Kolumne

"Reno im Recht"

28.11.1997

Das US-Justizministerium (DOJ) scheint entschlossen, Microsoft die Stirn zu bieten. Wer zwischen 1990 und 1994 den Eiertanz der US-Kartellrechtshüter mit der Gates-Company verfolgte, der muß sich jetzt über die harte Haltung von Justizministerin Janet Reno und deren Adlatus Joel Klein wundern.

Er sollte aber auch froh sein. Endlich versucht das DOJ, Microsoft in seinem Streben nach Omnipotenz in die Schranken zu weisen. Die Haltung der Wettbewerbshüter vermag nämlich vielleicht reinigende Wirkung ganz allgemeiner Natur zu entfalten. Zur Erklärung sei eine historische Arabeske erlaubt: Mit der von Historikern mittlerweile als Geschichtsklitterung eingeschätzten Darstellung der Ereignisse vom 2. und 4. August 1964 im Golf von Tonkin hatte der US-Präsident Lyndon B. Johnson die Öffentlichkeit bewußt hinters Licht geführt. Acht Jahre später verstieg sich sein Amtskollege Richard M. Nixon im Watergate-Hotelkomplex zu verbrecherischen Aktivitäten, die 1974 zu seinem Rücktritt führten. In der US-Öffentlichkeit haben diese eklatanten Machtmißbräuche von obersten Staatsträgern zu dem geführt, was Historiker seitdem als "Credibility Gap" bezeichnen. Die Bürger vertrauen ihren Politikern nicht mehr.

Die Folgen dieses Vertrauensverlusts sind verheerend, meinen Historiker. Das schlechte Beispiel derer, die eigentlich ethische Maßstäbe setzen sollten, untergräbt die Wertevorstellungen eines ganzen Volkes.

Hier schließt sich der Kreis zur aktuellen Diskussion. Wieder und wieder wurden in Büchern, eidesstaatlichen Versicherungen oder, wie jüngst, von Verbraucherschützern Aussagen beigebracht, die belegen: Microsoft domestiziert andere Firmen mit unlauteren Mitteln, übt gezielt und massiv wirtschaftlichen Druck aus, um auf widerrechtliche Weise seine Monopolstellung auszuweiten.

In der Auseinandersetzung DOJ versus Microsoft geht es nicht mehr nur um die Frage, ob ein Internet-Browser als Bestandteil eines Betriebssystems zu gelten hat oder nicht. Es geht vor allem auch darum, welche Spielregeln eine Gesellschaft als noch erträglich erachtet. Soll der Zweck - etwa die aussichtsreiche globale Wettbewerbspositionierung - jedes Mittel heiligen dürfen? Wer so argumentiert, braucht sich nicht wundern, wenn jeder genau diese Vorgabe zur Richtschnur auch seines individuellen Tuns erklärt.