Application on Demand/Studie analysiert den Markt

Noch wenig Transparenz im Anbieterlager

03.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Wer sich heute als Unternehmer für ASP entscheiden will, steht vor dem Problem, in diesem jungen Markt den richtigen IT-Partner zu finden. Dieser Umstand hat Michael Gottwald* veranlasst, eine Umfrage unter den ASP-Anbietern vorzunehmen.

Es wird viel über die Chancen des neuen ASP-Marktes diskutiert, doch von Klarheit und Vergleichbarkeit der einzelnen Angebote kann bisher kaum die Rede sein. Viele IT-Entscheider vermissen Orientierungsmöglichkeiten und Transparenz im Markt. Dies ist aus der von Koeppler & Partner im Oktober veröffentlichten Umfrage hervorgegangen. Zwar erwarten besonders mittelständische Firmen eine personelle und finanzielle Entlastung durch den Einsatz von ASP, doch die Bereitschaft, sich vertraglich an einen ASP zu binden, scheint bei vielen noch nicht vorhanden zu sein.

Was erfährt ein mittelständischer Unternehmer heute, wenn er sich für ASP-Anwendungen interessiert? Informationsmaterial der ASP-Anbieter sind bis auf wenige Ausnahmen kaum vorhanden. Ebenso ist festzustellen, dass Interessierte wesentliche Informationen über detaillierte Dienstleistungen nur auf mündliches Nachfragen hin erhalten.

Dies überrascht nicht, wenn man sich die Provider-Seite ansieht: Viele der angeblichen ASP-Anbieter, so hat Michael Gottwald festgestellt, stecken noch in den Kinderschuhen und können gerade mal eine Hand voll Kunden aufweisen.

Ein wesentliches Motiv der Kunden, ASP einzusetzen, liegt in dem monatlichen Festbetrag, der eine Budgetplanung erleichtert. Deshalb wurden in der Studie zunächst die Tarife der Provider abgefragt. Der monatliche Durchschnittspreis für ERP-Software bewegt sich zwischen 200 und 400 Mark. In den meisten Fällen ist mit Zusatzkosten zu rechnen. Sie beziehen sich auf Kommunikationskosten für die Anbindung ans Internet und Trainingskosten. Für Anwendungen im Bereich Personaldienstleistungen fallen zirka 200 Mark an. Die Vertragslaufzeit mit einem Anbieter liegt bei der überwiegenden Mehrzahl (96 Prozent) der ASP-Dienstleister zwischen einem und zwölf Monaten, nur acht Prozent geben eine 24-monatige Laufzeit an.

Auf die Bereitschaft angesprochen, die Softwareproduktpalette zu erweitern, gaben 46 Prozent der Befragten an, dies zu planen, während 29 Prozent eine Erweiterung ausschließen. Alle übrigen Anbieter wollen den Markt zunächst beobachten und dann Entscheidungen diesbezüglich treffen. "Das Ergebnis ist deutlich: Die Hälfte der Anbieter verhalten sich defensiv. Damit wird klar, wie abwartend und unsicher sich der Markt zur Zeit noch präsentiert", interpretiert Gottwald die Antworten auf diese Frage.

75 Prozent der Provider planen eine Branchenanpassung, also die Entwicklung einer individualisierten Anwendung. Dagegen halten acht Prozent eine solche nicht für notwendig. Gottwald geht allerdings davon aus, dass sich mit der Abkehr von standardisierten Leistungen auch die Preise erhöhen.

Plattform-Unabhängigkeit ist für alle befragten Anbieter schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Ausnahme bildete lediglich ein Unternehmen. Ebenfalls alle Provider bieten Standardkomponenten für Sicherheitstechnologie wie SSL und Firewall an. Die Anbindung an ein Trust-Center wurde von acht Prozent empfohlen.

Was passiert - so lautete eine weitere Frage - wenn der ASP-Kunde feststellt, dass der Mietpreis mit der steigenden Anzahl von Usern den Kaufpreis übersteigt? Kann er dann eine Volllizenz erwerben?

