Deutsche Start-ups/Die IT-Branche ist mit manchem eher konfrontiert als andere

Rechtliche und steuerliche Herausforderungen für Start-ups

25.09.1998

Der Start ist gelungen, jetzt soll es zügig vorangehen. Gerade in dieser expansiven Phase ist eine Öffnung des Start-up-Unternehmens nach außen unumgänglich. Eine Finanzierungsstrategie ist erforderlich, das Unternehmen muß für die Geldgeber transparent sein, bevor diese die Mittel zur Erledigung größerer Aufträge und zur Erreichung höherer Ziele bereitstellen.

Erfolgreiche Start-ups weisen recht früh komplexe Strukturen auf. Teils werden sie durch mehrere gleichgeordnete Gesellschaften betrieben, teils bestehen mehrstufige Unternehmenskonstruktionen. Häufig finden sich auch Verbindungen beider Typen. Regelmäßig liegt dabei ein "unkontrollierter" Leistungsverkehr zwischen allen beteiligten Gesellschaften vor, teilweise auch unter Einbeziehung der jeweiligen Gesellschafter.

Derartig verschachtelte Unternehmen bergen einige Risiken. An erster Stelle ist die Gefahr verdeckter Gewinnausschüttungen zu nennen. Solche liegen regelmäßig vor, wenn verbundene Unternehmen gegenseitige Leistungen erbringen, ohne daß es vorher vereinbarte schriftliche Verträge für die Leistungserbringung gibt.

Gerade bei jungen Gesellschaften, die über kein positives verwendbares Eigenkapital (vEK) verfügen, kann es bei solchen Vorgängen zu erheblichen Steuernachteilen kommen. Im günstigen Fall werden hierdurch Verlustvorträge vernichtet, im schlimmeren Fall kommt es zu Steuernachzahlungen. Weiter besteht die Gefahr einer Konzernhaftung, die in eine persönliche Haftung der Gesellschafter münden kann.

Schließlich erschwert eine verwobene Unternehmensstruktur die Bewertung der beteiligten Einzelunternehmen, da nicht genau festzustellen ist, wo welche Unternehmenswerte geschaffen werden. Dies verhindert die Veräußerung von unternehmerischen Teileinheiten und erschwert die Zuordnung des in der Unternehmensgruppe geschaffenen unternehmerischen Mehrwerts. All diese Probleme lassen sich in vielen Fällen nur noch durch Vereinheitlichung der Unternehmensstrukturen, durch Verschmelzung etc. bereinigen.

Was ist nun die richtige Rechtsform für ein Start-up-Unternehmen im IT-Bereich? Die GmbH & Co. KG ist hier eher selten anzutreffen, obwohl sie aus steuerlichen Gesichtspunkten attraktiv wäre. Allerdings ist die Personengesellschaft für ausländische Partner ein eher ungewöhnliches "Vehikel", das Erklärungsbedarf schafft.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Kapitalgesellschaft als die am häufigsten verwendete Rechtsform im IT-Bereich herauskristallisiert. Die hybride Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) verbindet die steuerlichen Vorteile einer Personengesellschaft mit dem Status einer AG und öffnet den Zugang zu Kapitalmärkten. Aber auch hier ist mit Erklärungsbedarf bei ausländischen Partnern zu rechnen.

Wer sich zwischen GmbH und AG entscheiden muß, sollte nach der Aktienrechtsreform 1994 auch bei Start-up-Unternehmen letztere erwägen. Solange der Gesellschafterkreis überschaubar ist, hält sich auch bei der AG der notwendige "Rechtsformaufwand" in Grenzen. Außerdem kann ein intelligent besetzter Aufsichtsrat professionellen Input liefern und so die Entwicklung der Start-up-Company positiv beeinflussen.

Der Weg zur richtigen Rechtsform ist seit Januar 1995 erheblich erleichtert. Nunmehr ist es möglich, eine Personengesellschaft steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln und umgekehrt. Bestimmte Reorganisationsmaßnahmen eröffnen dabei die Option, die Kapitalstruktur des Start-up-Unternehmens zu verbessern. Nachdem die deutsche Finanzverwaltung kürzlich insoweit ihre Position festgelegt hat, ist es jetzt im Einzelfall möglich, bei bestimmten Restrukturierungsmaßnahmen (ohne negative steuerliche Folgen) in der Handelsbilanz selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter zu aktivieren und hierdurch beispielsweise Rücklagen zu dotieren.

