Einbruch bei der Anwendungssuite in Europa

Oracles E-Business läuft schlechter

23.03.2001
MÜNCHEN (mo) - Die Bekanntgabe der offiziellen Quartalsergebnisse bei Oracle barg noch Überraschungen. In Europa ist das Geschäft mit Anwendungssoftware eingebrochen, der Umsatz mit Datenbanken stieg dagegen unerwartet stark. Hinter der E-Business-Schlappe vermuten Analysten einen sich fortsetzenden Trend.

Eine seltsame Entwicklung bei den Abschlüssen erlebte Sergio Giacoletto, Executive Vice President für Europa, Naher Osten und Afrika (Emea): Applications-Deals wurden verschoben, stattdessen kamen überraschend viele Datenbankabschlüsse zustande. Nach währungsbereinigten Steigerungen in Europa von jeweils rund 100 Prozent beim Lizenzumsatz mit "Applications 11i" gegenüber dem Vorjahr im ersten und zweiten Quartal des Geschäftsjahres (Ende: 31. Mai) brach der Zuwachs im dritten Quartal (Ende 29. Februar) auf drei Prozent ein. Das könnte auch erklären, warum die Steigerung beim Applications-Umsatz im dritten Quartal weltweit bei 25 Prozent lag und nicht bei 50 Prozent, mit denen Oracle noch bei seiner Gewinnwarnung vor wenigen Wochen gerechnet hat. Auf der anderen Seite schnellte der Datenbankumsatz in der Verkaufsregion Emea im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent nach oben - nach sonst typischen zehn bis 20 Prozent.

"Natürlich beunruhigt uns die Konjunktur", räumt Giacoletto ein. Daher sei das vierte Quartal nur schwer vorherzusagen. Trotzdem sieht er in dem dritten Quartal nur einen Ausreißer. Eine Reihe von neuen Abschlüssen stehe bevor.

Besonderheiten registrierte der Oracle-Manager aber auch in regionaler Hinsicht: Während das Geschäft in Großbritannien und Südeuropa gut lief, gestaltete es sich in Nord- und Osteuropa, sowie in Zentraleuropa, also Deutschland, Österreich und der Schweiz, schwierig. Man habe aber keine größeren Aufträge verloren. Im Wesentlichen seien die Vertragsabschlüsse nur verschoben worden, behauptet Giacoletto.

Den Optimismus will Helmuth Gümbel, ERP-Experte beim Beratungsunternehmen Strategy Partners, allerdings nicht teilen: "Oracle hat in der Vergangenheit vor allem in Deutschland sehr stark in Bereiche verkauft, die von SAP nicht besetzt worden sind." Eine Beobachtung, die durch Francis Veldeman, Vice President Applications & Internet Solutions Emea bei Oracle, gestützt wird. Nach seinen Aussagen dienten vor allem Anwendungen für Customer-Relationship-Management und E-Procurement in der Vergangenheit als Türöffner für die E-Business-Suite 11i.

Mittlerweile habe SAP aber eine Reihe von Lücken in ihrem Portfolio geschlossen, erklärt Gümbel. Daher werde es für Oracle schwieriger, mit dieser Argumentation Software zu verkaufen. Darüber hinaus erwartet der Analyst, dass sich die europäischen Kunden mit E-Business-Projekten aufgrund der schwachen Konjunktur in den USA zurückhalten.

Wenn das zutrifft, dürfte die Luft für Oracle dünn werden. Denn trotz der Flaute bei Applications konnte der Lizenzumsatz für alle Produkte in Emea immerhin um rund 19 Prozent zulegen, während er in den USA um vier Prozent zurückging.

Klage gegen EllisonEine New Yorker Anwaltskanzlei wirft Oracle-Chef Larry Ellison vor, falsche Angaben über die Einsparungen gemacht zu haben, die Oracle durch den Einsatz der hauseigenen E-Business Suite 11i erzielt haben will. Durch die Behauptung, damit eine Milliarde Dollar gespart zu haben, soll Ellison den Aktienkurs nach oben getrieben haben. Dabei habe die Software massive technische Probleme aufgewiesen. Die Einsparungen seien durch deren Einsatz daher nicht realisierbar gewesen.

Abb: Wachstumsraten

Das prozentuale Wachstum verglichen mit dem Vorjahresquartal beim europäischen Applications-Geschäft in lokaler Währung hat sich dramatisch verschlechtert. Quelle: Oracle