IT in Versicherungen/Produkte auch elektronisch vorstellen

Multimedia-Kioske machen Kundenkontakte ergiebiger

13.12.1996

Was in Geldinstituten, Flughäfen, Reisebüros, Hotels oder Museen immer öfter zur Standardausstattung gehört, weckt allmählich auch das Interesse der Assekuranzen. Die Rede ist vom multimedialen Informationssystem. Dessen Erscheinungsbild ist so vielfältig wie sein Einsatzbereich: Web-Seiten zählen genauso dazu wie Multimedia-Kioske, also freistehende oder in Flächen eingebaute Selbstbedienungssysteme mit einfach zu bedienenden Oberflächen. Der Computerungeübte soll sich ohne Scheu an die elektronische Lösung herantrauen. Berühungssensitive Bildschirme sind zum Beispiel bei öffentlichen Informationskiosken Usus. Auch Banken, die ihre Serviceterminals mit den kundenfreundlicheren Bedienermasken und multimedialen Effekten ausstatten, setzen auf Touchscreens. Ganz kann auf die Tastatur zwar nur in den wenigsten Fällen verzichtet werden, immerhin gilt aber der Grundsatz der Einfachheit, das heißt, die Tastenauswahl soll so gering wie möglich sein. Sind nur wenige, standardisierte Eingaben erforderlich, läßt sich die Tastatur beispielsweise auch auf der Touch- screen-Oberfläche abbilden.

Der multimediale "Verkäufer" - darüber herrscht Konsens in Expertenkreisen - wird sich über kurz oder lang in speziellen Bereichen durchsetzen. Bei der Allfinanz haben derzeit die Banken die Nase vorn. Deren Kunden wird es in naher Zukunft möglich sein, sämtliche Massen- und Routineaufgaben wie Scheckeinreichungen oder Bargeldauszahlungen multimedial am Selbstbedienungs-Terminal oder über Online-Verbindungen von zu Hause aus abzuwickeln.

Zwar hat das Internet das allgemeine Bewußtsein für die neuen Medien gehoben, doch technologietreibend wirkt unter anderem auch ein grenzoffenes Europa, das die Unternehmen mit härteren Marktgegebenheiten konfrontiert. Elektronische Lösungen bieten eine gute Möglichkeit, das allzuoft undurchsichtige Produktgeflecht der einzelnen Policen, Bausparverträge, Lebensversicherungen oder Altersvorsorge-Optionen für den Kunden transparenter zu gestalten. Dabei kann die Information über das World Wide Web (WWW), über CD-ROMs oder auch über Multimedia-Kioske zum Verbraucher gelangen. Während entsprechende Seiten im WWW zuerst die Initiative des potentiellen Kunden erfordern, da dieser die Seite erst einmal aufrufen muß, bieten Multimedia-Kioske durch ihre Präsenz vor Ort ein größeres Potential für die Neukundengewinnung.

Durch Multimedia-Techniken können auch Kundengruppen erreicht werden, die mit PCs wenig vertraut sind. Die elektronische Informationsvermittlung eignet sich besser als die papierene zur Präsentation attraktiver und abwechslungsreicher Lösungen. Ansprechende, themenspezifische 3D-Oberflächen können durch die Kombination von Text, Bild, Ton und Video für gesteigerte Aufmerksamkeit sorgen. In der Beispielanwendung eines Reisebüros wird der Interessent von einer Mitarbeiterin quasi an die Hand genommen und bekommt Hilfestellung bei seinem Weg durchs Programm - in dieser Form läßt sich auch ein virtueller Versicherungsberater einsetzen, der dem Kunden bei der Informationsbeschaffung assistiert. Gut eingesetzt, ermöglicht Multimedia einen Mensch-Maschine-Dialog, der dem zwischen Menschen strukturell nahekommt.

Darüber hinaus kann eine Vielzahl von Informationen, die heute in der Regel mit komplizierten und kostenaufwendigen Datenbankzugriffen über die Laptops der Außendienstmitarbeiter oder die Desktops am Versicherungsschalter zum Kunden gelangen, mit Hilfe der Selbstbedienungsterminals über eine einheitliche und intuitive Schnittstelle öffentlich zugänglich gemacht werden. Dabei bestimmt der Kunde, über welches Angebot er sich im Moment informieren möchte, ist also nicht an die Vorstellungen und Vorträge einzelner Berater oder Produktprospekte gebunden. Er kann sich in beliebiger Reihenfolge durch das Angebot bewegen.

