IT-Arbeitsmarkt/Jobofferten im Internet

Neue Strategien der Selbstdarstellung sind im Kommen

29.11.1996

Wer sich heute über die Netze bewirbt, hat allein schon deshalb gute Karten, weil er damit beweißt, daß er mit der Technik umgehen kann und sich insofern auf der Höhe der Zeit befindet. Bevor sich die Rekrutierung im Online-Modus allerdings durchsetzen kann, ist insbesondere in Deutschland noch Geduld erforderlich. Hierzulande ist das Personal-Marketing von der elektronischen Revolution nahezu unberührt geblieben.

Ein Drittel der Personaler per E-Mail erreichbar

Präsentieren sich Unternehmen ihren Bewerbern, favorisieren sie eher die gedruckte als die digitale Information. Dies zumindest ist das Ergebnis einer vom "Handelsblatt" veranstalteten Umfrage unter Personalverantwortlichen aus 1800 Unternehmen. Demnach suchen rund 90 Prozent der Firmen ihr Personal über Inserate, 75 Prozent über spezielle Broschüren und immerhin gut 60 Prozent über gezielte Aktivitäten auf Hochschulmessen und Kontaktbörsen. Dahinter fallen Medien wie CD-ROM, Video oder Diskette als Mittel der Kontaktanbahnung weit zurück.

Erstaunlich aber ist die Quote der Online-Aktivitäten der befragten Unternehmen. Bereits 35 Prozent operieren auf der interaktiven Schiene. Dabei ist das Internet die Kommunikationsplattform Nummer eins. Immerhin ein Drittel der befragten Unternehmen gibt an, seine Personalabteilung sei per E-Mail erreichbar. Zwei von drei Unternehmen können sich vorstellen, in Zukunft Online-Bewerbungen zu erhalten. Doch dies ist vorläufig noch Zukunftsmusik.

Zwar gibt es bereits einige Vorkämpfer in Sachen Online-Personal-Marketing, zum Beispiel Bertelsmann, Audi und zahlreiche Firmen der IT-Branche, die mit beträchtlichen Zugriffsraten auf ihre Homepages und die entsprechenden Links zu Jobofferten verweisen. Doch eine Verallgemeinerung lassen vereinzelte Trendsetter kaum zu. Christa Matthäus von der Beratungsfirma PA Consulting: "Führungskräfte lassen sich von der zeitaufwendigen Recherche im Internet nicht anlocken." Zudem verhinderten "unseriöse und infantile Elemente" im Internet einen klar erkennbaren Nutzen. Ob sich unter diesen Umständen der Online-Kanal neben den traditionellen Wegen der Kontaktanbahnung behaupten wird, darf bezweifelt werden.

Dennoch, die Geburtswehen der technisch vermittelten Kontakte zwischen Personalangebot und -nachfrage haben längst eingesetzt. Die meisten Unternehmen tüfteln noch an ihren Konzepten herum, mit welcher Gewichtung sie traditionelle Stellenanzeigen und Online-Offerten auf die Strecke bringen sollen. Kein Wunder, daß - besonders in Deutschland - die Skeptiker den Ton angeben. Auf jeden Fall haben die meisten Personalverantwortlichen inzwischen begriffen, daß sie sich die Datenautobahn zunutze machen müssen.

Vor allem das typische Benutzerprofil des Internet-Surfers, das Marktforscher immer wieder nennen, muß ihnen die Sache wert sein: 30 bis 35 Jahre alt, Hochschulabschluß und überdurchschnittliches Einkommen. Wer hier im trüben fischt, ist selber schuld. Auch die Internationalität des Netzes erstickt viele Vorbehalte im Keim: Schneller läßt sich ein vielversprechendes Rendezvous kaum arrangieren.

Im Zeitalter der drahtlosen Verständigung stöbern veränderungsgewillte Angestellte in den weltweiten Netzen und Datenbanken, um sich per Mausklick als Bewerber ins Gespräch zu bringen. Nicht mehr lange wird es dauern, behaupten zumindest einige Kenner der Szene, bis sich Jobsuchende in der Mittagspause per Videokonferenz von ihrem PC in das virtuelle Vorstellungsgespräch einschalten oder einen interaktiv gestalteten elektronischen Fragebogen ausfüllen. Doch zurück in die Realität.

"Die neuen Medien ergänzen, ersetzen aber nicht die bestehenden Formen des Personal-Marketings", unterstreicht Cornelia Hulla, Prokuristin bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Dort ist man gerade dabei, die Weichen in Richtung Online zu stellen. Seit zwei Jahren arbeiten rund 20 Fachkräfte mit einschlägiger Internet- und Multimedia-Erfahrung an der Ausgestaltung der interaktiven Zukunft: Systemanalytiker, Designer, Netzwerkspezialisten, Programmierer und Projekt-Manager basteln an der interaktiven Schnittstelle zwischen Arbeitgeber und Nachwuchskandidaten.

Aber auch in anderen Bankinstituten regiert das Internet-Fieber. Die Münchner Advance Bank hat sich gezielt nach Leuten umgesehen, die insbesondere für das Projekt-Management eines virtuellen Unternehmens geeignet sind. Damit haben sich die Finanzdienstleister nicht nur als Trendsetter für die neuen Formen der Personalsuche in den Vordergrund gespielt, sondern sich bereits stark auf die künftigen Anforderungen und Qualifikationsprofile von Online- und Offline-Experten ausgerichtet.

