RFID: Konzentration auf das Wesentliche

07.02.2005
Von Melanie Henke
Vor RFID-Projekten sollten Anwenderunternehmen ihre Prozesse genau prüfen, um nicht in einer Flut unnötiger Daten zu versinken.

Vielen RFID-Verantwortlichen in deutschen Unternehmen liegen einige Probleme schwer im Magen. Neben den hohen Kosten, die RFID-Projekte nach wie vor verursachen, verzögern vor allem Fragen der Datenintegration die Verbreitung der Technik. Anfangs wird die Komplexität dieser Integration häufig unterschätzt, obwohl sie bei RFID-Vorhaben die Hauptaufgabe ausmachen kann. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der großen Menge an Transponderdaten sowie der Anbindung an bestehende IT-Lösungen wie Warenwirtschafts- oder ERP-Systeme.

Datenformate bereiten häufig Zusatzaufwand

Grundsätzlich werden Transponderdaten an jeder Lesestation erfasst. Wenn ein Funkchip auf seinem Weg beispielsweise 70 Lesegeräte passiert, werden seine Daten auch 70-mal ausgelesen. Wenn diese Informationen jedes Mal abgespeichert werden, entsteht schnell eine immense Flut an Daten, die es zu verwalten gilt. Unternehmen müssen also eine Auswahl treffen, welche Daten sie an welcher Stelle wirklich benötigen. Reicht es zu wissen, dass eine bestimmte Verpackungseinheit die Lesestation passiert hat, oder ist es wichtig, welche Produkte in der Verpackungseinheit enthalten sind? Mit solchen Entscheidungen lassen sich viele redundante Daten bereits bei der Erfassung aussortieren. Problematisch sind aber nicht nur die Datenmenge, sondern auch die Datenformate. Nicht alle Transponder liefern Daten in den Formaten, in denen sie später weiterverarbeitet werden. Oft müssen sie deshalb zuerst in einen bestimmten Standard transformiert werden. All dies kann bereits am Lesegerät mit Hilfe von intelligenten Filtern oder Management-Systemen erfolgen. Dazu müssen Anwender allerdings sicher sein, was sie mit der RFID-Einführung genau erreichen wollen.

Die Art der Integration einer RFID-Lösung in bestehende IT-Systeme hängt zunächst davon ab, für welche Geschäftsprozesse die gesammelten Daten relevant sind. In vielen Fällen haben Unternehmen Eigenentwicklungen im Bereich Warenwirtschaft oder Logistik im Einsatz, die nicht für zusätzliche RFID-Daten ausgelegt sind. Eine Weiterentwicklung dieser Systeme ist unumgänglich, wenn die RFID-Datenströme sinnvoll verar- beitet werden sollen. Aber auch bei ERP- oder SCM-Lösungen namhafter Hersteller treten häufig Probleme auf, und die Systeme erweisen sich nicht als RFID-kompatibel. Die IT-Verantwortlichen stehen somit vor der Aufgabe, ihre bestehende IT-Infrastruktur in den Bereichen Warenwirtschaft, Logistik, Supply Chain und ERP unter der RFID-Perspektive neu zu überdenken.

Es ist also von entscheidender Bedeutung, sich bereits im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, welche Geschäftziele ein Unternehmen mit RFID verfolgen will. Vor allem die Geschäftsleitung ist maßgeblich am Erfolg eines RFID-Projekts beteiligt. Auch wenn die Impulse für RFID-Vorhaben häufig aus den Fachabteilungen, beispielsweise der Logistik, kommen, ist die Festlegung der strategischen Geschäftsziele der erste entscheidende Schritt in der Planung. Sie dürfen jedoch nicht abstrakt bleiben, sondern müssen als spezifische Subziele weiterdefiniert werden.

