Ratgeber: Tipps zur Stammdatenpflege

24.02.2005
Von Joachim Lumpe
Durch Stammdatenkonsolidierung lassen sich Abläufe beschleunigen. Doch sollten Firmen einige Regeln beachten, damit sie in kein Informationschaos geraten.

Stammdaten - jeder braucht sie, nur das Hegen und Pflegen fällt nicht immer leicht. Eine solide Datenbasis mit einheitlichen Informationen über Kunden, Produkte, Lieferanten und Vertriebspartner ist ein wesentlicher Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor, der allerdings nur allzu häufig übersehen wird. Bei der Optimierung des Stammdaten-Managements gilt es, bestimmte Regeln zu beachten.

Den Stellenwert für das Gesamtunternehmen nicht unterschätzen

Stammdaten sind der Schmierstoff für Geschäftsprozesse - wenn hier etwas nicht stimmt, hakt es in allen Bereichen. Nur wenn alle Unternehmensteile auf die gleichen und aktuellen Produktdaten zurückgreifen, können Einkauf, Fertigung und Vertrieb reibungslos miteinander kommunizieren.

Vor dem Beginn der technischen Umsetzung müssen Firmen eine unternehmensspezifische Stammdatenstrategie entwickeln. Eine genaue Analyse gibt Aufschluss über die Auswirkungen auf die betroffenen Prozesse.

Change-Management ist Bestandteil des Projekts

Das Stammdaten-Management ist zu einem großen Teil auch Change-Management. Der Grund: Mit der Einführung einer neuen Stammdatensystematik ändern sich Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche und Freiheitsgrade. Mit Letzterem sind Freiheiten in der Arbeitsgestaltung und -organisation gemeint, die in Insellösungen möglich waren beziehungsweise unbemerkt blieben.

Im Extremfall kann beispielsweise eine Stammdatenharmonisierung und -konsolidierung bei Kundendaten die Zuständigkeiten derart beeinflussen, dass sich die gesamte Vertriebsorganisation verändern muss. Damit nicht genug: Transparente Geschäftsprozesse sind für das Management ein Segen, werden aber von den Mitarbeitern häufig als Gefahr wahrgenommen. Ihre potenziellen Konsequenzen führen zu Ängsten, denen die Unternehmensführung begegnen muss.

Um eine neue Stammdatenstrategie umzusetzen, sind Maßnahmen zur Aufklärung der Betroffenen sowie ein internes Marketing des Projekts unabdingbar, damit die Mitarbeiter die Veränderungen lernen und akzeptieren.

Zentralisierungstiefe der Stammdaten festlegen

So unterschiedlich die Unternehmensstrategien sind, so vielfältig sind die Lösungen für ein gutes Stammdaten-Management. Eine effiziente Struktur muss sowohl den Anforderungen zentraler Instanzen (globale Auswertung beziehungsweise Steuerung) als auch den dezentralen Einheiten (Flexibilität und Geschwindigkeit) genügen. Daher ist der springende Punkt der Stammdatenstrategie, welche Daten zentral und welche dezentral verwaltet werden sollen. Einem Konzern mit völlig getrennten Geschäftsgebieten beispielsweise wäre mit einer zentralen Gesamtlösung schlecht gedient. Sie ist jedoch ein Muss, wenn Unternehmenseinheiten über Produktionsnetze gemeinsam fertigen und vertreiben.

Auch die Frage der logistischen Lösbarkeit spielt eine große Rolle. In der chemischen Industrie müssen Unternehmen zum Beispiel genau abwägen, ob es sinnvoll ist, die Daten zu Materialien und Rezepturen zentral zu pflegen oder nur Materialinformationen zu zentralisieren, während die Rezepturdaten in den dezentralen Produktionsstätten verbleiben. Denn auf der einen Seite sind die Rezepturen Basis der Produktkostenrechnung, und das Controlling wünscht sich aus Gründen der Kostentransparenz, dass die Herstellkosten eines Produktes in allen Werken identisch kalkuliert werden. Auf der anderen Seite berücksichtigt eine dem Controller entgegenkommende zentrale Stammdatenverwaltung die Spezifika der Produktionsstandorte nicht genau genug, als dass sich diese Daten inhaltlich verantworten ließen.

Projektaufwand realistisch einschätzen

Firmen sollten sich darauf einstellen, dass ihr Stammdaten-Management-Projekt mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. In der Regel verfügt ein Unternehmen über 30 bis 50 Haupt-Stammdatenobjekte. Diese reichen von Daten zu Produkten, Kunden und Lieferanten bis hin zu Prüfcharakteristika der hergestellten Ware in der Qualitätssicherung.