Die Stellenanzeige steht nicht zur Disposition

Die klassische Form der Kontaktaufnahme über Stellenanzeigen steht allerdings nicht zur Disposition. Klaus Billig, Personal-Manager von Silicon Graphics in München: "Auf Anzeigenschaltungen haben wir den mit Abstand größten Rücklauf von allen Rekrutierungsstrategien." Doch die Anzeige allein reicht offenkundig nicht mehr aus, um den gewünschten Nachwuchs zu finden. Mehr und mehr etablieren sich die neuen Medien als Plattform für die Herstellung lohnender Kontakte.

Sich in den Zielgruppen des potentiellen Nachwuchses als technologischer Vorreiter und Trendsetter in Sachen Online-Kommunikation zu profilieren ist von strategischer Bedeutung für das Personal-Marketing. Von großem Vorteil ist das Image ei-nes dialogorientierten Unternehmens. Doch auch die Kosten sind ein wichtiges Argument: So lassen sich die traditionell hohen Investitionen hier durch das Online-Engagement erheblich verringern. Während eine Stellenanzeige in Tageszeitungen mehrere tausend Mark kostet, verlangen die ersten kommerziellen Anbieter für elektronische Anzeigen einige hundert Mark. Zugleich fällt ein geringerer Zeitaufwand für die Kontaktanbahnung an. Wenn bereits 1999 in jedem vierten deutschen Haushalt ein mit Modem ausgerüsteter PC installiert ist, wie die Marktforscher von Inteco ermittelten, läßt sich leicht ausrechnen, welche Potentiale die Unternehmen hier ausschöpfen können.

Jüngere geben sich mit Broschüren nicht zufrieden

Ein Beispiel für das professionelle Ansprechen des Nachwuchses ist die Westdeutsche Landesbank (West LB) in Düsseldorf. Seit September 1995 ist die Bank mit einem dreiteiligen Jobforum auf der eigenen Homepage im World Wide Web vertreten. Hier laufen Stellenanzeigen aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Programme für Berufsanfänger und Studenten zusammen.

Untersuchungen der West LB haben gezeigt, daß klassische Mittel wie Imagebroschüren und Personalanzeigen nicht mehr die gewünschte Akzeptanz vor allem bei den jüngeren Zielgruppen gebracht haben. Das massive Aufgebot an werblichen Botschaften der um ihren Nachwuchs bemühten Unternehmen habe zu einer höheren Reizschwelle geführt, so Ralf Groß-Heitfeld, Leiter Personal-Marketing der West LB. Neue Ansprechformen sind deshalb heiß begehrt.

Neben den Banken sind es die IT-Unternehmen, die sich bereits munter in der Online-Personalabteilung tummeln. Dennoch fallen die Ergebnisse nicht gerade berauschend aus. "Die Quote der Erstkontakte mit Bewerbern via Internet liegt deutlich unter fünf Prozent", resümiert Friedrich Christiandl von der Siemens AG in München. Dem schließt sich auch Stefan Ries an, Personalleiter im Münchener Headquarter des texanischen PC-Herstellers Compaq. Obwohl sich viele Kandidaten im Netz aufhalten, sind die Ergebnisse eher mager. Martina Frahn, Personalreferentin bei der CNI GmbH in Eschborn, macht aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl: "Versuchsweise haben wir in einem Internet-Stellenmarkt eine Anzeige veröffentlicht. Wir haben jedoch keine Resonanz erhalten."

Für DV-Berufe wird sich das Internet zur Jobbörse entwickeln, daran gibt es keinen Zweifel. Doch an den traditionellen Instrumenten, insbesondere bei der Besetzung von Führungspositionen, führt kein Weg vorbei. Die persönliche Vorauswahl und Bewertung der Bewerber läßt sich durch die Anzeige im Internet nicht ersetzen, darin sind sich die Experten einig. Auch die Zukunft der Personalberater steht nicht auf dem Spiel, glauben die Manager.

Auf der anderen Seite werde die erforderliche Akzeptanz von Stellenbewerbern erst noch kommen. Praktische Ratschläge hat CNI-Expertin Frahn zur Hand: "Die Bekanntheit der Anbieter von Online-Stellenmärkten müßte erhöht, die Gestaltung professioneller und der Zugang für den Interessenten erleichtert werden. Auf den Aufmacherseiten der Internet- Search-Engines oder der Online-Dienste könnte ein gesonderter Anzeigenteil Platz finden." Ob sich berufsspezifische oder eher allgemeine Stellenmärkte im Internet durchsetzen, bleibt noch abzuwarten.

Der Trend zur Online-Kommunikation im Personal-Marketing, so das Fazit von West LB-Manager Groß-Heitfeld, ist unumkehrbar und wird sich als feste Größe neben den traditionellen Instrumenten etablieren. Doch bis dahin ist es wohl noch ein weiter Weg.

Wie viele Personalleiter sind vernetzt, besitzen einen Internet-Zugang und können auch noch damit umgehen? Die Bedeutung von Internet und Co. hat ohne Zweifel deutlich zugenommen. Wer sich für eine reizvolle Aufgabe in der Berufswelt qualifiziert fühlt, sollte ruhig durch die Stellenangebote im Internet surfen.

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Ein Drittel der Unternehmen gibt an, ihre Personalabteilung sei per E-Mail erreichbar. Zwei von drei Unternehmen können sich vorstellen, in Zukunft Online-Bewerbungen zu erhalten. Ob sich der Online-Kanal neben den traditionellen Wegen der Kontaktanbahnung allerdings durchsetzen wird, ist noch offen, auch wenn einige Unternehmen sich schon fleißig auf dem Gebiet der elektronischen Bewerbung engagieren.

*Winfried Gertz ist freier Journalist in München.