Kritik des Rechnungshofs beherzigt

Neues Netz für weißblaue Behörden

07.03.2003
MÜNCHEN (rg) - Nach dem mäßigen Erfolg des Vorgängerprojekts "Bayern Online" unternimmt die bayerische Staatsregierung mit "Baykom" einen erneuten Versuch, alle staatlichen Behörden in eine einheitliche IT-Infrastruktur einzubinden. Auch die Fachnetze der Polizei und der Steuerbehörden sowie das ebenfalls generalüberholte Justiznetz sollen eingegliedert werden.

Einem Bericht des bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) zufolge hat das Projekt "Bayern Online", das eine gemeinsame Infrastruktur für Behörden-, Hochschul- und Bürgernetz schaffen sollte, rund 180 Millionen Euro verschlungen, ohne alle wesentlichen Ziele zu erreichen. Allein durch unwirtschaftliches Handeln sind demnach unnötige Ausgaben von 8,5 Millionen Euro entstanden. Außerdem sei bei der Realisierung in erheblichem Umfang gegen das Vergabe- und Haushaltsrecht verstoßen worden, was ebenfalls Mehrkosten verursacht habe.

Der Ministerrat der bayerischen Staatsregierung hatte die Initiative im März 1995 gestartet. In diesem Rahmen sollte ein Hochgeschwindigkeitsnetz aufgebaut und der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik beschleunigt werden.

Mit dem Ausscheiden des Bürgernetzes im Jahr 1998 und dem Ende der vertraglichen Einbindung des Hochschulnetzes im Februar 2000 musste das Ziel von Bayern Online, eine einheitliche Infrastruktur zu schaffen, endgültig aufgegeben werden, so der ORH-Bericht. Das Behördennetz bestehe zwar als eigenständige Netzinfrastruktur weiter. Doch auch hier sei es nicht gelungen, ein einheitliches Datennetz zu schaffen. "Wichtige Fachnetze wie das der Polizei und der Steuerämter sind weiterhin nicht in das Behördennetz integriert", so der Bericht des ORH.

Das Ende der Provider-Vielfalt

Nun hat die bayerische Staatsregierung unter Federführung des Finanzministeriums ein ambitioniertes Großprojekt zur Neustrukturierung ihrer gesamten Kommunikationsplattformen gestartet. "Baykom" (Bayerische Kommunikationsnetze) soll die bisherige Provider- und Netzvielfalt in der Freistaat-IT beenden. Mit dieser Bündelung wolle man nicht nur günstigere wirtschaftliche Konditionen erreichen, sondern auch den steigenden technischen Anforderungen der staatlichen und kommunalen Stellen gerecht werden, so Helga Marhofer-Ferlan. Die Ministerialrätin im bayerischen Staatsministerium der Finanzen ist als stellvertretende Leiterin des Referats IuK-Technik auch Leiterin des Baykom-Projekts. Ihr Referat schrieb die Aufträge europaweit für die vier Bereiche Mobilfunk, Sprachfestnetz, Internet und Datenkommunikation aus.

Schrittweise Integration der Fachnetze

Weil die Netzinfrastruktur einen sensiblen Bereich darstelle und die Ausschreibungsunterlagen nicht in falsche Hände geraten sollten, so die Ministerialrätin, habe sich das Finanzministerium für ein nicht offenes Vergabeverfahren entschieden. Bei einem Teilnehmerwettbewerb im Mai 2002 konnten sich zwölf Anbieter qualifizieren, sechs nutzten die Möglichkeit und gaben Angebote ab. Am 3. Januar erhielt D2 Vodafone den Zuschlag für den Mobilfunkverkehr mit einem Volumen von 50 Millionen Euro und damit den Auftrag, eine Reihe anderer Provider abzulösen, mit denen bisher Rahmenverträge ohne feste Bindung eingegangen worden waren.