Für jedes Objekt ist ein Verwaltungskonzept zu erarbeiten. Daran schließt sich die Konsolidierung und Harmonisierung der Stammdatenobjekte an. Hierbei bedeutet Konsolidierung vor allem das Herausfiltern von redundanten Daten aus verschiedenen Datenbeständen. Häufig erkennen Unternehmen erst während der Konsolidierung, wie oft ein Kunde X in ihren Systemen existiert - meist nur in verschiedenen Schreibweisen, manchmal mit verschiedenen Adressen, wenn er umgezogen ist.

Die Harmonisierung der Stammdaten konzentriert sich darauf, dass identische Attri- bute auch Identisches meinen beziehungsweise dass es für eine Klassifizierung auch wirklich nur eine relevante Ausprägung gibt. Datenkonsolidierung und -harmonisierung können zwar mit Tools unterstützt werden, allerdings ist hier auch viel Hand- und Kopfarbeit nötig. Es gibt eben kein technisches Werkzeug, das entscheiden kann, ob der Kunde X in der Stadt XY identisch ist mit dem Kunden XX in der Stadt YZ. Jedes Unternehmen muss sich daher im Klaren darüber sein, dass die Einführung einer unternehmensspezifischen Lösung nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist.

Nicht warten: Ausgangspunkt ist der Status quo

Viele Unternehmen machen den Fehler, mit der Harmonisierung zu warten, bis eine endgültige Stammdatenstruktur definiert ist. Dies ist wenig effizient. Firmen sind besser beraten, von den bereits vorhandenen Strukturen auszugehen. Sobald die relevanten Stammdatenobjekte identifiziert sind, kann auf der existierenden Datenbasis be- gonnen werden. Dies birgt natürlich das Risiko, dass sich bestimmte Elemente später als irrelevant herausstellen. Letztlich überwiegt jedoch die Zeitersparnis.

Auf bestimmte Vorgaben sollten sich die Verantwortlichen hingegen möglichst frühzeitig festlegen. Dazu zählt beispielsweise die Definition einer einheitlichen Produkthierarchie. Wird hiermit erst spät begonnen, läuft das Team Gefahr, den gesetzten Zeithorizont zu verfehlen.

Diese Hierarchie ist generell erst einmal eine generische Struktur, der die Materialien dann zugewiesen werden. Diese hat allerdings sehr weit reichende betriebswirtschaftliche Konsequenzen etwa für die Produktkalkulation. Beschäftigt sich ein Team frühzeitig damit, kommt es früher oder später zu erheblichen Diskussionen und Änderungsbedarf. Das sprengt in der Regel jeden Projektplan.

Effiziente Verteilung und Überwachung

Wenn sich ein Unternehmen für eine zentrale Stammdatenverwaltung entscheidet, muss sichergestellt sein, dass die gewünschten Daten in angemessener Zeit in den entsprechenden Zielsystemen vorhanden sind. Dabei hängt es von den jeweiligen Geschäftsprozessen ab, wie rasch die Informationen zur Verfügung stehen müssen, beispielsweise sofort, stündlich oder täglich. Hier gibt es Batch- sowie ereignisgesteuerte Verteilmechanismen. Besonders wichtig: Die Verteilvorgänge müssen nicht nur gesteuert, sondern auch überwacht werden.

Datenpflege über Workflows vornehmen

Von großer Bedeutung ist es ferner, frühzeitig die Abläufe zur Stammdatenpflege zu ordnen. Dazu gehört das Anlegen, Ändern sowie Löschen von Datenobjekten. Hier kommt es darauf an, Zuständigkeiten und Kommunikationsflüsse klar zu definieren. Dies zieht fast zwangsläufig organisatorische Veränderungen nach sich. Für Änderungs- und Freigabeprozesse bieten sich Workflow-Engines an. Mit ihnen können Firmen beispielsweise den Prozess "Materialanlage" gestalten und über verschiedene Benutzer hinweg steuern. Hat ein Workflow-Teilnehmer die Daten im System angelegt, nimmt das Programm diese Änderungen auf und benachrichtigt den nächsten User. Der gesamte Eingabe- und Änderungsprozess erfolgt so nach einem festgelegten Schema, in dem sich alle Schritte zurückverfolgen lassen.

Ohne detaillierte Dokumentation geht nichts

Zu guter Letzt kommt es beim Stammdaten-Management wie bei allen anderen Projekten auch auf die genaue Dokumentation der definierten Prozesse und Entscheidungen an. Zu jedem Zeitpunkt sollte genau nachzuvollziehen sein, warum eine Entscheidung so und nicht anders ausgefallen ist. Nur auf diese Weise behalten alle Projektbeteiligten einen genauen Überblick und können auch noch mit einem zeitlichen Abstand einmal gefällte Entscheidungen plausibel darstellen. (fn)