ORGANISATIONS-STRUKTUREN kranken an überzogener "DV-Denke"

03.02.1984

Die Effizienz im administrativen Bereich ist in den meisten Unternehmen trotz EDV-Einsatz unzureichend. Da alle Entscheidungen in der Verwaltung getroffen werden, sind die Auswirkungen hieraus für die Unternehmen und die Wirtschaft gravierend. Die Verluste, die auf diese Weise entstehen, sind leider nicht konkret zu ermitteln. Vorsichtige Schätzungen deuten darauf hin, daß uns die organisatorischen Mängel, Führungsschäden und Fehlentscheidungen in der Wirtschaft und in den öffentlichen Verwaltungen mindestens zehn Prozent des Bruttosozialproduktes kosten. Nicht zu vergessen ist zudem, daß der Verwaltungsbereich ständig weiter wächst und damit auch dieser Kostenanteil. Die Zeit ist nicht allzu fern, in der wir unseren Verwaltungsapparat nicht mehr bezahlen können. Die Frage ist, ob wir uns dieses Defizit, diese Verschwendung leisten können und ob dieser Zustand unabwendbar ist.

Fest steht, daß sich der Wettbewerbsdruck auf die deutsche Wirtschaft, so wie sich die Entwicklung abzeichnet, in den nächsten Jahren weiter verstärken wird. Wir haben mit relativ hohen Lohnkosten und Sozialleistungen bei steigender Tendenz zu kalkulieren. Die Fertigungsprozesse sind, vor allem in der Serien- und Massenproduktion, weitgehend optimiert, sie bieten kaum noch größere Rationalisierungsmöglichkeiten. Sicherlich werden auf diesem Sektor durch Weiterentwicklung, Arbeiten an kostensparenden Maßnahmen, Robotereinsatz und neuen Technologien weiterhin Fortschritte erzielt werden.

Während auf dem Gebiet der Fertigungsrationalisierung schon starke und aufwendige Anstrengungen notwendig sind, um quasi den letzten Rest der Rationalisierungsmöglichkeiten zu mobilisieren, übersehen wir andererseits den Sand im Getriebe der Verwaltungsapparate. Unsere Verwaltungen tragen nicht im möglichen Maße zur Weiterentwicklung und Kostensenkung bei. Sie fressen vielmehr den auf dem Entwicklungs- und Produktionssektor erreichten Fortschritt teilweise wieder auf. Im administrativen Sektor liegen zur Zeit zweifellos

nicht genutzte und ungeahnte Reserven brach. Die Mobilisierung dieser Reserven würde dazu beitragen, nicht nur den Sand aus dem Getriebe zu fegen, sondern auch eine Entwicklung einleiten, die im Ergebnis die Produktivität der Unternehmen und der Wirtschaft merklich erhöhen dürfte. In Verbindung mit der Innovation im Produktionsbereich könnten wir dem Vorteil der Niedriglohnländer wirksamer begegnen und auf inzwischen verlorenen Gebieten wieder Fuß fassen.

Was dringend erreicht werden muß, ist die Erhöhung der Effizienz in den Verwaltungsbereichen ¹). Dazu müssen wir unsere Organisation, unsere Führungssituation und unsere Entscheidungen verbessern.

Zwischen diesen drei Faktoren besteht eine Wechselwirkung. Sie wirken zusammen als Verstärker und können sich andererseits gegenseitig in ihrer Wirkung weitgehend aufheben.

¹) Der Verwaltungsbereich ist hier im weitesten Sinne zu verstehen: einschließlich aller Institutionen, Fachbereiche und Mitarbeiter, die nicht unmittelbar mit der Fertigung einer Ware oder der direkten Erstellung einer Dienstleistung beschäftigt sind.

Nach dem Kriege, in den 50er und 60er Jahren, hatten wir uns vor allem dem Wiederaufbau zu widmen. Die Prioritäten lagen zwangsläufig im Produktionsbereich. Wir wurden dann von dem wirtschaftlichen Aufschwung und den Konjunkturwellen einfach überrollt. In den Unternehmen hatte die Organisation, wenn überhaupt, vierte und fünfte Priorität. Die Organisationslehre befaßt sich bis heute zu sehr mit den Funktionen, ihre Aufgaben und dem Instrumentarium der Organisationstechnik. Was fehlt, ist das Denken in ganzheitlichen Systemen.

