Die Entwicklungen haben das Anfangsstudium verlassen:

Optische Rechner setzen zum Überholen an

16.10.1987

Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Integrierte Optik" beschäftigen sich Wissenschaftler mit optoelektronischen Computern; eine Entwicklung, die in wenigen Jahrzehnten die bisherige Computertechnik ablösen könnte. Henning Fouckhardt* von der Technischen Universität Braunschweig beschreibt Konzepte und Möglichkeiten optischer Systeme.

Nicht mehr als etwa 30 Jahre ist es her, daß Transistoren aus dem Halbleitermatierial Silizium die Röhren als Bauelemente der Elektrotechnik ersetzten und so die lawinenartige Entwicklung der Elektronik und Computertechnik ermöglichten. Erst in den letzten zehn Jahren haben die Computer Einzug in Schulen und Familien gehalten und sind so weithin in das Bewußtsein der Menschen vorgedrungen. Und doch laufen bereits Forschungsvorhaben, deren Ergebnisse die moderne Computertechnik in weiteren 30 Jahren ablösen könnten. Gemeint ist der sogenannte "optoelektronische Computer", in dem Lichtpulse die Information tragen und zur Berechnung logischer Funktionen verwendet werden sollen.

Grundmaterial der heutigen Bauelemente der Computerelektronik ist Silizium, ein Halbleitermaterial. Seine elektrischen Eigenschaften, wie zum Beispiel die elektrische Leitfähigkeit, sind zwischen denen von Isolatoren und denen von guten metallischen Leitern einzuordnen, deswegen auch die Bezeichnung "Halb-Leiter". Zusätzlich lassen sich diese Eigenschaften durch Dotierung, das heißt, durch Einbau von Atomen anderer Halbleitermaterialien in das Silizium-Gefüge, noch in weiten Bereichen verändern.

Silizium stellt ein sehr häufiges Element der Erdkruste dar und kann aus einfachem Quarzsand gewonnen werden. Alle diese Eigenschaften lassen Silizium zu einem Material werden, mit dem kostengünstige elektronische Bauelemente und Schaltungen maßgeschneidert Werden können. Wurden zunächst nur einzelne elektronische Komponenten gebaut, so werden heute außerordentlich viele Bauelemente auf einem einzigen "Chip" gemeinsam untergebracht, dann sehr komplexe Schaltaufgaben erfüllt. Dabei dieser Technologie ganze Schaltungen zusammenhängend erstellt werden, spricht man auch von "integrierten Schaltungen" und von "integrierter Elektronik".

Grundbausteine sind hier im wesentlichen Transistoren. Durch kleine Veränderungen ihres eingangsseitigen Stromes können relativ große Veränderungen ihres ausgangsseitigen Stromes gesteuert werden. Der Transistor stellt damit ein sehr gutes Schaltelement dar. Die zeitlich veränderlichen Ausgangsströme oder auch die entsprechenden an Widerständen abfallenden Spannungen enthalten die Informationen, die dargestellt oder weiterverarbeitet werden sollen.

Parallel zur Computertechnik, aber zunächst von der Öffentlichkeit weniger beachtet, entwickelte sich die Lasertechnik. Einer ihrer Zweige, der gerade durch die Entwicklungen in der Computertechnologie beflügelt wurde und diese umgekehrt in absehbarer Zeit revolutionieren könnte, wird von den Halbleiterlasern gebildet. Nicht Silizium ist hier die Grundsubstanz, sondern zusammengesetzte Materialien wie Galliumarsenid und Indiumphosphid. Diese Halbleiter können bei elektrischer Anregung Licht aussenden. Eingesetzt werden die Halbleiterlaser, die nicht größer als ein kleines Zuckerkörnchen sind, schon seit einigen Jahren in Compact-Disc-Spielern oder auch in optischen Nachrichtensystemen. Hier wird die Information, die in von den Lasern erzeugten Lichtpulsfolgen steckt, über lange Glasfaserkabelstrecken übertragen.