Ein eigenes Gebiet sind immaterielle Rechtsgüter, und zwar ein sehr wichtiges. Patente, Marken, Know-how etc. sind für IT-Unternehmen häufig von existentieller Bedeutung, sind sie doch in nahezu allen Fällen ihr größter Wert. Um so erstaunlicher ist, wie sorglos damit in der Praxis umgegangen wird.

Die Risiken sind evident: Welcher Finanzier wird einer Gesellschaft vertrauen, von der er nicht weiß, ob das "Main Asset" ihr selbst oder beispielsweise früheren Mitarbeitern gehört? Immaterielle Rechtsgüter ("Intangibles") müssen rechtlich zweifelsfrei der Company gehören. Es muß klar sein, daß alle an ihrer Schaffung beteiligten Personen (Arbeitnehmer, freie Mitarbeiter etc.) alle Rechtspositionen wirtschaftlicher Art auf die betreffende Firma übertragen. Eine saubere Dokumentation der rechtlichen Verhältnisse ist hier von geradezu existentieller Bedeutung.

Auch im Vertrieb ist Klarheit nötig. Werden hier unabhängige Geschäftspartner eingeschaltet, ist darauf zu achten, daß Ausgleichsansprüche nach Handelsvertreterrecht (ñ 89 b Handelsgesetzbuch) nicht entstehen. Wird eine mittelbare Vertriebsstruktur, beispielsweise der OEM-Vertrieb, gewählt, müssen die entsprechenden Verträge sachgerecht ausgestaltet sein, um alle relevanten Rechtspositionen des Start-up-Unternehmens abzudecken. Erfolgt eine Orientierung auf E-Commerce, muß Klarheit darüber bestehen, daß hier rechtlich und steuerlich Neuland betreten wird.

Qualifizierte Arbeitnehmer haben beim IT-Unternehmen tendenziell eine noch größere Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg als in anderen Branchen. Im IT-Bereich ist der unternehmerische Erfolg häufig das Kind vieler Väter. Um so wichtiger ist es, diese "Key Employees" an die Company zu binden, idealerweise dadurch, daß man sie zu Teilhabern macht.

Allerdings schränkt die für Mitarbeiter motivierende Beteiligung die Handlungsfreiheit des Unternehmers ein. Auch hier gibt es eine interessante gesetzliche Neuerung: Seit der letzten Aktienrechtsreform von Mitte 1998 ist es möglich, daß die Aktiengesellschaft sogenannte reine Aktienbezugsrechte (Naked Warrants) begibt.

Aktienoptionen ziehen Steuerprobleme nach sich

Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen dieser intelligenten Vergütungskomponente, die auch arbeitsrechtliche Bereiche tangiert (Grundsatz der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer), sind derzeit noch steuerliche Fragen offen. Die Finanzverwaltung hat sich hier bislang nicht festgelegt. Sie akzeptiert jedoch in bestimmten Fällen die Anfangsbesteuerung (Besteuerung der Optionseinräumung als geldwerter Vorteil), die folgenden entscheidenden Vorteil hat: Der Empfangsberechtigte muß zwar den Wert der Option versteuern, jedoch ist dieser regelmäßig niedrig. Der spätere Wertzuwachs der Option, den er durch seine eigene Leistung mit erwirtschaftet, entsteht in seinem Privatvermögen, ist also für den Arbeitnehmer steuerfrei.

Strenge Prüfung der Hausaufgaben

Im übrigen sind im Hinblick auf Arbeitnehmer bestimmte Standardthemen zu beachten, die in den sogenannten Due-Diligence-Prüfungen vor einem Börsengang immer wieder als Probleme auftauchen: Schaffen Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter immaterielle Wirtschaftsgüter für die Gesellschaft oder für sich selbst? Sind Vertriebspartner rechtlich unabhängig oder faktisch Arbeitnehmer der Company? Kollidieren Supportleistungen, vor allem Body-Shopping, mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz? Ein sensibler Umgang mit diesen Fragen vermeidet unerfreuliche Überraschungen.

