Neuer Vorstandssprecher im Business-Re-Engineering-Fieber SNI-Chef Schulmeyer will das Management kraeftig ausduennen

18.11.1994

FRANKFURT/M. (hv) - Gerhard Schulmeyer, neuer Vorstandssprecher der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI), Muenchen, ist ein Mann der Tat. Diesen Eindruck zumindest bemuehte sich der Ex-ABB- Manager bei seinem ersten Presseauftritt zu erwecken. Schulmeyer will den Konzern mit konsequenter Kundenorientierung, gestrafften Produktionsprozessen und einem deutlich geschrumpften Management aus der Krise fuehren.

"Ein kultureller Wechsel dauert normalerweise drei bis fuenf Jahre", dozierte der Topmanager. So viel Zeit habe Siemens-Nixdorf nicht. Schon innerhalb eines Jahres werde SNI den Kunden drastische Verbesserungen spueren lassen. Seine anfaengliche Skepsis bezueglich des kulturellen Wandels, so der neue SNI-Chef, habe sich nach ausfuehrlichen Gruppen- und Einzelgespraechen mit rund 11 000 Mitarbeitern der Company in Zuversicht verkehrt.

Die oeffentliche Antrittsrede des Topmanagers klang wie eine Vorlesung zum Thema "Business Re-Engineering in der Praxis". Die neue Organisation werde gepraegt sein durch Prozesse statt Funktionen, durch eigenverantwortliche Mitarbeiter statt verwaltende Manager, durch Teams statt Abteilungen und durch Coaching statt Kontrolle. Nach einer Mobilisierungsphase, die im Fruehjahr naechsten Jahres zu Ende gehe und sowohl Kommunikation und Beobachtung als auch kurzfristige Massnahmen in puncto Kundenbetreuung einschliesse, wolle sich SNI im naechsten Jahr repositionieren.

Das SNI-Management soll laut Schulmeyer von 1400 auf weniger als 300 Personen schrumpfen. Mit einer Fuehrungsriege, die sich in Hierarchiekaempfe verstricke und letztendlich ueber buerokratische Entscheidungen nicht hinauskomme, sei dem Konzern nicht gedient. "Wir muessen uns auf unsere Kunden konzentrieren, nicht auf unsere eigenen Probleme", so der neue Mann.

Eigenverantwortliches Entscheiden muesse auch auf den unteren Hierarchiestufen moeglich sein. Ausserdem sei es wichtig, dass SNI- Mitarbeiter ein Gefuehl dafuer entwickelten, welchen Stellenwert der Produktionsfaktor Zeit in der IT-Industrie habe. Kernprozesse in der Produktion muessten dramatisch verkuerzt werden - hier habe man bereits erste durchschlagende Erfolge erzielt.

Die provokante Frage, ob SNI langfristig den Namen Nixdorf aus der Unternehmensbezeichnung streichen werde, verneinte Schulmeyer. Gleichwohl raeumte er ein, dass der Verschmelzungsprozess beider Firmen nicht ideal verlaufen sei. Die heutige Unternehmenskultur von SNI sei mehr oder weniger ein Zufallsprodukt. Man habe zuwenig daran gedacht, Nachteile beider Firmen auszumerzen und auf den Vorzuegen aufzubauen. Es sei jedoch unergiebig, zuviel ueber die Vergangenheit zu sinnieren - in diesem Sinne mochte sich Schulmeyer auch nicht ueber eventuelle Fehler seines Vorgaengers aeussern.

Selbstbewusstsein der Mitarbeiter angeknackst

Unternehmenskultur beginnt beim Mitarbeiter - und hier hat sich der neue Mann an der Spitze viel vorgenommen. Eine interne Befragung habe gezeigt, dass es SNI-Angestellten am wichtigsten erscheine, das Firmenimage zu verbessern. Offenbar haben die ueber Jahre hinweg aufgelaufenen Milliardenverluste (siehe auch Seite 11) am Selbstwertgefuehl der SNI-Belegschaft gezehrt. "Wir muessen lernen, uns positiver darzustellen", meinte denn auch Schulmeyer - als wolle er seiner Crew Mut machen.