Wanderausstellung "Der gläserne Computer" im Münchner Deutschen Museum eröffent:

Nixdorfs Schau lädt zum Mitmachen ein

05.10.1984

MÜNCHEN (CW) - Die Wanderausstellung "Der gläserne Computer" der Nixdorf Computer AG, Paderborn, hat kürzlich ihre Pforten im Münchner Deutschen Museum eröffnet. Ziel dieser Rechnerschau ist es, die Inzwischen alle Lebensbereiche durchdringende Computer- und Informationstechnologie für den Laien "transparenter" zu machen. Im Rahmen der Eröffnung fand auch eine Podiumsdiskussion zu dem Thema "Gesellschaftliche Dimension der Informationstechnologie - Chancen und Gefahren" mit prominenten Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft statt. Als zwei wesentliche Ergebnisse kristallisierten sich bei dieser Debatte die Forderungen nach mehr Experimentierfreudigkeit und mehr politischer sowie sozialer Verantwortung bei der Einführung der neuen Technologien heraus.

Im Mittelpunkt des informativen und kurzweiligen Technologietreffs steht die Darstellung der Funktionen und Einsatzmöglichkeiten des Computers. So werden die Auswirkungen und der Nutzen der Datentechnik als Organisations- und Managementinstrument, als Unterhaltungsmedium und Spielzeug sowie als Lernmittel und Kommunikationsmedium in der Berufswelt, in der Schule und im Alltag verdeutlicht.

In allen Anwendungsbereichen lädt die Ausstellung auch zum "Anfassen und Mitmachen" ein. Unter anderem kann sich der Besucher über Btx Informationen abrufen, Spielgeld am Geldautomaten ziehen und sich in ein elektronisches Gästebuch eintragen. Freilich ist es auch möglich, bei Computerspielen die "Puppen auf dem Bildschirm tanzen" zu lassen.

Außerdem präsentiert die Ausstellung einen Streifzug durch die Rechengeschichte, angefangen von den Zahlensystemen der Sumerer 3000 vor Christus über den Abakus, Schickards Rechenmaschine, die duale Zahlenwelt von Gottfried Wilhelm Leibniz und den ersten vollelektronischen Rechner Eniac bis hin zu den Gate Arrays der Gegenwart.

Neue Technologien schwer darstellbar

Bei der Ausstellungseröffnung wies Museumsdirektor Dr. Otto Mayr, der neben dem Vorstandsvorsitzenden der Paderborner Computerfirma, Heinz Nixdorf und dem bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultur Dr. Hans Maier den Beginn der Computerschau "einläutete", auf die schwierige Darstellung moderner Techniken hin. Wo sich nichts mehr bewegt, da wird nichts mehr geboten und das, was man sieht, versteht man nicht. Moderne Technik sei der an mechanischen Modellen vorgebildeten Intuition nicht mehr zugänglich. Um sich mit dieser Technik der Zukunft auseinanderzusetzen und um sie den Menschen verständlich zu machen, werde das Deutsche Museum völlig neue Methoden entwickeln müssen. Erschwerend käme bei einer diesbezüglichen Aufklärungsarbeit hinzu, daß weite Teile der Bevölkerung die neuen Techniken durch ihre "unentrinnbare Unentbehrlichkeit" als Bedrohung und Beherrschung empfänden.

In einer im Zuge der Ausstellungseröffnung anberaumten Podiumsdiskussion wurde besonders die politische Verantwortung bei der Einführung der neuen Techniken unterstrichen. So erklärte Dr. Kurt Biedenkopf, der Vorsitzende des CDU-Landesverbandes Westfalen-Lippe, daß gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen durch den Computer immer mehr das Resultat politischer Entscheidungen seien und trat in diesem Sinne für eine stärkere Unterstützung der Experimentierfreudigkeit im Bereich moderner Technologien durch die Politiker ein. DGB-Bundesvorstandsmitglied Siegfried Bleicher forderte eine soziale Technikgestaltung, die "nicht darauf abzielt, negative Entwicklungen irgendwann einmal zu korrigieren." Erwartungsgemäß ging Bleicher auch auf den durch die neuen Techniken bedingten Verlust von Arbeitsplätzen ein. Er bekannte jedoch, daß ohne Computereinsatz noch mehr Leute auf der Straße stehen würden.

Universalisierung des Wissens durch EDV

Der bayerische Unterrichts- und Kultusminister Dr. Hans Maier bezeichnete in seinen Statements die neuen Informationstechniken als Möglichkeit zur Universalisierung des Wissens und wies den elektronischen Rechner als Mittel aus, um die bei Jugendlichen oft vorhandene "Null-Bock-auf-gar-nichts-Mentalität" überwinden zu helfen.

Dr. Hartmut Fetzer als Vertreter der Firma Nixdorf hob hervor, daß "wir uns mit den modernen Informationstechnologien in dem Wirtschaftszweig befinden, der die absolut größten Wachstumsraten in den letzten Jahren hatte." Man nutze aber die Möglichkeiten, in diesem Bereich neue Arbeitsplätze zu schaffen bei weitem nicht aus, da die Eigenversorgung mit neuen Techniken gering, beziehungsweise der deutsche Computerbinnenmarkt im Vergleich zu Japan und Amerika viel zu klein sei.