Mit dem Aufkommen und dem Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung glaubten fast alle Unternehmen und Verwaltungen hier die Lösung für ihre Organisationsprobleme gefunden zu haben. Kein Wunder, denn es wurden vielversprechende Möglichkeiten aufgezeigt. Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung war lange Zeit Prestigesache und äußeres Kennzeichen für ein scheinbar fortschrittlich geführtes Unternehmen. Damit entstand unter anderen die weitverbreitete Vorstellung: Organisation ist gleichzusetzen mit Datenverarbeitung. Dieser Denkansatz geistert leider auch heute noch in zu vielen Köpfen. Nicht verwunderlich, denn für alle die Mitarbeiter, die auf dem Gebiet des Operatings und der Programmierung ausgebildet werden und die in der Weiterentwicklung häufig zum Systemanalytiker, DV-Organisator oder EDV- und Organisationsleiter aufstiegen, steht die Datenverarbeitung im Vordergrund ihres Wissens, Denkens und ihrer praktischen Erfahrung.

Dieses Wissen und Können deckt, selbst bei betriebswirtschaftlicher Vorbildung, aber nur einen Teilbereich der Organisationsarbeit ab. Hinzu kommt neuerdings das ganze Gebiet der Kommunikationstechnik. Einen auf dem Gebiet der Organisation umfassend ausgebildeten Gesprächspartner hat der Fachbereich meist nicht, wenn es um Organisationsfragen geht. Das führte in der Vergangenheit und auch heute noch zu einseitig geprägten Lösungen, die eines gemeinsam haben: Sie sind unter sektoralen Gesichtspunkten aus einer einseitigen Erfahrungswelt entstanden.

Für die Systemgestaltung ist in der Praxis oft entscheidend, wo der persönlich stärkere Partner steht und welchen Wissens- und Erfahrungsstand er hat.

Ist es der Fachbereich, wird in der Regel das langjährig bewährte System, verbunden mit den Vorstellungen des zuständigen Vorgesetzten, auf die elektronische Datenverarbeitung mehr oder weniger eins zu eins übernommen. Es gibt auch Fälle, in denen anspruchsvolle und alle Eventualitäten abdeckende Konzeptionen in aufwendigen Systemen realisiert wurden, koste es was es wolle.

Ist der Systemanalytiker beziehungsweise der Systemprogrammierer der stärkere Partner, wird dem Fachbereich häufig ein DV-System aufs Auge gedrückt. Anforderungen des Fachbereichs werden, falls sie einfach zu realisieren sind, in einzelnen Punkten berücksichtigt. Übersteigen die Wünsche des Fachbereichs die Lösungsvorstellungen der DV-Mitarbeiter, heißt es: "Geht nicht!", was der Fachbereich meist akzeptieren muß, denn ihm fehlt normalerweise das DV-spezifische Fachwissen.

Auch wenn für das Projekt ein Team, bestehend aus Mitarbeitern des Fachbereichs und der Datenverarbeitung, gebildet wurde, gilt das Gesetz des stärkeren Partners. Bei herkömmlich praktizierter Vorgehensweise mit den häufig nicht geregelten oder nicht richtig verteilten Kompetenzen bessert sich kaum etwas.

Mit dem Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung wurden die vorhandenen organisatorischen Schwächen und Unzulänglichkeiten erst richtig sichtbar. Da oft aber zu sehr nach den Anforderungen des Computers organisiert wurde, hat der Einsatz der Datenverarbeitung in vielen Fällen dazu beigetragen, daß das organisatorische Chaos proportional zu den Anwendungen gestiegen ist.

Es gibt in der Praxis verschiedene Modelle für die Gliederung der Organisationsbereiche und die Aufgabenverteilung, die in Einzelfällen, verbunden mit einem hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter, durchaus zu akzeptablen Ergebnissen geführt haben. Es geht hier nicht darum, durch zusätzliche Varianten weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das würde nur bedeuten, daß wir an einem alten System flicken, statt die längst überfällige Reorganisation anzugehen. Die zum Beispiel von einigen Unternehmen eingeführte Verlagerung von Organisationsaufgaben in die Zuständigkeit der Fachbereiche ist ein Kurieren an Symptomen, ohne die eigentlichen Ursachen des unbefriedigenden organisatorischen Zustandes festgestellt und beseitigt zu haben. Wenn wir eine Verbesserung der Organisation auf breiter Basis erreichen wollen, müssen wir auch die Voraussetzungen dazu schaffen.

Dazu gehören im wesentlichen:

- Die partnerschaftliche Einbeziehung der Fachbereiche in die Organisationsarbeit.

