Trotz zweistelliger Wachstumsraten

Online-Handel bleibt ein Nischengeschäft

08.03.2002
MÜNCHEN (CW) - Das Vertrauen der Verbraucher in den Online-Kauf wächst. Vor allem große Anbieter und Versandhäuser erzielen steigende Umsätze im Web. Das Gros der Internet-Shopper bestellt jedoch nach wie vor sporadisch im Netz und beschränkt sich dabei auf bestimmte Produktkategorien.

Trotz Wirtschaftsabschwung und Dotcom-Krise bescherte das Weihnachtsgeschäft den deutschen Online-Anbietern ein Umsatzhoch: Laut GfK tätigten im November und Dezember rund 6,6 Millionen Bundesbürger eine Bestellung per Mausklick. Das sind 43 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Insgesamt gingen in den beiden Monaten Waren im Wert von insgesamt 942 Millionen Euro über die virtuelle Ladentheke. Damit erwirtschafteten die Händler satte 63 Prozent mehr im Internet als ein Jahr zuvor.

Höhere Sicherheitsstandards, Vereinfachungen bei der Bestellabwicklung und eine termingerechte Auslieferung haben das Vertrauen in den Online-Kauf gestärkt. "Das Weihnachtsgeschäft hat gezeigt, dass die Qualität der Angebote in puncto Sicherheit und Service inzwischen auf einem sehr hohen Niveau ist", so Olaf Roik, E-Commerce-Experte beim Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE). Auch die wachsende Zahl an Billigangeboten und Rabatten verleiten immer mehr Verbraucher zum Online-Kauf.

Nach den zahlreichen Dotcom-Pleiten kommen die Mehreinnahmen mittlerweile allerdings weit weniger Anbietern zugute als in den Boomzeiten der New Economy. Die Gewinner der Konsolidierung sind vor allem große Unternehmen der Old Economy, die über ein umfangreiches Shop-Angebot verfügen und auf fundierte Erfahrungen im Versandhandel zurückblicken. Karstadt-Quelle zum Beispiel konnte seinen Online-Umsatz im Geschäftsjahr 2001 um 78 Prozent von 450 Millionen auf über 800 Millionen Euro steigern. Insgesamt erwirtschaftete der Essener Konzern im vergangenen Jahr auf seinen rund 50 Shopping-Portalen Einnahmen in Höhe von 15,9 Milliarden Euro. Auch der Otto-Versand und Tchibo verzeichneten hohe Zuwachsraten.

Steigende Internet-NutzungDas gute Online-Geschäft verdankt der Einzelhandel auch der weiter steigenden Internet-Nutzung in Deutschland. Den Marktforschern von NFO Infratest zufolge waren im Dezember 30,8 Millionen Bundesbürger online - das entspricht 48 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren. Im laufenden Jahr sollen weitere vier Millionen Surfer hinzukommen.

Allerdings wird nicht jeder Neuzugang automatisch zum Web-Käufer. Laut Forrester Research tätigen nur zwölf Prozent der Internet-Nutzer innerhalb der ersten sechs Monate eine Online-Bestellung. "Die Barriere beim Erstkauf ist hoch", bestätigt Roik. Nach wie vor brächen viele Surfer den Kaufvorgang ab. Zudem bestelle bislang nur ein kleiner Teil der Online-Shopper regelmäßig und in nennenswertem Maße im Netz. "Die Internet-Nutzung wird zwar intensiver und birgt ein hohes Umsatzpotenzial", so Roik. "Weit mehr als die Hälfte der Surfer nutzen das Internet jedoch nach wie vor sporadisch und nur bei bestimmten Produktkategorien zum Einkaufen."

Dadurch bleibt der Online-Handel trotz hoher Wachstumsraten ein Nischengeschäft. Dem HDE zufolge haben die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr nur etwa ein Prozent ihrer Gesamtumsätze im Internet erwirtschaftet. Lediglich bei E-Commerce-affinen Warengruppen wie CDs, Büchern oder Software hätten sich die Anbieter bereits nennenswerte Marktanteile sichern können. Ein wesentlicher Hemmschuh ist nach Ansicht des Verbands, dass der Online-Kauf kein "sinnliches Einkaufserlebnis" vermitteln könne. Einer Studie des Instituts für Handelsforschung der Universität Köln zufolge handelt es sich bei 72,8 Prozent der Bestellungen im Web um "rationale Suchkäufe" und bei 45,6 Prozent um Schnäppchen - ein Trend, der sich angesichts der Wirtschaftsflaute eher noch verstärkt haben dürfte. Nach Angaben des Online-Auktionshauses Ebay sind zurzeit auch weniger Luxusgüter als vielmehr praktische Gegenstände gefragt.

Dennoch ist HDE-Experte Roik davon überzeugt, dass die Online-Umsätze im Einzelhandel weiter steigen werden - "vielleicht nicht mehr im dreistelligen Bereich wie im letzten Jahr, sondern nur noch in zweistelliger Höhe, aber damit immer noch sehr dynamisch". Der HDE rechnet in diesem Jahr mit einem Anteil an den Gesamteinnahmen von 1,6 Prozent. Eine Stagnation der Umsätze im stationären Einzelhandel wird nach Einschätzung von Roik erst in fünf bis zehn Jahren eintreten. (sp)

Abb: Online-Handel

Die Internet-Umsätze des deutschen Einzelhandels sollen in diesem Jahr auf 8,5 Milliarden Euro steigen. Damit läge der Online-Anteil an den Gesamteinnahmen bei 1,6 Prozent. Quelle: HDE