Doch mit dem Abruf von Daten sind die Einsatzbereiche eines Multimedia-Kiosks nicht erschöpft. An die firmeninternen Anwendungen angebunden, erlauben die Lösungen auch einen "Dialog" mit der Assekuranz. Denkbar sind die Regulierung von Schadensmeldungen, Tarifanfragen oder Adreßänderungen über bereits definierte Formulare, die anschließend direkt an die Versicherung zur weiteren Bearbeitung oder Kontaktaufnahme weitergeleitet werden.

Voraussetzung ist allerdings, daß die Versicherungen auch wirklich bereit sind, die zusätzlichen Mühen neuer Wege der Kundenansprache auf sich zu nehmen. Dann bekommt der Versicherte zwar weiterhin die persönliche Betreuung über den Außendienst, kann darüber hinaus aber auch die schnelle Ad-hoc-Information und -Dienstleistung über die Selbstbedienungs-Terminals nutzen.

Die Systeme lassen sich ähnlich den marktüblichen Geldautomaten von Finanzinstituten in versicherungseigenen Gebäuden, aber auch in Vorräumen von Partnerschaftsbanken positionieren, wo sie rund um die Uhr dem Publikum zur Verfügung stehen. Auch andere Unternehmen, die mit einer Assekuranz ständig zusammenarbeiten, bieten sich als Plazierungsmöglichkeit an. Ein großer Versicherungskonzern verfolgt dem Special-Interest-Titel "Der Kontakter" zufolge bereits ein entsprechendes Testprojekt. So soll in einem Industriebetrieb ein chipkartengesteuertes Selbstbedienungs-Terminal aufgestellt werden, das die Versicherungen und Kapitalanlagen anschaulich präsentiert. Auch die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) öffnet Versicherern auf diese Weise die Tür. "Wir wollen solche Terminals aufstellen, damit Unternehmen und Mitarbeiter Informationen und Dienstleistungen direkt im Haus abrufen können", erklärt Heinrich Frintrop, Abteilungsleiter der Multimedia/Internet-Division von SNI.

Daß eigene Systeme aufgestellt werden, ist nicht zwingend. Auch im Franchising-Verfahren lassen sich Multimedia-Kioske nutzen. So können Städte, Messe- oder Einkaufzentren, Tankstellen und Werkstätten ihre Informationskioske an Unternehmen untervermieten. Für das Angebot eines Versicherers ergäbe sich ein Werbe- und Informationskanal an prominenter Stelle. Auf eine breite Präsenz an diversen Orten setzt beispielsweise Macif, Frankreichs größter Kfz-Versicherer. Er will seinen Kunden in Geschäftsstellen, Großunternehmen, Supermärkten und Bahnhöfen das Ausdrucken von Angeboten, Verträgen oder Versicherungsscheinen ermöglichen.

Wer jedoch langsame Multimedia-Lösung mit Oberflächen von anno dazumal anbietet, wird nicht auf seine Kosten kommen. Die Programme müssen auf jeden Fall selbsterklärend sein. Hinzu kommen unterhaltende Elemente. Hier gilt es, sämtliche Möglichkeiten auszunutzen, beispielsweise den Benutzer durch lebendige Präsentationen zu fesseln. An der Gestaltung zu sparen wäre falsch. Für Kommunikationsdesigner, Psychologen, Filmproduzenten, Sprecher, Toningenieure und Softwarespezialisten gibt es bei der Durchführung eines ausgereiften Electronic-Commerce-Projekts eine Menge zu tun.

Barcode-Drucker gehören mittlerweile in der Regel zur Grundausstattung eines Multimedia-Kiosks. Manche Systeme verfügen darüber hinaus über Karten-Lesegeräte, etwa für Kundenkarten. Sie erlauben es, Restriktionen für bestimmte Kundengruppen festzulegen oder aber Kundendaten zu sammeln, um anschließend Trendanalysen vornehmen zu können. Zudem sind die Terminals für eine individuelle Kundenbetreuung ausbaubar. Die Karte eignet sich auch zur persönlichen Identifikation eines Versicherten. So kann er einen Blick auf seine Verträge werfen, diese ändern, neu anlegen oder - wenn das System über einen entsprechenden Drucker verfügt - sich sogar eine Versicherungsdoppelkarte ausdrucken.