63 Prozent beantworten die Frage mit ja, 25 Prozent mit nein. Mit diesem Übergang wird der ASP-Dienstleister auch denjenigen Kunden gerecht, die von einer hohen Expansion ihres Geschäftsvolumens und Mitarbeiterstamms ausgehen.

Manche Analysten rechnen mit einem schnellen Anstieg der Zahl von ASP-Anbietern und einer darauf folgenden Bereinigung des Marktes auf eine überschaubare Gruppe von Providern. Diese Entwicklung ist für die Kunden ein zweischneidiges Schwert. Einerseits führt eine Bereinigung im Anbieterlager zu einem gesunden Ausleseprozess, an dessen Ende ein überschaubares Angebot steht. Andererseits kommen die Kunden derjenigen Dienstleister, die auf der Strecke bleiben, sprich in Konkurs gehen, in die Bredouille, denn was geschieht dann mit ihren Daten? 46 Prozent der Umfrageteilnehmer sagen den Kunden zu, den Sourcecode zu erhalten, 42 Prozent beantworten die Frage jedoch negativ.

Für Gottwald steht fest: Die Hauptnutzer werden nicht die großen Organisationen sein, die heute beim Outsourcing eine dominante Rolle spielen. Sie benötigen weiterhin leistungsfähige Software, die individuell auf ihre Bedürfnisse eingestellt werden muss. Vielmehr werden es die kleineren Firmen sein. Sie profitieren von einem neuen Typ von Anwendungen: Programme, die weitgehend branchenspezifisch voreingestellt sind, so dass ein aufwändiges Customizing nicht mehr nötig ist oder Programme, die über das Internet von den Anwendern selbst eingestellt werden können.

Ein typisches ASP-Angebot werden den Analysten zufolge kaufmännische Programme für kleine und mittlere Firmen sein. In den USA wird zurzeit Personalabrechnungssoftware besonders intensiv genutzt. Die komplette Anwendung erfolgt über das Internet. Bereits das Einrichten der Software und gegebenenfalls ein einfaches Customizing geschieht über den Browser. Zu den Erwartungen der ASP-Interessierten gehören neben dem Internet-Zugriff auch die Mandantenfähigkeit der Software, die Zugriffsverwaltung sowie Sicherheit und Verschlüsselung auf dem aktuellen Stand der Technik.

ASP als Vehikel zur Supply ChainEin weiteres attraktives Thema für ASPs werden firmenübergreifende Services und Lösungen aus dem Umfeld des E-Commerce sein. Die zahlreichen Medienbrüche in einer Supply Chain könnten ausgeschlossen werden, wenn viele Firmen, sowohl Hersteller als auch Handel, auf dieselben Plattformen zurückgreifen. Interessant sind nach Angaben von Gottwald dabei Dienste, die eine Rechnungsabwicklung über ein Extranet anbieten. Der Empfänger kann dabei die Rechnungen ansehen und dann die Daten direkt in sein DV-System laden. Doppelerfassung lässt sich damit vermeiden.

ASP kann auch wesentlich den Bereich Telearbeit und Gruppenarbeit über verschiedene Standorte vorantreiben. Software für Gruppenpräsentationen und Teleteaching sind im Trend.

Die Entwicklung des ASP-Marktes in den kommenden Jahren ist, so Gottwald, nicht geprägt von der Verlagerung der Softwaresysteme zu einem ASP-Dienstleister, sondern vielmehr durch neue Anwendungsmöglichkeiten. Es wird auf keinen Fall genügen, nur die klassischen ERP-Lösungen auf einem zentralen Server zu halten. Vielmehr entsteht neue Software, die von vornherein für einen zentralen Betrieb ausgelegt ist. Dabei muss es sich um ein hochskalierbares System handeln, um es wirtschaftlich betreiben zu können.

Gottwald stellt fest, die Akzeptanz von ASP-Produkten werde von einer klaren Definition und Typisierung der Produkte abhängig sein. Dem Kunden müsse klar sein, welchen Individualisierungsgrad eine ASP-Software haben wird und in welchem Verhältnis Kauf und Miete zueinander stehen.

