Stärken und Schwächen der Package-Liferanten:

Rezepte für "System-Haus-Gemachtes"

29.09.1978

Seitdem sich der Verkauf von Minicomputern mehr und mehr dem kiloweisen Absatz von Elektronik nähert, hält sich auch unverändert die Konjunktur für ein ganz spezielles EDV-Jungunternehmertum. Immer neue kleine Firmen bieten ihre Dienste als Systemhaus an. Bei diesen Newcomern handelt es sich vorwiegend um branchenerfahrene Leute. Allerdings sind Universalgenies unter ihnen selten, die Softwareentwicklung und Servicevertrieb gekonnt beherrschen und kaufmännisches Geschick beweisen. Trotzdem sind Systemhaus-Neugründungen ein erfreuliches Anzeichen des freien Wettbewerbs. Und manch ein Klein- und Mittelbetrieb sowie ungezählte Erstanwender verdanken einem Systemhaus ihre maßgeschneiderte Problemlösung.

Auf den ersten Blick erscheint die Kombination von preisgünstig eingekaufter Hardware plus kundennahem Programmieraufwand als die ideale Lösung. Das Systemhaus muß sich nicht mit aufwendiger Hardware-Entwicklung befassen, sondern man kann seine komplette Manpower auf den Softwarebereich konzentrieren. Doch damit ist noch lange kein dauerhaftes gutes Verhältnis zum Kunden herzustellen. Wie aber soll der Interessent eine für seine Aufgaben optimal zugeschnittene Package-Lösung aus dem großen Angebot herausfinden? Dazu einige Checklistenpunkte die bei der Auswahl abgehakt werden sollten:

* Ortsnähe

Je kleiner das Systemhaus ist, desto weniger wird es in der Lage sein, einen flächendeckenden Service aufrechtzuerhalten. Deshalb der Grundsatz: Möglichst den Lieferanten ins Auge fassen, der am selben Ort ansässig ist oder zumindest in nicht allzu weiter Entfernung seinen Firmensitz hat. Der Vorteil: Kurze Wege ergeben auch schnellere Kommunikationszeiten, speziell dann, wenn die Anlage einmal streikt oder die Bedienung gelegentliche Schwierigkeiten beim Erledigen der Tagesarbeiten hat.

* Hardware-Herkunft

Das Systemhaus klärt in der Regel seine Kunden über die Herkunft der Hardware bereitwillig auf. Vermeiden Sie hierbei Exoten! Nur international bekannte Hersteller sollten infrage kommen. Dieser Qualitätsunterschied muß nicht einmal im Technologischen liegen. Es hat jedoch gerade im Minicomputergeschäft derart viele Pleiten gegeben, daß nur langjährig erfahrene und konsolidierte Namen zum Zuge kommen sollten. Diese Vorsicht schützt den Endanwender vor bösen Überraschungen und sichert seine Investitionen.

* Softwareangebot

a) Individualprogramme

Jeder Kunde erwartet naturgemäß von seinem EDV-Lieferanten eine total auf ihn zugeschnittene Problemlösung. Bereits hier sollten feste vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, die den Programmierungsrahmen festlegen. Nur so kann der Kunde vor unerwarteten zusätzlichen Kosten verschont bleiben. Andererseits schützt ein derartiger Vertrag auch das Systemhaus vor angeblich "selbstverständlichen" Gratisprogrammzusatzwünschen des Kunden.

Auch hier sind genau wie beim Angebot eines Computerherstellers gute Referenzen das A und O spätererzufriedenheit. Meist ist auch der Anwender, bei dem das schlüsselfertige Paket gut läuft, dem fremden Besucher gegenüber bereit, auch über die Startschwierigkeiten zu berichten. Versuchen Sie hier möglichst detaillierte Informationen zu erhalten. Sie können dem Erstanwender viel Ärger und Geld ersparen.

b) Systemsoftware

Über Minicomputer-immanente Software wird beim Package-Verkauf an Erstanwender leider viel zu wenig gesprochen. Hier sollte sich der Interessent bei Unkenntnis über Betriebssystemcharakteristiken gezielt beraten lassen. Er kann eventuell Pech haben, daß sein System zum Beispiel bei statistischen Berechnungen in Dauerbetrieb verfällt und für andere wichtige Tagesaufgaben blockiert ist. Über die Pflege des Betriebssystems sollten zusätzliche vertragliche Absicherungen bestehen. Je nach Betriebsgröße können unter Umständen auch bestimmte Dienstprogramme für den Anwender interessant sein.