- Die seinem Aufgabengebiet angemessene Einordnung des Organisationsbereichs in die Unternehmensorganisation.

- Eine interne Gliederung des Organisationsbereichs, die zur Aufgabenbewältigung rational beiträgt.

- Die uneingeschränkte Übergabe aller Organisationsaufgaben an die Organisation bei gleichzeitiger Ausstattung mit den für die Aufgabengliederung notwendigen Kompetenzen und der daraus resultierenden Verantwortung. Es ist keine Seltenheit, daß alle möglichen Stellen im Unternehmen vor sich her und aneinander vorbeiorganisieren. Die Gefahr des Auseinanderlaufens und der Insellösungen wird durch den verstärkten Mikrocomputereinsatz in den Fachbereichen noch größer. Gleichzeitig werden sich andererseits die Integrationsanforderungen aufgrund der zukünftig verfügbaren Kommunikationstechniken erhöhen.

- Eine Verbesserung der Organisatorenausbildung mit dem Ziel, einen zeitgemäßen Wissensstand so zu vermitteln, daß damit zukunftsorientierte, zielorientierte und ganzheitliche Organisationssysteme konzipiert, realisiert und stufenweise eingeführt werden können.

Ohne Kompetenzen und ausreichende Entscheidungsbefugnisse läßt sich Organisationsarbeit in der Praxis nicht wirkungsvoll durchführen. Dort, wo gute Organisationssysteme konzipiert und eingeführt wurden, hat man qualifizierten Organisatoren entsprechende Kompetenzen eingeräumt, oder sie haben sich über ihre Stabsstellenfunktion hinweggesetzt, und der auftraggebende Fachbereichsvorgesetzte war neuzeitlichen Organisationssystemen gegenüber aufgeschlossen. Die Gefahr, daß sich die Organisationsabteilung zu einem nicht mehr zu beherrschenden Machtfaktor im Unternehmen entwickelt, ist in der Praxis nicht vorhanden, denn die Organisation steht ständig im Kräftefeld zwischen den Ressorts und kann nur mit den Fachbereichen zusammen abgestimmte Lösungen einführen.

Wir haben schlechte Organisationssysteme unter anderem deswegen, weil der Fachbereich Organisation nicht mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet ist, häufig nicht die erforderliche Rückenstärkung der Geschäftsleitung hat und weil es in der Regel keinen Bereich gibt, der für die "Verwaltung" und die darin ablaufenden Prozesse gesamtbetrieblich zuständig ist.

Die interne Gliederung der Organisationsabteilung ist zunächst von der Unternehmensgröße abhängig. Der Aufbau und die Zuordnung der Aufgaben haben sich auch auf dem Sektor historisch entwickelt. Hier wird nur eine unternehmensindividuelle Analyse zu einer optimalen Gliederung und Aufgabenverteilung führen. An dieser Stelle soll aber darauf hingewiesen werden, daß Ablauf-, Aufbau- und das, was man langläufig als EDV-Organisation bezeichnet, eine untrennbare Einheit sind. Was nicht ausschließt, daß man für diese Teilgebiete interne oder externe Spezialisten fallweise in die Projektarbeit beratend einbezieht. Effiziente Organisationssysteme lassen sich nur dann gestalten, wenn diese drei Bausteine als Ganzes in den Systembau mit eingehen.

Für größere Vorhaben dürfte die reine Projektorganisation die optimale Organisationsform darstellen. Allerdings fehlt uns hierfür bisher in der Regel der Typ des Projektmanagers und die Bereitschaft der Führungsstellen, diese Funktion mit den entsprechenden Vollmachten und Weisungsbefugnissen auszustatten.

Zu den wesentlichen Merkmalen einer effizienten Organisation zählt der Einsatz von Organisationssystemen, die unter ziel- und zukunftsorientierten Gesichtspunkten nach einer systemorientierten Organisationsstrategie konzipiert und realisiert wurden. In einer derartigen

Konzeption sind die Aufgaben, Mitarbeiter, Sachmittel und Informationen zu einem ganzheitlichen humanen Arbeitssystem verknüpft.

Eine rationelle Vorgangsbearbeitung beinhaltet den Einsatz wirtschaftlicher Verfahren und Hilfsmittel sowie deren Praktizierung durch geeignete Mitarbeiter. Bei Einsatz der Datenverarbeitung sind Routinearbeiten und -entscheidungen so zu regeln und zu systematisieren, daß sie möglichst vollautomatisch, aber kontrolliert ablaufen. Es sind Regelkreise zu schaffen, mit denen sich die Systeme selbst und gegenseitig kontrollieren.

