Management-Methoden für die vierte Generation:

Prototyping kann Projekt auch komplizieren

11.01.1985

Glaubt man der zunehmenden Zahl von Software-Hochglanzprospekten, so ist das Wunderzeitalter der "vierten Generation" bereits angebrochen. Anwendungsgeneratoren, Fourth-Generation-Sprachen, relationale Datenbanken und höhere aktive Datenverzeichnisse versprechen enorme Vorteile: etwa eine zehnfache Produktivität und Anwendbarkeit selbst durch ungeschultes Personal.

Obgleich keine Produktgruppe bereits sämtliche dieser Vorteile bieten kann, beginnt die Suche nach geeigneten Anwendungs- und Implementierungsmethoden, sobald die Produkttypen eingesetzt werden. Um der neuen Methodologie als auch den neuen Produkten gerecht zu werden, erhebt sich die Frage nach notwendigen Änderungen im Aufbau der jetztigen DV-Abteilung.

Alte Methoden erschweren 4GL-Kommunikation

Für die vierte Generation wurde bisher kein kohärenter Satz an Methoden und Standards vorgeschlagen. Verfahren der dritten Generation wie Einheiten-Analyse, Geschäftssystemplanung, Datenanalyse der dritten Normalform und Funktionsanalyse waren in den wenigen Fällen ihrer Anwendung nicht erfolgreich. Sie werden daher in der 4GL-Konfiguration nicht von Nutzen sein, zumal die alten Methoden die Kommunikation erschweren, da sie zeitraubend sind und mit zusätzlichen Ebenen und Kategorien von Mitarbeitern einhergehen.

Für die aufstrebende vierte Generation ist die Prototypisierung (auch "Protocycling") das am häufigsten empfohlene Verfahren. Es eignet sich zweifellos für viele Situationen, birgt jedoch zwei Risiken: Zum einen handelt es sich nicht um eine umfassende Disziplin; jeglicher Hinweis auf Durchführungsmöglichkeiten für Tätigkeiten wie Gesamtdatenentwurf und -management fehlen. Zum anderen ist die Prototypisierung nur eine höfliche Art, viele Fehler innerhalb einer kurzen Zeitspanne einzuräumen. Die Software-Tools verlieren ihren Wert, wenn wegen fehlender Disziplin oder "unfähigen" Mitarbeitern zu viel Zeit für die Fehlerbehebung beansprucht wird.

Nur einfache Anwendungen versprechen Erfolg

Ein Risiko des Konzeptes der vierten Generation liegt in der Art der eingesetzten Tools und in der Vielschichtigkeit der Anwendungen. Erweist sich die 4GL-Software nur ein Viertel oder Fünftel so produktiv, wie vom Verkäufer behauptet, und die Anwendung als doppelt so kompliziert, wie angenommen, verschlechtert sich die Situation um den Faktor acht bis zehn. Das Prototypisierungsverfahren erwiese sich als nutzlos, und man müßte auf die mühselige Projektstruktur der dritten Generation zurückgreifen.

Die Prototypisierung ist nur erfolgversprechend, wenn sicher feststeht, daß es sich um unkomplizierte Anwendungen handelt. Die Handhabung der Tools muß hochgeschulten Mitarbeitern übertragen werden, um die Bedürfnisse des Anwenders rasch zu erkennen und die Daten-Unterstruktur nicht durch schlechten Entwurf oder unsachgemäßes Zugreifen beziehungsweise Updaten geschädigt wird.

Informationsmanager, die eine einfache Prototypisierung durch weitere Methoden ergänzen möchten, sollten zuvor Personalqualität und Organisationsstruktur prüfen. Die Erfahrung zeigt, daß bei einer 4GL-Konfiguration nicht jeder Analytiker oder Programmierer zum direkten Umgang mit Endbenutzern fähig ist. Es bedarf hochqualifizierter, geschäftsorientierter Analytiker und Designer, für die es selbstverständlich ist, die 4GL-Tools direkt zu handhaben.

Oft sind die eigenen Mitarbeiter nicht qualifiziert oder erfahren genug, um auf überzeugende Weise in das benutzergestützte Prototypisierungsschema integriert zu werden. Zur Verbesserung dieser Situation haben sich zwei Maßnahmen als sinnvoll erwiesen: Zum einen wird der Analytiker in der Benutzerabteilung untergebracht, die häufig dem örtlichen Benutzermanagement - nicht der DV - Bericht erstattet, wodurch gewissen politischen Fragen aus dem Weg gegangen wird.

Zum anderen kann das Risiko gemindert werden, indem man die Anwendung vor Durchlaufen des Prototypisierungsprozesses bewußt vereinfacht.

Eine laufende Kontrolle des Datenentwurfs innerhalb der DV ist unerläßlich, ein hohes Maß an Prototypisierungs- und sonstigen anwendungsbezogenen Entwicklungsarbeiten kann inzwischen effizient und mit angemessener Benutzerkontrolle draußen in der Benutzerumgebung erfolgen.

Dieser Beitrag wurde entnommen aus "Information Management Directions" der European Software Company, 250 Avenue Louise, B 113, B-1050 Brüssel.