Erweitertes Mikrocomputer-Know-how ist für Anwender entscheidend:

Rechner-Verbindung verlangt verteilbare Daten

27.09.1985

Anwender, die ihre Datenbestände adäquat gruppieren und katalogisieren oder sogar in verteilten Datenbanken speichern, sind für den Einsatz der Mikro-Mainframe-Verbindungstechnik prädestiniert. Mit der Erfüllung dieser wichtigen Voraussetzung ist jedoch nicht schon automatisch eine Entscheidung über das Wie dieser Verbindung getroffen. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Alternativen ist sehr groß: die Entscheider bewegen sich in einem Raum, dessen Dimensionen von Hard- und Software-Eigenschaften, von Übertragungsmedien, von personalpolitischen Implikationen und von der Preispolitik der Post determiniert werden - um hier nur die wichtigsten zu nennen.

Gerade die Preispolitik der Post muß in diesem Themenkreis zu den besonderen Unwägbarkeiten gezählt werden. Dies wird schnell deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß ein Datex-Modem monatlich 250 Mark, ein Btx-Modem aber nur acht Mark kostet. In welche Richtung werden sich da zukünftig die Gewichte verschieben? Niemand weiß es, also bleibt nur das aufmerksame Beobachten des Marktverhaltens dieses Monopolisten als taugliche Anwenderstrategie übrig. Es nützt dem einzelnen Anwender wenig sich damit zu trösten, daß er mit allen anderen in einem Boot sitzt. Seine Möglichkeiten, um nicht Opfer, sondern Nutznießer der modernen Kommunikationstechniken zu werden, sind anderer Art:

Der Anwender kann, ja muß sich Klarheit über sein Anforderungsspektrum verschaffen. Er kann und muß darüber hinaus seine Kenntnisse von der herkömmlichen Datenverarbeitung um detailliertes Mikrocomputer-Know-how erweitern. Er hat die Möglichkeit, wenn die Komplexität der Entscheidungssituation es ihm geraten erscheinen läßt, auf die Unterstützung durch qualifizierte externe Berater zurückzugreifen. Die beiden typischen Fälle, in denen Anwender eine Mikro-Mainframe-Kopplung vornehmen, sind:

- Durch das Vorverarbeiten von Daten soll CPU-Zeit gespart werden.

- Durch das Versenden vorverarbeiteter und komprimierter Daten vom Mikrocomputer zum Host sollen Leitungskosten gespart werden.

Im ersteren Fall gewinnt der Anwender nicht nur CPU-Zeit, indem sein Mikro den Host von Aufgaben wie etwa Text-Editieren entlastet; er bekommt zusätzlich aufgrund der intelligenten Fähigkeiten; des Mikrocomputers die Gewißheit, das am Sachbearbeiterplatz auch dann gearbeitet werden kann, wenn der Host einmal ausfallen sollte. Er muß allerdings auch den Nachteil in Kauf nehmen, daß er seine Daten auf dem Host und auf dem Mikro kaum in einer einheitlichen Version halten kann. Er kann diesen Nachteil kompensieren: Entweder, indem er einen enormen Software-Aufwand treibt (verteilte Datenbanken beispielsweise), oder indem er seine betrieblichen Abläufe den technischen Möglichkeiten (Einschränken) angleicht. Es ist, um zwei Beispiele zu nennen, nicht so wichtig, daß die Programmentwickler stets die aktuellen Daten haben oder daß die Textverarbeitung über einen Mikrocomputer läuft.

Nur kombinierte Datensätze übertragen

Im, zweiten Fall wählt der Anwender das Verfahren der Datenvorverarbeitung, um so anstelle Datensätzen nur komprimierte übertragen zu müssen. Dadurch spart er Volumengebühr im Datex-P-Netz beziehungsweise Zeitgebühr im Datex-L-Netz. Typischerweise verwenden Unternehmen mit flächend...kender, Organisation diesen Kommunikationsaufbau.

Für viele Anwender interessant ist ein Kommunikationssystem auf Basis der Datex-L-Technik, bei dem ein Mainframe-Anruf nur dann erfolgt, wenn wirklich Daten benötigt werden. Der Host schickt diese dann in komprimierter oder verschlüsselter Form; der Mikro empfängt sie und stellt - beispielsweise über das Leitungsprotokoll - fest, ob sie richtig empfangen worden sind. Der Mikrocomputer baut die Daten sofort in eine entsprechende Maske ein und schaltet im gleichen Augenblick die Leitung wieder ab. Mindestens ebenso interessant sieht derselbe Vorgang bei Datex-P aus: Der Anwender kann die Verbindung zum Host über eine ganze Sitzung hinweg ohne Pause bestehen lassen. Die komprimierten Daten werden auf dem Mikro ebenfalls in eine vorgefertigte Maske geleitet.

Das Realisieren einer Mikrocomputer-Host-Verbindung kommt für den Anwender jedoch nur dann ernsthaft in Betracht, wenn er über Datenbestände verfügt, die sinnvoll verteilbar sind. Dies kann zum einen über verteilte Datenbanken geschehen. Möglich ist jedoch auch eine Trennung der Datenbestände in aktuelle "Wirkdaten" und dauerhafte Darstellungs-/Hintergrunddaten. Erklären läßt sich dieses Modell anhand von Btx. Dort ist die Formatservice-Seite im Postrechner gespeichert und braucht vom Host nicht übertragen zu werden (Darstellungsdaten); der Host muß diese Seite mit seinen aktuellen Daten füllen (Wirkdaten).