Zu effizienter Organisation zählt darüber hinaus der wirkungsvolle Einsatz der Datenverarbeitung und Kommunikationssysteme. Dazu gehören:

- die für die Anwendungen notwendige und wirtschaftlich vertretbare Hardware mit der entsprechenden Systemsoftware,

- eine Anwendungssoftware, die von Könnern nach verabschiedeten Anforderungen erstellt oder ausgewählt wurde (auf dem Gebiet der Organisation und Datenverarbeitung führen bereits durchschnittliche Leistungen zu schlechten Ergebnissen),

- die Einbeziehung des Umfeldes, Selbst wenn die eingesetzte Hard- und Software optimal ist, haben wir ohne Gestaltung des Umfeldes nur Stückwerk mit vermindertem Wirkungsgrad. Wir müssen dazu kommen, Organisationssysteme aus der Sicht der Zielsetzung unter Einbeziehung des gesamten Umfeldes zu gestalten. Die Datenverarbeitung ist dabei nicht Zentrum, sondern ein Hilfsmittel.

Gesorgt werden muß ferner für die Bereitstellung der für die Unternehmensführung, die Arbeitsausführung und die Entscheidungen erforderlichen aktuellen und objektiven Daten zum benötigten Zeitpunkt.

Eindeutige und aufeinander abgestimmte, kurzgefaßte schriftliche Regelungen und Fachinformationen der Vorgangsabwicklung und Unternehmensorganisation unter Gewährung des erforderlichen Handlungsspielraumes für Grenz- und Sonderfälle tragen ebenso zur Effizienz bei. Diese Regelungen sollen unter anderem dazu dienen, eine reibungslose und beschleunigte Vorgangsabwicklung zu gewährleisten. Dort, wo sie zur Verbürokratisierung und zu längeren Vorgangsdurchlaufzeiten geführt haben, wurde falsch organisiert, oder es liegen Fehlentscheidungen und laienhafte Einflußnahme der beteiligten Entscheidungsträger vor.

Erforderlich ist Stellenbildung aufgrund ablauforganisatorischer und führungstechnischer Erfordernisse ebenso wie die planmäßige Ermittlung des notwendigen Personalbedarfs aufgrund der Aufgaben und des Arbeitsanfalls bei ständiger Anpassung.

Die Stellenbesetzung sollte aufgrund maximaler Übereinstimmung zwischen dem Stellenanforderungsprofil und dem Fähigkeitsprofil des Stellenanwärters erfolgen.

Eine Schulung, Aus- und Weiterbildung, die die Mitarbeiter auf die Bewältigung der an sie gestellten Aufgaben vorbereitet, ist notwendig, um die Effizienz der Organisation zu gewährleisten. Um vorhandene Potentiale auszunutzen, heißt es auch die Führungssituation zu verbessern.

Die Führungsmängel sind großer, als wir ahnen und als die meisten der Führungskräfte wahrhaben wollen. Gemessen an der auf dem Bereich der Führung angebotenen Literatur und den durchgeführten Seminaren klafft hier eine gewaltige Lücke zwischen Theorie und Praxis. Allerdings hat man den Eindruck, daß wir auf dem Gebiet der Führungslehre noch nicht bis zum Kern der zeitgemäßen Anforderungen vorgestoßen sind und daß wir auch hier in der Praxis der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinken. Auf diesem Tätigkeitsfeld steht uns eine Aufgabe bevor, die nicht leicht ist, die sich aber nicht mit Lippenbekenntnissen und einem lediglich nach außen kooperativ dargestellten Führungsstil bewältigen läßt.

Über die Führung werden in sehr starkem Maße die Arbeitsproduktivität und die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter bestimmt. Dabei ist zu beachten, daß das Führungsverhalten eines Vorgesetzten über mehrere hierarchische Stufen transformiert durchschlägt. Durch die Führung und die bestehende Organisation werden zudem alle Entscheidungen im Unternehmen bestimmt. (Ausgeklammert sind hier die rein unternehmerischen, also strategischen Entscheidungen.)

Der Komplex der Führung umfaßt im wesentlichen die Vorgabe von Zielen und Teilzielen, Planungsprozesse, Entscheidungsprozesse und die Durchsetzung der Anweisungen, Regelungen und Entscheidungen mit dem Zweck, die vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Dazu Information und Beratung, Motivation, Koordination, Auswahl, Einsatz und Forderung von Mitarbeitern, Kontrolle der Zielerreichung, sowie die Repräsentation und Kontaktpflege.

