Kolumne

"Never change a running system"

29.01.1999

Jahr 2000 und kein Ende. Das fiese Problem mit der Doppelnull dürfte inzwischen fast jedem IT-Profi den Nerv rauben. Wenn sich auch noch Publikumspresse und Fernsehen dieses Themas annehmen - was spätestens in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit der Fall sein wird - dürfte der Geduldsfaden der IT-Verantwortlichen vollends reißen. Auch die COMPUTERWOCHE trägt mit ihrer kontinuierlichen Y2K-Berichterstattung hoffentlich zur Unruhe und damit zur rechtzeitigen Problemlösung bei.

Vielleicht sind nicht zuletzt deshalb in den meisten großen Unternehmen die Jahr-2000-Projekte inzwischen weit fortgeschritten. Anders als kleine und mittelständische Unternehmen oder Kommunen sowie Regierungsbehörden planen viele Großanwender bis Mitte des Jahres, spätestens bis Ende des dritten Quartals, die Arbeiten gegen den Y2K-Bug abgeschlossen zu haben.

Paradoxerweise könnte diese Rechtzeitigkeit zu einem Problem für die DV-Industrie werden, die bisher mit der Doppelnull gutes Geld verdient hat. Die Marktauguren gehen davon aus, daß Anwender strategische Projekte aufgrund von Kapazitätsengpässen verschieben und erst dann nachholen, wenn sie ihre DV erfolgreich auf die neuen Jahreszahlen umgestellt haben. An die Angst vor Neuinstallationen in der kritischen Phase vor der Datumsumstellung hat bisher kaum jemand gedacht.

Dabei ist diese Furcht gut nachvollziehbar. Wer kauft schließlich neues Equipment - vielleicht sogar unternehmenskritische Systeme, fragte kürzlich der IT-Chef einer deutschen Großbank, wenn alles getestet ist und jede zusätzliche Installation bedeuten würde, wieder von vorn anzufangen? Niemand. Jeder wird nach abgeschlossener Arbeit in Deckung gehen und zumindest bis Jahresende nach der Devise handeln: Never change a running system.

Das wäre vielleicht anders, wenn Systemintegratoren und Generalunternehmer sich dazu überwinden könnten, eine Jahr-2000- Garantie für die gesamte von ihnen beim Kunden installierte Lösung abzugeben. Das versichern sie aber nur für ihre eigenen Produkte. Schon deshalb liegt in der Aussicht, daß die Einnahmen der Hersteller spätestens im vierten Quartal 1999 drastisch zurückgehen und die High-Tech-Indizes der Weltbörsen in den Keller rauschen könnten, eine gewisse Gerechtigkeit.