Byte 75 verändert

Einer der Hauptvorteile des Einsatzes von Mikrocomputern wird an folgendem häufig vorkommenden Fall erkennbar: Der Host schickt einen Kunden-Datensatz zum Mikro und markiert diesen bei sich als "zu Veränderungszwecken abgeschickt". Vom Mikro kommt dann die Rückmeldung, daß das Byte Nummer 75 (oder ein anderes) verändert wurde. Von einem unintelligenten Terminal könnte der Host diese Nachricht nicht erhalten, sondern müßte den kompletten zurückgeschickten Datensatz verarbeiten. Damit sind die ökonomischen Aspekte angesprochen. Volumen- und Zeitgebühr sind - wie noch zu zeigen sein wird - nicht allzu verschieden voneinander. Zunächst sei folgendes einfache Beispiel angeführt: Ein Anwender, der sein Datenübertragungsvolumen halbiert, kann im Datex-L-Netz von einer 2400-bps-Leitung auf eine 1200-bps-Leitung hinuntergehen. Er schafft dies, indem er durch Komprimierung eine Verringerung der Ausgabe-Aktivitäten seines Mainframes erreicht. Mit der halb so schnellen Leitung hat er auch nur noch halb so hohe Leitungskosten zu bezahlen. Selbst für HfD-Anwender kann dieses Verfahren im Einzelfall interessant sein.

Um ein Maximum an Durchblick zu erhalten, sei im folgenden ein Kostenvergleich zwischen den verschiedenen Übertragungsarten vorgenommen. Dabei wird die Alternative "Standleitung" allerdings nicht berücksichtigt, da sie in aller Regel zu teuer ist und die Installation von Mikrocomputern zum Zweck der Reduzierung der Standleitungskosten kaum sinnvoll sein dürfte. Wirklich interessant wird das HfD-Netz wohl erst dann werden, wenn das ISDN Realität geworden ist.

Dreißig Kunden täglich

Für den Kostenvergleich muß ein Standardfall angenommen werden den man sich so vorstellen kann: Es handelt sich um einen Versicherungsvertreter, der - gelenkt von der Zentrale - seine Kundengeschäfte abwickelt. Er bearbeitet an zwanzig Arbeitstagen pro Monat dreißig Kunden täglich. Pro Kundendatensatz werden 1000 Byte komplett übertragen. In 15 Fällen kommt es zu Abfragen (die Übertragung geht also nur in eine Richtung), in 15 Fällen kommt es zu Änderungen (die Übertragung erfolgt demnach in zwei Richtungen). Der Anschluß auf dem Host für Datexdienste, Btx und so weiter leistet 48 Kilobit pro Sekunde, auf Mikro-Seite befinden sich Datex-Anschlüsse mit 2400 bps. Die Datenübertragungszeit wird mit fünf Sekunden angenommen, ebenso die Aufbauzeit (Log-on-Zeit) im Host. Die Verbindungszeit zwischen Mikro und Mainframe beträgt mithin zehn Sekunden pro Aktion. Angenommen wird ferner, daß 100 Terminals verteilt im Bundesgebiet eingesetzt sind.

Folgende Kosten fallen an:

- Telefon im Nahbereich 288 Mark pro Monat und Vertreter plus 30 Mark Kostenanteil am Host (Modem)

- Datex-L unter 50 Kilometer 348,40 Mark pro Monat und Vertreter plus 20 Mark Kostenanteil am Host

- Datex-L über 50 Kilometer 406 Mark pro Monat und Vertreter plus 20 Mark Kostenanteil am Host

- Datex-P 353,40 Mark pro Monat und Vertreter plus 26 Mark Kostenanteil am Host

Bezieht man Btx in den Vergleich ein, so ist zusätzlich die Annahme zu treffen, daß fünf Btx-Seiten zum externen Rechner übertragen werden müssen. In diesem Fall kommen auf den Benutzer eines einfachen Btx-Terminals monatlich 326,80 Mark plus 31,50 Mark anteilige Hostkosten dazu.

Zur relativ günstigen Positionierung von Btx muß jedoch angemerkt werden, daß Btx auf dem Gebiet der zweiseitigen Kommunikation gewisse Nachteile aufweist. Dagegen ist es ausgesprochen wirtschaftlich, seine Korrespondenz mit Mikro-Hilfe abzuwickeln und dabei - vorzugsweise in den Abendstunden - Nachrichten zum Host zu schicken und/oder Host-Auswertungen auf dem Mikrocomputer zu empfangen.

Wirtschaftlich attraktiv dürfte für viele Anwender auch die Möglichkeit des Datex-Netzes sein, die 48 Kilobit-Leitung des Hosts in 20 Leitungen mit 2400 bps aufzuspalten. Bei dem hier angenommenen 100-Terminal-Netz bedeutet dies 20-Mark pro Anschluß. (Der 48-Kilobit-Anschluß kostet 2000 Mark im Monat.) Den 100 Terminals stehen damit insgesamt 20 Anschlüsse zur Verfügung, was Zeitverzögerungen aufgrund belegter Leitungen so gut wie ausschließt. In dem hier untersuchten Fall dauert die Verbindungsdauer für ein Terminal zehn Sekunden; rein rechnerisch steht für diese zehn Sekunden aber eine Zeitspanne von zirka 15 Minuten zur Verfügung.

Georg Seidel ist Fachbereichsleiter Data Communications in der Geschäftsstelle Düsseldorf von Cap Gemini Deutschland.