*Michael Gottwald ist Mitbegründer der Unternehmensberatung Koeppler & Partner in Hamburg. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind ein Auszug aus einer ASP-Studie, die vierteljährlich aktualisiert wird und Aufschluss zum Beispiel über Leistungsangebote, Monatspreise, Zusatzkosten, Mindestvertragslaufzeiten und Sicherheitsstandards gibt. Anbieter, die in die Studie aufgenommen werden wollen, können ihre Dienstleistungsdaten via E-Mail an info@softselect.de übermitteln.

DIE ASP-CHECKLISTE1. Service-Level-Agreements (SLAs)

In den SLAs garantiert der ASP-Anbieter seine Leistungsfähigkeit. In diesem Vertrag werden die Verfügbarkeit der Daten beschrieben und Ersatzansprüche gegen den ASP festgelegt. Die garantierte Service-Uptime sollte nicht unter 99,5 Prozent im Jahr liegen. Hier werden auch Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen festgelegt. Achten Sie darauf, wie Ihnen im Fall der Vertragskündigung Ihre Daten übergeben werden. Klären Sie ab, wie sich der Anbieter im Insolvenzfall verhält: Bestehen Sie auf einen notariell hinterlegten Sourcecode.

2. Bursing

Server sollten ständig mit einer wesentlich höheren als der tatsächlich gekauften Bandbreite an das Internet angebunden sein. Leistungsspitzen in den Nachmittagsstunden werden so abgefangen.

3. Shared oder Dedicated Hosting

Shared Hosting bedeutet, dass sich mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Server teilen. Das ist zwar preislich attraktiv, doch besteht hier nicht die volle Sicherheitsstufe wie bei einem dedizierten Server. Zudem ist die Performance einer Shared-Umgebung niedriger, und fremdverursachte Server-Probleme beeinflussen immer auch die anderen auf dem Server gehosteten Unternehmen. Das Dedicated Hosting erfüllt dagegen alle Erfordernisse eines professionellen Internet-Business an Redundanz, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit. Hier steht dem Unternehmen ein eigener (dedizierter) Server mit eigener Infrastruktur und Firewall zur Verfügung.

4. Support

Achten Sie darauf, dass neben einer allgemeinen Hotline auch ein persönlicher Ansprechpartner, ein Single Point of Contact, für Sie zur Verfügung steht. Dieser so genannte First-Level-Support sollte vom ASP-Anbieter oder von einem externen Dienstleister angeboten sein.

5. Von der Miete zum Kauf

Befragen Sie Ihren ASP-Anbieter, ob nach einer Mietphase auch der Erwerb der Software für eine Inhouse-Lösung möglich ist.

6. Feste Kosten

Alle ASP-Leistungen sollten mit einer Flatrate abgerechnet werden. Akzeptieren Sie kein transferabhängiges Tarifsystem. Die Vertragslaufzeiten sollten bei zwölf Monaten liegen.

7. Perspektiven

Schauen Sie sich die Zukunftsaussichten des Dienstleisters an. Kann er mit dem Wachstum Ihres Unternehmens mithalten und neue Business-Applikationen anbieten? Wie wird er sich voraussichtlich entwickeln?

8. Fachliche Kompetenz

Überprüfen Sie, über welches Know-how der ASP-Anbieter verfügt. Ist er nur ein reiner Provider einer Netz-Infrastruktur, oder hat er darüber hinaus bereits Kompetenz in der Entwicklung oder Anpassung von Software erlangt?

Abb.1: Argumente für ASP

Die Unternehmen befinden sich im Zwiespalt. Stellt die geringe Kapitalbindung einen besonderen Reiz für das ASP-Modell da, sind es die Sicherheitsbedenken, die viele vor diesem Schritt zurückschrecken lassen. Quelle: Koeppler & Partner

Abb.2: Denkbarer ASP-Einsatz

Vielfach wurde angenommen, dass Anwender standardisierte Applikationen etwa für Personalwesen und Finanzbuchhaltung als besonders ASP-fähig einstufen. Doch genau das Gegenteil trifft zu: Hochsensible Daten will man auf keinen Fall auslagern. Quelle: Koeppler & Partner