Professor Dr. Eberhard Laux Vizepräsident des Ausschusses für wirtschaftliche Verwaltung in Wirtschaft und öffentlicher Hand e. V., Düsseldorf Der große Unbekannte ist der Mensch der 80er Jahre lch möchte einige Bemerkungen zur kommerziellen, vor allem

14.09.1979

Professor Dr. Eberhard Laux

Vizepräsident des Ausschusses für wirtschaftliche Verwaltung in Wirtschaft und öffentlicher

Hand e. V., Düsseldorf

Der große Unbekannte ist der Mensch der 80er Jahre

lch möchte einige Bemerkungen zur kommerziellen, vor allem zur administrativen Anwendung von Techniken der Automation machen.

Was die achtziger Jahre hier bringen werden, ist im Prinzip bekannt. Systeme, die heute noch nicht in der Entwicklung abgeschlossen sind, können auch in einigen Jahren nicht auf dem Markt sein. Das ist alles errechenbar, Gegenstand von allgemeinen und speziellen Studien aller Art. Der große Unbekannte ist der Mensch der achtziger Jahre. Niemand, der sich mit technologisch-organisatorischen Problemen befaßt, kann und darf über drei wesentliche Faktoren, die gesellschaftspolitisch von tiefer Wirkung sind, hinwegsehen:

þDie schwer auszulotenden Probleme der Energieversorgung und der absolute Vorrang von Fragen künftiger Energiepolitik.

° Das zunehmende Gewicht ökologischer Probleme, die unseren Lebensraum betreffen.

þDie immer stärkere Entfremdung des einzelnen von den technischen und organisatorischen Entwicklungsproblemen.

Eine solche Konstellation erzeugt geheime Ängste und Sorgen. Nun ist Angst immer ein schlechter Ratgeber gewesen; sie verführt zu unvorhersehbaren Reaktionen. Die Meinung, an Grenzen des Machbaren angelangt zu sein, muß und wird auch die Einstellung zur Technik allgemein stärker prägen und die Zweifel am Zweck organisatorischer Änderungen verstärken.

Eigentlich ein Fortschritt

Das sind alles soziale Prozesse die nicht plötzlich entstehen oder sichtbar werden. Sie existieren und müssen von jedem, der verantwortlich handelt, erkannt werden. Dazu ein Beispiel: Eigentlich müßte die Einführung von automatisierten Systemen in der Schriftgutherstellung, zum Beispiel von Schreibautomaten, bei den deutlichen Vorzügen gegenüber jetzt vorhandenen Aggregaten ein allgemein begrüßter Fortschritt sein. Vielfach ist das Gegenteil der Fall. Dabei ist nicht ein intellektuelles Unverständnis zu beobachten; man versteht das alles recht gut. Aber mit zahlreichen Scheinargumenten wird eine ablehnende Haltung des weniger "Greifbaren" begründet. Offenbar ist gerade die Vielseitigkeit neuer Systeme das, was nicht gewollt ist.

Darüber sind Chefs, Organisatoren, Fachleute des Vertriebs oft erstaunt. Dabei ist eine solche Reaktion leicht erklärlich. In jeder Organisation brauchen Menschen eine einfache Orientierung und wollen kein ständiges Denken in komplizierten Zusammenhängen, deren Anfang und Ende sie ohnehin nicht erfahren. Das Auto, ein hochentwickeltes technisches System, vermittelt das unmittelbare Erlebnis des Fahrens; die Computertechnik entzieht sich der Anschaulichkeit.

Bei der geschilderten Grundstimmung kann man nun nicht mit der Blauäugigkeit von technisch-organisatorischen Spezialisten zu Werke gehen. Zudem hat sich vielfach erwiesen, daß die Hoffnung auf größere Wirtschaftlichkeit durch Einsatz Computer-gestützter Technik sich in manchen Bereichen zumindest mittelfristig nicht erfüllt hat. Das gelegentliche Versagen gegenüber einer vernünftigen Betrachtung der Wirtschaftlichkeit, das Übergewicht des Verkaufens, dem sich vielfach der Organisator angehängt hat, wurde oft mit nebulösen Begriffen wie Effizienzsteigerung kaschiert.

Die Probleme des Lesens und Verstehens beim Empfänger von Leistungen Computer-gesteuerter Technik, die sich vielfach in Papieren niederschlagen, sind manchmal so unverantwortlich mißachtet worden, daß die Zweifel an der Verbesserung der Lebensqualität durch automatisierte Datenverarbeitung mit Sicherheit verstärkt worden sind. Man ist heute auch noch gelegentlich versucht, dem gegenüber, was an Ausdrucken aller Art dem Empfänger auf den Schreibtisch kommt, harte Worte zu gebrauchen. Dem Betroffenen wird oft die Beherrschung von Chiffrierkünsten abverlangt, ein Ergebnis völliger Gedankenlosigkeit. All das kann sich bitter rächen, wenn Fachleute, die Systeme entwickeln und in Systemen denken, eben nicht in solchen Fragen systematisch zu Ende denken.

Man mag hier einhaken und entgegnen, wachsende Rationalität durch bessere Bildung müsse man schon einkalkulieren; denn einen blanken Unverstand könne man nicht zur Voraussetzung fortschrittlichen Handelns machen. Richtig. Aber man muß gelegentlich über den Rand des Tellers schauen. Die neuen Überlegungen zu besserer Hilfe der Länder der Dritten Welt geben zum Beispiel ein deutliches Signal, was die anbietende Seite gut oder nicht gut bewältigt hat. Die Intellektualität des Computerfachmanns ist eben nicht die der vielen, und hochgezüchtete Denkgebilde sind nun einmal nur ein Element einer Realität, aber nicht sie selbst.

Was ist zu tun?

1. Jedes technisch-organisatorische System muß wesentlich stärker auf seine Akzeptanz geprüft werden.

2. Die Bemühungen um Einsicht, Verständnis und Erkenntnis und beim Nutzer müssen verstärkt werden. Der in sozial-psychologischen Problemen geschulte Organisator darf nicht erst dann eingesetzt werden, wenn, um eine politische Floskel zu gebrauchen, "die Pferde nicht saufen wollen".

3. Die Frage, was kann dem Menschen, dem Kunden, dem Empfänger überhaupt zugemutet werden, muß viel ernster genommen werden als bisher. Sonst treiben wir ihn in eine undifferenzierte Ablehnung oder in eine saloppe Haltung gegenüber der Technik, die Ursache mancher kostspieliger Fehlleistungen sein kann Der Test an der Basis ist von gleichem Rang wie der der technischen Funktionsfähigkeit.

4. Bei der wachsenden Belastung der Gesellschaft durch Kosten für die Deckung elementarer Bedürfnisse muß viel deutlicher gemacht werden, daß gerade diese Situation nur mit verbesserten technischen Systemen zu bewältigen ist. Die Versäumnisse in der Diskussion um den Atomstrom sollten für alle eine Warnung sein.

Neue Qualität der Stabsarbeit

Das alles erfordert eine neue Qualität der Stabsarbeit, eine der technischen Entwicklung angemessene breitere Dimension des unternehmerischen Denkens, einen Typ des Beraters, der sowohl die technisch-wirtschaftlichen Probleme wie auch die ihrer sozialen Auswirkung kennt und nicht einen einseitigen Standpunkt in der beliebten Konfrontation von Technikern und Ökonomen auf der einen, Sozialwissenschaftlern und Pädagogen auf der anderen Seite einnimmt.

Zu einfache Rezepte? Vielleicht. Nur, handeln wir überall danach?