Diese Aufgaben werden bei mangelhafter Führung nicht, nicht ausreichend oder auf nicht richtige Art und Weise wahrgenommen.

Eine mangelhafte Führung löst eine Lawine an Folgefehlern, Demotivation und Frustration einsatzfähiger und einsatzbereiter Mitarbeiter aus, wobei die Folgen und das Ausmaß kaum zu übersehen sind. Die unter diesen Umständen erzielbaren Ergebnisse erreichen im günstigsten Fall Mittelmaß. Es wird nur das Notwendigste nach Weisung getan oder nach eigener Interpretation gearbeitet. Nicht nachweisbare Fehlleistungen und Unterlassungen sind die zwangsläufigen Resultate. In diesem Klima gedeiht keine echte Kreativität. Die Mitarbeiter flüchten in Scheinaktivitäten.

Richtig zu führen ist eine Gratwanderung zwischen einer zu straffen und zu laschen Führung, wobei die jeweilige Situation und der Charakter jedes einzelnen der zu führenden Mitarbeiter zu berücksichtigen sind.

Selbst eine gute Organisation kann eine schlechte Führung nur vorübergehend kompensieren. Auf Dauer führt kein Weg daran vorbei, die Ursache zu beseitigen.

Im Grunde muß neben der übergeordneten Ebene auch die Organisation die Aufgabe haben, Führungsprobleme aufzudecken und ihren Anteil zur Bereinigung beizutragen. Dafür gibt es generell durchaus ein Bündel an Möglichkeiten, zum Beispiel

- Systeme zu schaffen und einzuführen, die die Führungskräfte von Routineaufgaben entlasten und Entstörungseingriffe minimieren,

- Einführen von Stellen- oder Funktionsbeschreibungen,

- Bereitstellen von Führungsrichtlinien und Durchführen von Schulungsmaßnahmen,

- Durchführen von Führungsanalysen, Führungsbeurteilung durch

Vorgesetzte und Mitarbeiter,

- klärende und steuernde Gespräche der nächsten Vorgesetzten mit den betreffenden Führungskräften

- praktiziertes Vorleben des gewünschten Verhaltens,

- die Stellenumbesetzung oder die Trennung von dem für diese Position ungeeigneten Mitarbeiter. Dies stellt zwar eine unpopuläre und einschneidende Maßnahme dar, ist aber auf die Dauer für beide Seiten die bessere Lösung.

Einerseits finden wir in den Unternehmen das Peter-Prinzip bestätigt wonach es auf allen Stufen der Hierarchie eine Anzahl Mitarbeiter gibt die unfähig sind, ihrer Arbeit gerecht zu werden. Andererseits gibt es in allen Unternehmen und Verwaltungen eine Menge Mitarbeiter die nicht entsprechend ihrem Können und den in ihren schlummernden Fähigkeiten eingesetzt sind und gefördert werden. Sehr positiv dargestellt dürfte nur jede zweite Führungsstelle richtig besetzt sein.

Die zunehmende Integration und Automatisierung der Verwaltungsabläufe wird nicht nur die Arbeitsumwelt und das Anforderungsprofil der Sachbearbeiterebene verändern sondern auch neue Anforderungen mit veränderten Schwerpunkten an die Führung stellen. Zukünftig wird es im Sinne einer ganzheitlichen Gestaltung notwendig sein, die Führungsorganisation in den Systembau miteinzubeziehen. Von den auf allen Unternehmensebenen täglich getroffenen Entscheidungen dürften 30 bis 50 Prozent Fehlentscheidungen sein. Davon werden rund 85 Prozent überhaupt nicht oder nur einem kleinen Kreis bekannt. Das, was an Fehlentscheidungen auffällt, ist nur die Spitze eines großen Eisbergs.

Direkte Fehlentscheidungen sind

- eine grundsätzliche falsche Entscheidung,

- eine teilweise falsche Entscheidung, Kompromisse, die erfolgsmindernd wirken,

- eine an sich richtige Entscheidung zum falschen Zeitpunkt; in der Regel wird es sich um eine zu spät getroffene Entscheidung handeln.

Zu den indirekten Fehlentscheidungen zählen die Versäumnisse. Hier wurde auf eine Situation, die ein Handeln erforderte, überhaupt nicht oder nicht im erforderlichen Maße reagiert.