Lautet das strategische Ziel beispielsweise, einen bestehenden Logistikprozess termintreuer zu machen, wäre ein mögliches Subziel die Reduktion von überflüssigen Prozessschritten. Die Analyse der einzelnen Prozessschritte würde zeigen, dass das manuelle Einscannen eines herkömmlichen Barcodes zeitlich sehr aufwändig ist. Dieser Prozessschritt könnte durch die automatische Pulkerfassung mittels RFID vereinfacht werden.

Insellösung oder übergreifendes System

Ist die Definition von strategischen Zielen und ihrer konkreten Umsetzung abgeschlossen, muss sich ein Unternehmen darüber klar werden, an welchen Stellen Lesegeräte Daten sammeln und welche Informationen davon ausgewertet werden sollen, um die definierten Ziele zu erreichen. Hier gilt das Prinzip: Weniger ist oft mehr. Häufig tendieren Firmen in der Anfangsphase dazu, zu viele Daten zu sammeln und auszuwerten. Meist reduzieren sie dann das Datenvolumen nach einer monatelangen und teuren Lernphase.

Leider wird potenziellen Anwendern von RFID-Herstellern und Systemhäusern gerne vorgegaukelt, dass nur mit einer völlig neuen und möglichst umfassenden Integrationslösung die Vorzüge der RFID-Technologie zum Tragen kommen. Tatsächlich hängt es aber vom Einzelfall ab, ob ein RFID-System als Insellösung oder als übergreifendes System betrieben werden sollte. Stand-alone-Lösungen finden sich beispielsweise in der Diebstahlsicherung, beim Fälschungsschutz, aber auch in der Regalpflege im Supermarkt. Diese Beispiele veranschaulichen, dass es in den meisten Fällen keinen Sinn gibt, eine mächtige Middleware einzusetzen, da die RFID-Daten in diesen Beispielen nur am Point of Sale nützlich sind. Häufig erlaubt zudem der Datenschutz keine Verknüpfung mit anderen Datenbanken, da sonst ein Rückschluss auf personenbezogene Informationen möglich wäre.

Wenn Unternehmen allerdings RFID für das Supply-Chain- Management (SCM) oder andere übergreifende Prozesse einsetzen möchten, sollte das System so gestaltet sein, dass auch Kunden oder Lieferanten Einblick erhalten können. Außerdem fallen in diesem Szenario weit mehr Daten an, die die Beteiligten zur Prozesssteuerung im Sinne einer Echtzeitabbildung der Abläufe nutzen können. Hier sind nicht nur eine Integration der RFID-Daten in ein übergeordnetes System, beispielsweise in das ERP-System, zwingend notwendig, auch Schnittstellen für die Anbindung von Partnern müssen eingerichtet werden. Die Anschaffung einer neuen Middleware ist allerdings nicht immer erforderlich. RFID wird schließlich selten auf der grünen Wiese implementiert. Deshalb sollten Unternehmen sorgfältig prüfen, welche ihrer IT-Strukturen sich auch nach der Umstellung problemlos für RFID nutzen lassen.

Alarmsysteme erleichtern das Monitoring

Bedenken, mit der Einführung von RFID-Systemen sei ein hoher Verwaltungsaufwand für die IT-Mitarbeiter verbunden, bestätigen sich in Interviews für eine aktuelle Soreon-Studie zu RFID in der Automobilindustrie nicht. Dank automatischer Alarmsysteme ist das Monitoring der Daten mit einem sehr geringen Aufwand verbunden. Hier lassen sich Überwachungstools nutzen, die nicht geplante Veränderungen wie den Ausfall von Transpondern an den Verantwortlichen melden.

Unternehmen sollten die RFID-Integration nicht als überwindliches Problem sehen. Alle RFID-Anwender, mit denen Soreon bislang gesprochen hat, starten zunächst Pilotprojekte, um zu entscheiden, welche Lösungen sich eignen. Dabei ist wichtig, dass Unternehmen nicht alles den Anbietern von RFID-Lösungen überlassen, sondern sich aktiv an der Projektgestaltung beteiligen. (rg)