Ellison: Angestrebte Umsatzverdoppelung kann nicht erreicht werden

Oracle reduziert Erwartungen und verwirrt damit die Börse

11.05.1990

FRAMINGHAM (CW) - Die Wachstumserwartungen der Oracle Systems Corp. - 100 Prozent für jedes Geschäftsjahr - werden sich nicht mehr erfüllen. CEO Larry Ellison rechnet nunmehr mit einer Umsatzzunahme von 50 bis 60 Prozent für das Geschäftsjahr 1991, beginnend am 1. Juni, während Analysten nur 25 bis 30 Prozent für realistisch halten.

Bereits nach dem für den Highflyer enttäuschenden dritten Quartal 1990 - mit einer Umsatzzunahme von 54 anstelle der erwartenden 65 Prozent - hatte sich Ellison vorsichtiger über die künftig zu erwartenden Umsätze geäußert. Damals rechnete er mit einem Geschäftsvolumen von einer Milliarde Dollar für 1990, was einer Steigerung um rund 70 Prozent entspräche.

Das vierte, Quartal des laufenden Geschäftsjahres, kündigte Ellison demgegenüber an, werde besser abschließen als mit den erwarteten 300 bis 320 Millionen Dollar Umsatz: Er erwarte 330 bis 335 Millionen. Andererseits revidierte der CEO zum Befremden der Analysten die Gewinnerwartung pro Aktie von 1,02 Dollar auf 98 Cents. Stephen McClellan von Merril Lynch & Co. in New York: "Die Feststellungen sind (...) verwirrend und widersprüchlich." Für David Bauer von Montgomery Securities, San Francisco, ist die Sache klarer; er sieht sich in seiner Vermutung bestätigt, daß Oracles Ausgaben den angekündigten Wert übersteigen und in einem negativen Cash-flow resultieren werden.

In den zwölf Jahren seit dem Bestehen der One-product-company verdoppelte sie bisher jährlich ihren Umsatz. Daß dieses nicht automatisch auch zu höheren Gewinnen führt, erläuterte Peter Tierney, Senior-Vice-President von Oracles Product Division, in einem Interview mit

der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation Computerworld: "Bei einem Wachstum von über 50 Prozent ist es beinahe unmöglich, einen positiven Cash-flow zu erzielen", stellte er fest und gestand gleichzeitig ein, daß Oracle beinahe zu groß geworden sei.

Gerade gegenüber den wichtigsten Kunden seien Probleme mit der Qualitätskontrolle und dem Support aufgetreten. "Anstelle von reinen Verkäufern müssen wir mehr Berater, Supporter und Qualitätssicherer einstellen", gab Tierney zu.

Die amerikanischen Oracle-Anwender begrüßen diese Einsicht: Es sei besser zu hören, daß die Gewinnerwartungen nach unten korrigiert würden, als daß Oracle jedwede Kritik ignoriere, erklärte Tony Ziemba, Vorsitzender der New Yorker Benutzervereinigung. Ziemba weiter: "Es bedeutet, daß sie die Veränderungen am Markt erkannt haben und sich ihnen anpassen." Unterdessen befürchtet die softwareproduzierende Konkurrenz an der Wall Street, durch die Verunsicherung über Oracle selbst Schaden zu nehmen. Um schnell reagieren zu können, sprechen sich die Anbieter au Initiative von Jeff Papows, Senior-Vice-President bei Cognos, regelmäßig telefonisch ab.