Rationalisierungs- und Qualitätspolitik werden nicht aufeinander bezogen:

Qualitätsdefizite durch passives Management

23.06.1989

Vom Was zum wie

Bis zur Folge 12 dieser Serie ging es im wesentlichen darum, aufzuzeigen, in welchem Verhältnis überhaupt das Thema Qualitätsförderung zum Begriff der Arbeit, ferner zu Unternehmensziel und -organisation steht, mithin also indirekt um die Gesamtproblematik der Informationsverarbeitung im Unternehmen. Ab Folge 13 werden die Umsetzungsstrategien gezeigt. Wege, wie die gewonnenen Erkenntnisse in die betriebliche Praxis umgesetzt werden können. Die einzelnen Teile dieser Serie beziehen sich auf eine Buchveröffentlichung der obengenannten Autoren vom März dieses Jahres im Campus Verlag. Titel: "Qualitätsförderung im Büro " Preis: 34 Mark

Qualitätsförderung im Büro geht alle an; sie ist nicht delegierbar und kann nicht einer gesonderten Funktionseinheit übertragen werden. Qualitätsförderung setzt klare Zielsetzungen voraus und muß ihren Niederschlag finden in der Geschäfts- und Rationalisierungspolitik des Unternehmens - deshalb kommt dem Management, insbesondere dem Spitzenmanagement, eine Schlüsselrolle zu.

- Prof. Friedrich Weltz, Dr. Heinrich Bollinger und Dipl. - Soz. Roll Ortmann sind Mitglieder der sozialwissenschaftlichen Projektgruppe, München.

In der Fertigung, wo sich die Qualität von Zwischen- und Endprodukten objektiv am Produkt, das heißt unabhängig vom jeweiligen Aufgaben und Verwertungszusammenhang, messen läßt, kann die Qualitätsprüfung und -förderung durch spezialisierte Funktionseinheiten vorgenommen werden. Im Bürobereich kann diese Aufgabe nicht an eine Stabsstelle oder einen. "Qualitätsbeauftragten" delegiert werden. Letztlich muß der Prozeß integrierter Qualitätsförderung Ergebnis einer konzertierten Aktion von Geschäftsführung, Zentralstellen wie Organisation, Personal, Aus- und Weiterbildung) und Fachbereichen sein. Allerdings - dieser Prozeß der integrierten Qualitätsförderung muß in Gang gesetzt und am Leben erhalten werden. Dies erfordert einen Promotor. Die Aufgabe des Promotors besteht darin,

- Maßnahmen zur Qualitätsförderung zu konzeptualisieren, einzurichten und zu koordinieren;

- Qualitätsveranstaltungen zu organisieren und zu moderieren;

- die Ergebnisse der Veranstaltungen festzuhalten und - wo nötig - Entscheidungsvorlagen aufzubereiten;

- über Verlauf und Ergebnisse der Qualitätsförderung dem Management zu berichten.

Der Promotor ist nicht - im Gegensatz zur Qualitätsstelle in der Produktion - selbst für Qualität und Qualitätsverbesserung der Büroarbeit verantwortlich. Er ist Moderator, Betreuer und Berater im Prozeß der Qualitätsförderung. Grundsätzlich kann diese Promotorfunktion verschiedenen Bereichen zugeordnet werden: der Organisation, dem Personalbereich und dem Ausbildungswesen. Vieles spricht für eine Zuordnung zum Organisationsbereich: Qualitätsförderung im Büro heißt vor allem auch anforderungsgerechte Gestaltung von Arbeitsstrukturen und -abläufen.

Doch wichtiger als die Zuordnung zum einen oder anderen Bereich ist die enge Verbindung zur Geschäftsleitung. Nur wenn der Qualitätspromotor seinen Auftrag direkt von der Geschäftsleitung erhält und voll von ihr unterstützt wird, kann Qualitätsförderung dauerhaft das notwendige Gewicht im Arbeitsgeschehen des Unternehmens erhalten. Qualitätsförderung ist Unternehmenssache - und damit unmittelbare Managementaufgabe.

Gemeinhin betonen Manager - so sie sich zum Thema Qualität äußern - die besondere Wichtigkeit von Produktgestaltung für die Sicherung der Marktposition sowie die Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters für die Sicherung hoher Qualität. "Hohe Qualität von Produktion und Dienstleistungen ist eine der Grundlagen erfolgreicher Geschäftstätigkeit. Sie ist ein wichtiges Kriterium für die Kaufentscheidung und bildet ein zuverlässiges Band zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden." Nimmt man diese Aussagen eines Spitzenmanagers, so kann eigentlich kein Zweifel bestehen, daß Qualitätsförderung als wichtige Aufgabe und Verpflichtung gesehen wird - auch im Büro.