* Wartung

Obwohl die Minicomputer für ihre lange Lebensdauer und gute Verfügbarkeit bekannt sind, ist der Anwender vor gelegentlichen Systemausfällen nicht geschätzt. Auch hierfür sind Wartungsverträge abzuschließen. Der Kunde tut gut daran, wenn er in seinem Interesse auch die durchschnittlich zugestandene Servicewartezeit in den Vertrag einbezieht. Länger als einen Tag sollte der hauseigene Rechner nicht stillstehen.

* Aus- und Weiterbildung

Es ist selbstverständlich, daß der Systemlieferant die Installation und die Personaleinweisung bei der Inbetriebnahme des Rechners übernimmt. Das sind in der Regel jedoch nur zwei bis drei Tage. Alle Leistungen danach gelten als Dienstleistungen, die bezahlt werden müssen. Hier sollte der Anwender sich vorher erkundigen, weiche Lehrgänge angeboten werden. Die bekannten Minihersteller veranstalten zum Beispiel oft Kurse für OEM-Kunden. Obwohl dieser Service nicht kostenlos ist, lohnen sich derartige Fortbildungslehrgänge auf jeden Fall.

* Aufwärtskompatible Hard- und Software

Noch ein weiterer Checklistenpunkt sollte bei der Auswahl der Hardware berücksichtigt werden. Dazu Walter Löffel, Geschäftsführer der Data General GmbH, Eschborn, einem Unternehmen, das mit einer großen Anzahl von Systemhäusern seit Jahren zusammenarbeitet: "Wichtig für den Endkunden ist, daß er mit einem Systemhaus arbeitet, das eine breite Produktpalette anbietet. Diese sollte möglichst vom Mikro- bis hinauf zum Superminicomputer reichen. Dabei sollte es sich jedoch nicht um eine Aneinanderreihung von verschiedenen Computern handeln. Vielmehr ist hierbei Auf- und Abwärtskompatibilität unverzichtbar, so daß einmal entwickelte Programme auch auf der nächst größeren Anlage laufen."

* Hinweise und Auswahlhilfen

Wer sich zuerst einen Überblick über die technischen Kapazitäten von kommerziellen Minicomputern verschaffen will, dem stehen zwei Periodika zur Verfügung. Vierteljährlich erscheint der "CC EDV-Seller Mittlere Datentechnik". Herausgeber: Computer Consulting, Fasanenweg 30, 6237 Liederbach, Tel: 06 11/30 40 47. Die jährliche Zusammenfassung alter Prozeßrechner und Minicomputer erfolgt im "Comtest". Herausgegeben von der Gesellschaft für Prozeßsteuerungs- und Informationssysteme. Katharinenstraße 19-20, 1000 Berlin 31, Tel: 0 30/8 92 80 21.

Ratsam ist auch für den Erstanwender, wenn er sich intensiv nach bereits laufenden Computeranwendungen seiner Branche erkundigt. Einige Systemhäuser - und die zählen mit zu den qualifiziertesten und erfolgreichsten ihrer Branche haben sich gezielt auf ein oder zwei Branchenproblemlösungen konzentriert. Bei diesen Partnern darf man neben einem reichhaltigen Problembewußtsein der eigenen Branche auch eine gute kostengünstige Package-Lösung für das eigene Unternehmen erwarten.

Die Computerwoche wird über Systemhäuser berichten und sporadisch eine Reihe von diesen Firmen mit ihren Dienstleistungen und Referenzen vorstellen.

*Klaus Rosenthal ist freier EDV-Journalist