Die IT-Company ist als Know-how-Unternehmen regelmäßig in vielfältige Kooperationen, in Entwicklungsgemeinschaften, Vertriebspartnerschaften etc. eingebunden. Hier gilt es, alle wesentlichen Bereiche so zu regeln, daß die Company nichts Entscheidendes preisgibt. Bei der Vertragsgestaltung ist es wichtig, so weit wie möglich in die Zukunft zu blicken.

Unternehmerische Tätigkeitsfelder, die heute noch als vernachlässigbar erscheinen, können morgen schon eine Schlüsselstellung für den Unternehmenserfolg einnehmen. Derzeit Partnern überlassene Vertriebswege können morgen strategische Bedeutung erlangen. Einmal preisgegebenes Terrain ist im Rahmen späterer Vertragsmodifikationen nur schwer zurückzugewinnen.

Erfolg durch Wachstum verlangt von jungen Unternehmen im IT-Bereich, sich früher als Start-ups in anderen Branchen mit Fragen der Unternehmensakquisition auseinanderzusetzen. Denn das erforderliche Wachstum ist häufig nicht aus eigener Kraft zu schaffen. Diese Akquisitionen müssen rechtlich und steuerlich optimal festgeschrieben sein.

Gerade im IT-Bereich ist es en vogue, mit eigenen Anteilen zu bezahlen: Unternehmensakquisition qua Beteiligungstausch. Hat die Company bereits die Rechtsform der Aktiengesellschaft, läßt der Bundesgerichtshof neuerdings Vorratsbeschlüsse für derartige Unternehmensakquisitionen zu. Die Schaffung des notwendigen Kapitals erfordert bei der AG einen Beschluß der Hauptversammlung.

In einem Punkt unterscheiden sich IT-Gründungen deutlich von denen anderer Branchen: Regelmäßig haben sie schon in der Start-up-Phase Auslandsmärkte im Auge. Das hat nicht nur Folgen für die eigenen Geschäftsaktivitäten, sondern zeitigt auch bei der Rekrutierung ausländischer Spitzenkräfte Wirkung. Diese fragen häufig nach Aktienoptionen. Mitunter muß hier der Weg über eine ausländische Gesellschaft gegangen werden, wobei negative Rückkopplungen rechtlicher und steuerlicher Art im Inland unbedingt vermieden werden müssen.

Im übrigen gilt: Die Gesellschaftsstruktur muß "auslandskompatibel" sein, was regelmäßig primär unter steuerlichen Aspekten zu beurteilen ist. Insbesondere muß man in der Lage sein, Vorteile entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen (Quellensteuerreduzierung, steuerfreie Schachteldividenden etc.) in Anspruch zu nehmen.

Es ist nicht gerade einfach, zu den hier nur angerissenen Problemstellungen professionellen Rat zu bekommen. Manche Venture-Capital-Geber vermitteln diese professionelle Hilfe, gelegentlich können sie diese sogar selbst bieten. Wenn das nicht der Fall ist, bleibt nur die Suche nach kompetenten Beratern. Bedauerlicherweise existiert keine zentrale Einrichtung, die dieses spezielle Know-how vermittelt.

Angeklickt

Das rasante Wachstum von Start-up-Firmen im IT-Bereich erfordert sehr früh die Implementierung einer rechtlich und steuerlich optimalen Struktur, um die Gesellschaft für Dritte zu öffnen, insbesondere damit zusätzliches Kapital akquiriert werden kann. Transparenz ist Voraussetzung für das von vielen Unternehmensgründern angestrebte "Going Public". Die Beherrschung der rechtlichen und steuerlichen Grundlagen (gewerbliche Schutzrechte, Einkauf und Vertrieb, Personal, steuerliche Verhältnisse etc.) ist Voraussetzung, um bei den sogenannten Due-Diligence-Überprüfungen vor einem Börsengang Professionalität beweisen zu können.

Dr. Rolf Müller ist Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt am Main und Nürnberg sowie Mitglied des Aufsichtsrats eines jungen Software-Unternehmens.