Presse. Die Verfolgung gemeinsamer Interessen im europaeischen und globalen Telekommunikationsmarkt von morgen sei letzten Endes nur bei einer gegenseitigen Kapitalverflechtung der beiden Carrier moeglich. Ricke sagte dies wohl auch mit Blick auf die sich schon veraendernden Kraefteverhaeltnisse im Markt nach dem Einstieg von BT bei MCI und AT&T bei Unisource.