Die Kombination nun von den aus der Computertechnik schon bekannten Halbleiter-Verarbeitungsverfahren und dem Einsatz von Halbleiterlasern bietet völlig neue Möglichkeiten zum Bau von integrierten Schaltungen. Da hierbei aber nicht Ströme und Spannungen, sondern Lichtpulse die Information tragen würden, spricht man von "integrierter Optoelektronik" und "integrierter Optik". In integrierten optoelektronischen Schaltungen wären Halbleiterlaser, Halbleiterleuchtdioden, lichtempfindliche Dioden und winzige lichtleitende Wellenleiter Hauptbestandteile. Um logische Funktionen realisieren zu können, benötigt man allerdings ein dem elektronischen Transistor vergleichbares Schaltelement. Erste Möglichkeiten für solche optoelektronischen Schalter sind bereits aufgezeigt worden. Da eine Lichtwelle nach mehreren Kriterien charakterisiert werden kann - wie Intensität, Phasenlage und Schwingungsrichtung - , gibt es mehrere prinzipielle Möglichkeiten zur Informationscodierung. Oft angewandt wird die Verschlüsselung durch Modulation der Lichtintensität. Die physikalischen Mechanismen, die für diese Veränderung ausgenutzt werden können, sind vielfältig.

Durch integrierte Optik schnellere Rechenanlagen

Warum dieser ganze Aufwand, wenn sich mit der bisherigen Computertechnologie doch große Erfolge erzielen lassen und die Optoelektronik zudem teurere Materialien benötigt? Ein wichtiger Grund für die Forschungen um die integrierte Optik ist die Aussicht auf wesentlich schnellere Rechenanlagen. Nicht nur die einzelnen Schaltoperationen können schneller sein als bei der Siliziumtechnik; die integrierte Optik bietet auch eher die Möglichkeit zur Parallelarchitektur von Rechnern also zur gleichzeitigen Ausführung von Rechenoperationen auf ganzen Zahlenfeldern. Dies käme nach Entwicklung geeigneter Programmiersprachen ebenfalls einer Erhöhung der Rechengeschwindigkeit gleich. Durch den Einsatz von Lichtpulsen zur Informationscodierung sind auch völlig neue Rechenlogiken möglich.

Die binäre Darstellung einer Informationseinheit, die nur die logischen Zustände 1 oder 0 kennt, könnte - einigen Überlegungen zufolge - durch eine mehrstufige Logik ersetzt werden, bei der jeder von zum Beispiel zehn möglichen Zuständen durch eine andere Wellenlänge beziehungsweise Farbe des Lichts repräsentiert wird. Dies könnte wiederum die Rechengeschwindigkeit und die Speicherkapazität der optoelektronischen Schaltungen gegenüber herkömmlichen elektronischen erhöhen. Ein weiterer Vorteil dieser Technik wäre ihre Kompatibilität zu Glasfasernetzen der optischen Nachrichtentechnik. Ergebnisse von Rechnungen könnten ohne großen Aufwand direkt in Glasfaserkabel eingespeist werden.

Die Entwicklungen haben das Anfangsstadium verlassen. Erste, noch sehr einfache integrierte optoelektronische Schaltungen mit nur wenigen Elementen wurden bereits gebaut. Doch werden noch einige Jahrzehnte vergehen, bis optoelektronische Computer existieren werden Wahrscheinlich werden diese die elektronischen Computer nicht vollständig verdrängen können, sondern (vorerst) nur ergänzen, da die optoelektronischen Schaltungen aus physikalischen Gründen (noch) nicht so klein gebaut werden können wie die elektronischen. Bleibt zu hoffen, daß Forscher und Anwender vor allem die zahlreichen vorteilhaften Möglichkeiten zur zivilen Nutzung der schnellen optoelektronischen Schaltungen im Auge haben.