Zeitgleich gewann die deutsche Tochter der British Telecom, BT Ignite, den Auftrag zum Aufbau der Netze für den Sprach- und Datenverkehr, sowie das Internet mit einem Gesamtwert von 200 Millionen Euro. Der Vertrag hat eine Laufzeit von sieben Jahren und muss dann aus wettbewerbsrechtlichen Gründen neu ausgeschrieben werden.

Der langjährige und vom ORH beanstandete Datennetzvertrag mit dem IZB Informatikzentrum der Sparkassen-Finanzgruppe, an der der bayerische Staat über den IZB-Gesellschafter Bayerische Landesbank indirekt beteiligt ist, läuft zum 31. März 2003 aus. Die Migration auf die Netze von BT Ignite beginnt am 1. April. Verschiedene Fachnetze können allerdings erst später eingebunden werden, da deren Verträge mit den bisherigen Providern noch laufen. So ist beispielsweise das Steuernetz bis 2005 an die Deutsche Telekom gebunden. Wann das Polizeinetz - ebenfalls von der Telekom betrieben - integriert werden kann, ist noch nicht geklärt. Derzeit wird geprüft, wie die besonderen Anforderungen der Polizei, beispielsweise im Sicherheitsbereich, abgedeckt werden können.

Auch eine weitere IT-Großbaustelle, das Fachnetz der bayerischen Justiz, wird erst ab 2005 zu dem neuen Provider wechseln können. Die in diesem Bereich stark gestiegenen Anforderungen an die Leitungskapazitäten hatten einen vorzeitigen Ausbau des Justiznetzes und damit eine Verlängerung des Vertrags mit der IZB notwendig gemacht. Hintergrund ist das vor drei Jahren gestartete Umstellungsprojekt der bayerischen Justiz "Bajtech 2000" (Siehe Seite 33). Der Wechsel des Justiznetzes zum Provider des allgemeinen Behördennetzes sei in dem mit BT Ignite ausgehandelten Vertrag bereits berücksichtigt, so Marhofer-Ferlan.

Oberster Rechnungshof lobt neue Verträge

Der ORH sieht die bayerischen Behörden mittlerweile auf einem guten Weg. "Wir haben zwar den neuen Vertrag noch nicht geprüft, konnten jedoch bei der ersten Durchsicht keine kritikwürdigen Punkte entdecken", so Ludwig Späth, leitender Ministerialrat am ORH. Viele der von seiner Behörde in der Vergangenheit vorgebrachten Kritikpunkte seien bei der Ausschreibung und der Gestaltung des neuen Vertrags berücksichtigt worden.

Die Migration des Behördennetzes zum Netz der BT Ignite wird allerdings nochmal etwas teurer als notwendig. Die IZB konnte bei der zum 31. März 2003 ausgesprochenen Kündigung erhebliche Zusatzentgelte durchsetzen. Der ORH bemängelt hier insbesondere die Regelung, wonach - unabhängig vom Zeitpunkt der Migration der einzelnen Standorte - stets die vollen Anschlusskosten für den laufenden und den folgenden Monat weiter zu zahlen sind. Dies bringe zusätzlich zu den Gebühren für den neuen Provider Kosten von fast 580000 Euro mit sich. Wäre dagegen die Vereinbarung getroffen worden, nur die tatsächlich erforderlichen Rückgriffe auf das alte Netz (Fall-Back) zu vergüten, hätten hier zirka 420000 Euro gespart werden können.

Steckbrief "Baykom"

Ziel: Schaffung einer einheitlichen IT-Infrastruktur für alle staatlichen Behörden Bayerns.

Umfang: Migration von 2000 Dienststellen auf neue Provider.

Zeitrahmen für die Migration auf die neuen Netze: 2003 - 2005.

Stand heute: Wechsel auf neuen Provider ab 1. April 2003.

Auftragsvolumen: 250 Millionen Euro.

Ergebnis: Günstigere Verbindungskosten, Beendigung der Provider-Vielfalt.