Über Internet, Intranet oder lokale Netze greifen die Kiosklösungen auf Datenbanken zu oder kommunizieren mit anderen Rechnern. In bezug auf die technische Basis unterscheiden sich die Electronic-Commerce-Produkte deshalb wenig von den herkömmlichen Anwendungen. Zur Entwicklung der als Client-Server-Architektur konzipierten Installationen werden PC-Tools wie Visual Basic oder Visual C++, Macromedia Director, Quicktime VR und gängige PC-Datenbanken eingesetzt.

Auch die Einbindung von Standardapplikationen wie Microsofts Office oder E-Mail ist möglich. Wird eine verbreitete Technologie verwendet, bedeutet dies nicht nur Investitionsschutz, sondern sorgt auch für niedrigere Betriebskosten, da unter anderem der Schulungsaufwand der Mitarbeiter geringer ist als bei proprietären Lösungen.

Derzeit eignet sich das Internet wegen seiner wechselhaften Performance nur bedingt als Kommunikationsmedium für Multimedia-Kioske. Anders ist es im Intranet, das bei Banken und Versicherungen zunehmend Einzug hält. Intranets nutzen die kostengünstigen Technologien des Internet, haben allerdings nicht mit dessen Schwachpunkten, der mangelnden Sicherheit und zu geringer Durchsatzleistung, zu kämpfen. Das Intranet stellt deshalb die ideale Basis für Multimedia-Kioske dar: Kundenorientierte Applikationen mit hohem Interaktionsgrad - etwa Vertragsanträge - lassen sich sicher und kostengünstig mit Internet-Technologien wie Java-Applets, Visual-Basic-Scripts, Active-X-Controls oder OLE Custom Controls (OCX) entwickeln.

Allerdings müssen die Browser etwas modifiziert werden, da Produkte wie Netscape Navigator oder Microsoft Explorer in ihrer ursprünglichen Form von der Bedienung her nicht für Touch- screens ausgelegt sind. SNI beispielsweise rüstet seine Internet-Surfkioske mit einem angepaßten Microsoft Explorer aus. "Die Browser müssen sich auch ohne physikalische Tastatur bedienen lassen, das heißt, die Größe der Buttons ist den per Fingertip gesteuerten Touchscreens anzupassen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß manchmal nur eine virtuelle Tastatur auf Softwarebasis vorhanden ist", erklärt SNI-Mann Frintrop.

Mit einer solchen Lösung hält sich das Unternehmen jedoch alle Türen offen. Auch wenn anfangs nur das firmeneigene WWW-Angebot auf den Terminals bereitsteht, und die Interaktion über die sicheren Inhouse-Intranets erfolgt - ins Internet ist es dann eben nur noch ein kleiner Schritt.

Technologie

Die Multimedia-Kioske verfügen heute über- Rechner mit Pentium-Prozessor,- große Touchscreen-Monitore (17 Zoll und mehr),- Audio-Unterstützung,- Videokonferenz,- Kartenlesegeräte,- Bondrucker,- Formular- oder Laserdrucker,- PIN-Pad (optional) sowie- Alpha-Tastatur (optional).

Die Anwendungen

Angebot und Information über- Kfz-Versicherung,- Lebensversicherung,- Haftpflicht,- Rechtsschutz sowie- Hausrat.Ausdruck von Doppelkarten und grüner Versicherungskarte

Zusatzdienstleistungen wie- Wertermittlung sowie- Kfz-Schadensregulierung.Individuelle Beratung des Kunden nach Lebenssituation

AngeklicktNoch haben die Banken die Nase vorn, wenn es um Kundennähe via Netz und multimediales Terminal geht. Doch die Versicherungen holen auf. Neue Konzepte der Kundenansprache und veränderte Kooperationen, die Präsenz über attraktive Kioske an erstaunlich vielen Orten und rund um die Uhr zulassen, dürften den Assekuranzen so manche neue Kunden ins immer weiter gespannte elektronische Netz treiben und auch Altkunden mit neuen elektronischen Dienstleistungen bekannt machen.

*Stefanie Schneider ist freie Journalistin in München.