Gefälligkeitsentscheidungen und sogenannte politische Entscheidungen enthalten einen erhöhten Risikofaktor. Beide erweisen sich später oft als verfehlt beziehungsweise als nicht optimal.

Eine Fehlentscheidung im Grundsatz kann in der Regel selbst durch nachfolgend richtige Detailentscheidungen nicht mehr bereinigt werden. (Beispiel: Fehlentscheidungen für eine falsche Hard- oder Software. Folge: Selbst wenn alle nachfolgenden Projektentscheidungen richtig sind, wird das erzielbare Ergebnis schlecht bleiben, zumindest nicht optimal sein.)

Sofern sich eine Fehlentscheidung auf sich wiederholende Vorgänge bezieht, haben wir es mit einem Vervielfältigungseffekt zu tun. (Beispiel: Fehlentscheidungen für ein bestimmtes Material oder Verfahren in der Serien- oder Massenproduktion. Folge: Mit jeder Minute werden unnötig höhere Kosten oder spätere Ausfälle produziert.)

Sicherlich muß man zwischen weniger ins Gewicht fallenden und bedeutenden Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen unterscheiden. Zwangsläufig gilt, daß die schwerwiegenderen Entscheidungen mit steigender Unternehmenshierarchie zunehmen.

Gruppenentscheidungen beinhalten das Risiko der Manipulation. Diese beginnt schon bei der nichtobjektiven und/oder der emotionellen Darstellung der Situation. Sehr häufig sind Gruppenentscheidungen vom Kräfteverhältnis in der Gruppe verfälscht. Leider ist es an der Tagesordnung, daß sich Mitarbeiter der Gruppe mit unzureichender Fachkompetenz, aber entsprechender rhetorischer Begabung in den Vordergrund spielen. Weiterhin wird oft eine hierarchische Stellung mißbraucht, um Entscheidungen im eigenen Sinne durchzubringen. Gruppenentscheidungen sind anonym; niemand kann verantwortlich gemacht werden. Brauchbare Ergebnisse kommen in der Regel nur bei einer neutralen, straffen Diskussionsleitung zustande, und die ist selten.

Für eine Entscheidungsregelung sollte das Prinzip gelten, sie möglichst auf der zuständigen Ausführungsebene herbeizuführen und nur Grundsatzentscheidungen, Ausnahme- und Grenzfälle ohne verfälschenden Zwischenträger nach oben zu delegieren. Dazu ist es notwendig, die für die Entscheidung erforderlichen Richtlinien und Umfeldinformationen an die Ausführungsebene weiterzugeben. Zur Sicherung kann ein entsprechendes Berichts- und Informationswesen dienen.

Die meisten der Entscheidungen sind organisatorisch vorbeugend beeinflußbar. Fehlentscheidungen der Gruppe eins (siehe Kasten "Fehlentscheidungen") werden durch effiziente Organisation minimiert. In hochintegrierten Organisationssystemen werden Fehlentscheidungen bei richtiger Konzeption in Regelkreisfiltern aufgefangen. Mehr Probleme bieten die Fehlentscheidungen der Gruppe zwei, da hier die Ursachen in der Person des Entscheidungsträgers zu suchen sind. Hierfür wirksame Gegenmaßnahmen werden hauptsächlich eine Verbesserung der Führungssituation verlangen.

Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation können nur durch gemeinsames Handeln kompetenter Kräfte in Wirtschaft, Verbänden, öffentlicher Verwaltungen und Institutionen ausgeschöpft werden. Sich selbst überlassene Einzelkampfer können günstigstenfalls an einzelnen Punkten Teilerfolge erzielen, die nicht ausreichen, die Effizienz in den Verwaltungen auf eine höhere Stufe zu heben. Die dafür notwendigen Technologien stehen zur Verfügung. Wenn das derzeitige Wissen der Organisationslehre in der Praxis tatsächlich angewendet wird, ist bereits ein gewaltiger Schritt nach vorn getan. Es ist auch nicht so, daß für die Gestaltung und Realisierung wirksamer Organisationssysteme überhaupt kein Personalpotential bereit steht. Nur die eigenen Bremsen müssen gelockert und die Bereitschaft geweckt werden, die alten ausgetretenen Pfade zu verlassen und entsprechend handeln. Gemessen am heutigen Stand ist eine Erhöhung der Effizienz im Verwaltungsbereich um 20 bis 50 Prozent mit den daran gekoppelten Ergebnissen möglich.

* Bernd Fliege ist Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Deutscher Organisatoren e. V. (GDO), Esslingen-Berkheim, und Organisationberater.