Qualitätsfeindliche Organisationspraxis

Hält man sich jedoch an die Praxis, dann sind kaum weitreichende Konsequenzen zu erkennen: Einzelnen, isolierten Maßnahmen - Qualitätszirkel, Leitsätze, Appelle an die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter - steht eine Führungs- und Organisationspraxis gegenüber, die vielfach als eher qualitätsfeindlich angesehen werden muß.

Philip B. Crosby sieht genau darin eine der wichtigsten Ursachen für die Qualitätsprobleme in der amerikanischen Wirtschaft. "American business has had all the problems it has with quality because it doesn't take the subject seriously. We have to be as concerned about quality as we are about profit".

Crosby, Philip B.: Quality Without Tears. New York, Scarborough, Ontario, 1985, S. 172/173.

Das Spitzenmanagement vieler Unternehmen hat sich zu wenig um die strukturellen Erfordernisse hoher Qualität von Büroarbeit gekümmert. Die markigen Äußerungen zum Thema Qualität widersprechen dem nicht, sondern bestätigen dieses Versäumnis: Qualität als Frage der Motivation der Mitarbeiter, nicht als Managementverantwortung. Klassisches Beispiel für dieses Desinteresse gegenüber den strukturellen Qualitätsvoraussetzungen ist das fehlende Engagement des Spitzenmanagements in vielen Unternehmen beim Einsatz der neuen Bürotechnik.

Schwerwiegender noch ist die mangelnde Berücksichtigung des Themas. Qualität" im Zusammenhang mit der betrieblichen Rationalisierungspolitik: Oft werden im Bemühen, Kosten zu reduzieren, auch gut funktionierende Kooperationsstrukturen und Abläufe verändert und damit Voraussetzungen für Qualitätsarbeit beeinträchtigt. Rationalisierungs- und Qualitätspolitik stehen nebeneinander und werden nicht aufeinander bezogen.

In vielen Unternehmen gilt, daß externe Kunden eine bessere Behandlung erfahren als interne Kunden. Der Verbesserung der Qualität von Dienstleistungen nach außen wird erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt, die Qualität interner Zuarbeit und Kooperation wird vernachlässigt. Indem man Qualität thematisiert als Frage der Motivation der Mitarbeiter, versucht man, das Pferd vom Schwänze her aufzuzäumen: Ursache von Qualitätsdefiziten - so stellten wir fest - sind vor allem fehlende oder unklare Zielvorgaben, hoher Legitimationsdruck, zu komplexe Leitungsstrukturen und Arbeitsabläufe - allesamt Bedingungen, die nicht von unten her, sondern nur von "oben" verändert werden können. Stärker als im Fertigungsbereich gilt im Büro: Qualitätsdefizite verweisen immer auch auf Managementdefizite.

Keine Qualitätsförderung ohne Konflikte

Eine langfristige, wirksame Qualitätsförderung im Büro ist ohne aktiven Beitrag des Spitzenmanagements nicht möglich. Dies zu erreichen, muß der erste Ziel- und Ansatzpunkt von "Qualitätskampagnen" sein. Nicht Appelle an das Qualitätsbewußtsein der Mitarbeiter, sondern Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit an der Spitze müssen am Beginn einer gezielten Politik der Qualitätsförderung stehen. Das Spitzenmanagement ist dabei in mehrfacher Hinsicht gefordert, indem es

- die Formulierung einer Qualitätspolitik aktiv mitträgt und vertritt;

- Maßnahmen der Qualitätsförderung hohe Priorität zuerkennt;

- die Durchführung und Wirkung von Qualitätsförderung nicht durch geschäfts- oder rationalisierungspolitische Maßnahmen unterläuft;

- Ressort- und Bereichsdenken aktiv entgegentritt;

- für die eigene Tätigkeit Qualitätsstandards definiert und sich diesen unterwirft. Wie sollen Mitarbeiter der Aufforderung zu finalem Denken und verantwortungsorientiertem Arbeiten nachkommen (können), wenn das Management selbst nicht entsprechend handelt?

Qualitätsförderung im Büro bedarf der systematischen und kontinuierlichen Anstrengung aller Beteiligten. Wir halten es für eine Illusion, was Philip B. Crosby im Titel seines Buches verspricht: "Quality Without Tears". Es gibt keine Qualitätsförderung ohne Konflikte, ohne Anstrengung und Aufwand. "Qualitätsförderung tut weh" müßte man eher formulieren, erfordert sie doch nicht zuletzt die Bereitschaft, heiße Eisen anzufassen, schlafende Hunde zu wecken und alte Zöpfe abzuschneiden - und das geht selten "ohne Tränen".