Verbände halten neues Gesetz bereits für technisch überholt

Neues Mediengesetz läßt viele Fragen ungelöst

20.06.1997

Als einer der ersten Staaten, so zumindest die Darstellung der Bundesregierung, verfügt Deutschland über ein Artikelgesetz, das die Nutzung neuer Informationsdienste wie dem Internet regelt und so für Rechtssicherheit in Handel und Wirtschaft sorgt.

Dem Gesetz zufolge zeichnen die Online-Dienste künftig nur für die von ihnen selbst erstellten Inhalte verantwortlich; nicht aber für fremde Informationen, auf die der Anwender via Internet zugreifen kann. Allerdings schränkt das Gesetz diese scheinbare Rechtssicherheit auch gleich wieder ein: Wenn dem Provider nämlich der strafbare Inhalt eines Angebotes bekannt ist, kann er sehr wohl von den Rechtsorganen belangt werden. Eine Regelung, bei der wohl erst die Gerichte für Klarheit sorgen, wenn sie in Zweifelsfällen, etwa bei Newsgroups wie den "alt. sex.bestialities", entscheiden, ob der Name Programm ist und somit auf den Inhalt schließen läßt.

Ein anderes Problem sieht Jürgen Schneider, Geschäftsführer des Bundesverbands Informations- und Kommunikations-Systeme e.V., darin, "ob die Abgrenzung zum Staatsvertrag über Mediendienste und die Haftungsbegrenzung der Vertreiber den zu erwartenden gerichtlichen Überprüfungen standhält". In diesem Zusammenhang befürchtet Schneider besonders, daß kleine innovative Internet-Anbieter mit den Landes-Medienanstalten in Konflikt geraten könnten, weil die Bundesländer Online-Mediendienste wie Rundfunk behandeln wollen. Mit der Konsequenz, so der Geschäftsführer weiter, daß neue Arbeitsplätze einen Mausklick weiter im Ausland entstehen.

Über die Bund-Länder-Teilung in Sachen neue Mediendienste ist auch Bernhard Rohleder, stellvertretender Geschäftsführer beim Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI, nicht glücklich. Er befürchtet nämlich ebenfalls, daß Internet-Anbieter mit ihren Servern ins benachbarte Ausland abwandern, um dort mehr Rechtssicherheit zu haben. Letztlich, so Rohleder, regelt das Gesetz den Umgang mit der Technologie von vor zwei Jahren, ist aber nicht für die Zukunft konzipiert.

Bei aller Kritik wertet der Lobbyist aber die Bestimmungen zur elektronischen Signatur, also der digitalen Unterschrift, positiv, da sie hier endlich Rechtssicherheit schaffen: "Damit verhilft das Gesetz hoffentlich endlich dem E-Commerce auch in Deutschland zum Durchbruch, denn im Vergleich zu Großbritannien und anderen EU-Ländern hinken wir hier hinterher." Während Deutschland, wie Rohleder seine These untermauert, in anderen IT-Bereichen durchaus mit Umsatzanteilen von 30 Prozent aufwarten kann, erwirtschaften die Deutschen im EU-Vergleich beim digitalen Handel nur fünf Prozent des Gesamtvolumens.