Informatik-Studenten sollten Praxisluft schnuppern:

Praktikum als Türöffner für den Jobeinstieg

12.02.1988

Das Praktikum erfreut sich bei den meisten Studenten keiner großen Beliebtheit. Dabei bietet Erfahrung vor Ort besonders in der Informatik-Branche angehenden DV-Experten die Möglichkeit, später auch in das Unternehmen einzusteigen, in das sie bereits "reingeschnuppert" haben. Adrian Schommers, Mitarbeiter des Pressereferats bei der GEI, Gesellschaft für Elektronische Informationsverarbeitung, Aachen, beschreibt die Chancen, die ein Praktikum bietet.

Praktika zählen als lästig empfundene Vorbedingung zu Studium um Diplom. Unter Studenten sind sie umstritten. Nahezu sieben Monate "verlorene Zeit" sind manchem zuviel: Ein altes Berichtsheft abzuschreiben und den benötigten Firmenstempel zu ergaunern, gilt allenfalls als Kavaliersdelikt. Praktikum, ein, nicht mehr ernst zu nehmendes Relikt?

Spätestens beim Einstellungsgespräch des frischdiplomierten Ingenieurs entpuppt sich das Praktikum freilich als ein Thema. Schließlich sind Praktika und Tätigkeiten als Werkstudent meist die einzigen Berufserfahrungen des Bewerbers.

Auslandspraktiker stehen hoch im Kurs

Die Zusammenstellung der einzelnen Etappen eines Praktikums gibt dem Stellenanbieter nämlich durchaus Anhaltspunkte zur Beurteilung, ob der Bewerber konsequent ein bestimmtes Ziel verfolgt, das zur ausgeschriebenen Stelle paßt, oder ob er versucht, sich in unterschiedlichen Firmen einen breiten Horizont zu verschaffen. Auslandspraktika stehen beispielsweise hoch im Kurs, besonders, wenn sie in England oder in den USA absolviert wurden. Es lohnt sich, schon im Hinblick auf den späteren Berufseinstieg, die Spielräume bei der Wahl der Praktikumsplätze zu nutzen. Die meisten Praktikums-Richtlinien empfehlen ja auch Maximalzeiten von zwei bis acht Wochen auf einem Praktikumsplatz.

Sich selbst erleichtert der angehende Ingenieur ebenfalls die Entscheidung, welche Stelle für den Berufseinstieg die richtige ist, wenn er sein Praktikum geplant angeht.

Nicht selten ist ein Praktikum das Debüt des späteren Mitarbeiters gewesen. Besonders in der Informatik-Branche mit ihrem chronischen Fachkräftemangel haben Praktikanten die Chance, sich zu profilieren. Bei Softwarehäusern sind Praktikanten immer willkommen. Während eines Praktikums können Vorgesetzte in spe, den Mitarbeiter weit besser als beim Bewerbungsgespräch kennenlernen. Auch auf dem Praktikanten lastet nicht der Druck, bereits vollprofessionell arbeiten zu müssen, um sich zu bewähren. Allgemein gilt: "Ein erfolgreiches Praktikum ist wie eine vorweggenommene Probezeit."

Bei einem späteren Stellungswechsel allerdings spielt das Praktikum keine Rolle mehr.

"Wirklich lernen könne man im Praktikum jedoch wenig", lautet ein weit verbreitetes Vorurteil. Gewiß sind die Praktika viel zu kurz zum Erlernen einer handwerklichen Disziplin, aber das ist auch gar nicht ihr Sinn: Ihr Zweck ist es vielmehr, einen Einblick in die Organisation und die Arbeitsmethoden der Praxis zu gewinnen. Die meisten Praktikanten lernen nämlich zum ersten Mal Betriebsalltag kennen: sie werden mit Denk- und Umgangsweisen von Mitarbeitern und Vorgesetzten konfrontiert. Ferner entdecken sie, daß es neben offiziellen auch informelle Strukturen gibt. Die gewiß nicht epochalen Erkenntnisse, die ein Praktikant in der kurzen Zeit sammeln kann, zahlen sich nicht heute, aber später aus. Schließlich sind die Praktikanten von heute die Führungskräfte von morgen.

Besonders viel Verständnis finden Praktikanten in Abteilungen oder Betrieben, die viele Hochschulabsolventen beschäftigen. Sie können häufig Einblick in Problemstellungen und Methoden geben, die an den Hochschulen noch gar nicht gelehrt werden.

Über die Vergütung von Praktika herrschen sehr unterschiedliche Vorstellungen. Zwischen Null und einem "echten" Gehalt von 2000 Mark erstreckt sich die Bandbreite betrieblicher Großzügigkeit. Als Richtschnur bietet sich der jeweilige Bafög-Höchstsatz an (Studien-Förderung des Bundes- derzeit 795 Mark plus Krankenkassen-Beitrag). Ein Unternehmen, das die Möglichkeit gibt, sich in verschiedenen Bereichen umzuschauen und Neues kennenzulernen, profitiert von der Arbeit eines Praktikanten weniger als eine Software-Schmiede, die einen Praktikanten wegen seiner C-Kenntnisse einstellt und acht Wochen programmieren läßt.

Fazit: Ein Praktikum, als "Schnittstelle" zur späteren Berufstätigkeit betrachtet und aktiv in Angriff genommen, bietet vielfältige Chancen.